Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets

wunderschönen Vaterlande." Aber mögen auch noch so viele möglichst bald
mit den ersparten Groschen nach der tsrig. saiM Italiens zurückkehren, es
bleiben doch noch genug als seßhafte Ansiedler zurück, sodaß bei einer Weiter¬
entwicklung der Dinge im gegenwärtigen Verhältnis die romanische Kolonisation
gegenüber der germanischen außerordentlich an Bedeutung gewinnen wird.

Eine Zunahme der deutschen Auswanderung nach den Südprovinzen
überhaupt würde aber auch gewiß eine vermehrte Anlage deutschen Kapitals
in Brasilien herbeiführen. Eine solche liegt aber so sehr im Interesse der
brasilischen Negierung, daß sie allen Grund hätte, statt den nativistischen
Jakobinern Gehör zu schenken, eine in mäßigen Grenzen gehaltne Einwande¬
rung von deutscheu Bauer" und Handwerkern zu begünstigen. Die Überhand¬
nähme englischen Einflusses infolge des Schuldverhältnisses des Buudesschatzes
zu der englischen Rothschildgrnppe, dem einzigen, aber um so mächtigern aus¬
ländischen Gläubiger, und der riesigen englischen Kapitalanlagen besonders in
den Nord-, Mittel- und innern Provinzen des Bundesstaats sollte doch
nachgerade die ernsthaftesten Besorgnisse aller brasilischen Patrioten erregen.
Das Schicksal des Stammlandes Portugal, das allmählich zu einem reinen
Vasallenstaate Großbritanniens herabgesunken ist, spricht denn doch eine deut¬
liche Sprache. Deutsches Kapital und deutscher Unternehmungsgeist aber, die
vor allem für die Hebung der zurückgebliebnen Industrie Großes leisten könnten,
werden mit Vorliebe dort einsetzen, wo durch solide deutsche Arbeit der Boden
schon gelockert und eine starke Bevölkerung deutscher Abstammung gegenüber
dem unberechenbaren, unruhigen Geiste der Lusobrasilier eine Bürgschaft für
stetigen besonnenen Fortschritt giebt.

Nachtrag.

Soeben ersehen wir aus einer Nummer von Koseritzens
Deutscher Zeitung vom 6. August, daß einem Deutschen, Herrn H. Schüler, eine
wichtige Eisenbahnkonzession vom Staatspräsidenten erteilt worden ist, die für die
Kolonisation des Gebiets der sieben Missionen eine besondre Bedeutung hat. Es
handelt sich um eine neue, diese Ländereien in weitem Umfange erschließende
Linie, die, sobald die Negierung die Pläne gebilligt hat, in sechs Jahren fertig
sein soll. Zu beiden Seiten der Bahn sind große Strecken "devvlutcn" Landes
in die Konzession mit einbegriffen, die binnen zehn Jahren nach Eröffnung der
sie durchlaufenden Bahnstrecke besiedelt sein sollen- Der Hektar kostet etwas über
zwei Milreis. Wie versichert wird, handelt es sich diesmal nicht um papierne
Abmachungen, sondern hinter dem Unternehmer soll eine kapitalkräftige Gesell¬
schaft stehen, die den Plan möglichst bald zur Ausführung bringen will.




Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets

wunderschönen Vaterlande." Aber mögen auch noch so viele möglichst bald
mit den ersparten Groschen nach der tsrig. saiM Italiens zurückkehren, es
bleiben doch noch genug als seßhafte Ansiedler zurück, sodaß bei einer Weiter¬
entwicklung der Dinge im gegenwärtigen Verhältnis die romanische Kolonisation
gegenüber der germanischen außerordentlich an Bedeutung gewinnen wird.

Eine Zunahme der deutschen Auswanderung nach den Südprovinzen
überhaupt würde aber auch gewiß eine vermehrte Anlage deutschen Kapitals
in Brasilien herbeiführen. Eine solche liegt aber so sehr im Interesse der
brasilischen Negierung, daß sie allen Grund hätte, statt den nativistischen
Jakobinern Gehör zu schenken, eine in mäßigen Grenzen gehaltne Einwande¬
rung von deutscheu Bauer» und Handwerkern zu begünstigen. Die Überhand¬
nähme englischen Einflusses infolge des Schuldverhältnisses des Buudesschatzes
zu der englischen Rothschildgrnppe, dem einzigen, aber um so mächtigern aus¬
ländischen Gläubiger, und der riesigen englischen Kapitalanlagen besonders in
den Nord-, Mittel- und innern Provinzen des Bundesstaats sollte doch
nachgerade die ernsthaftesten Besorgnisse aller brasilischen Patrioten erregen.
Das Schicksal des Stammlandes Portugal, das allmählich zu einem reinen
Vasallenstaate Großbritanniens herabgesunken ist, spricht denn doch eine deut¬
liche Sprache. Deutsches Kapital und deutscher Unternehmungsgeist aber, die
vor allem für die Hebung der zurückgebliebnen Industrie Großes leisten könnten,
werden mit Vorliebe dort einsetzen, wo durch solide deutsche Arbeit der Boden
schon gelockert und eine starke Bevölkerung deutscher Abstammung gegenüber
dem unberechenbaren, unruhigen Geiste der Lusobrasilier eine Bürgschaft für
stetigen besonnenen Fortschritt giebt.

Nachtrag.

Soeben ersehen wir aus einer Nummer von Koseritzens
Deutscher Zeitung vom 6. August, daß einem Deutschen, Herrn H. Schüler, eine
wichtige Eisenbahnkonzession vom Staatspräsidenten erteilt worden ist, die für die
Kolonisation des Gebiets der sieben Missionen eine besondre Bedeutung hat. Es
handelt sich um eine neue, diese Ländereien in weitem Umfange erschließende
Linie, die, sobald die Negierung die Pläne gebilligt hat, in sechs Jahren fertig
sein soll. Zu beiden Seiten der Bahn sind große Strecken „devvlutcn" Landes
in die Konzession mit einbegriffen, die binnen zehn Jahren nach Eröffnung der
sie durchlaufenden Bahnstrecke besiedelt sein sollen- Der Hektar kostet etwas über
zwei Milreis. Wie versichert wird, handelt es sich diesmal nicht um papierne
Abmachungen, sondern hinter dem Unternehmer soll eine kapitalkräftige Gesell¬
schaft stehen, die den Plan möglichst bald zur Ausführung bringen will.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226406"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_424" prev="#ID_423"> wunderschönen Vaterlande." Aber mögen auch noch so viele möglichst bald<lb/>
mit den ersparten Groschen nach der tsrig. saiM Italiens zurückkehren, es<lb/>
bleiben doch noch genug als seßhafte Ansiedler zurück, sodaß bei einer Weiter¬<lb/>
entwicklung der Dinge im gegenwärtigen Verhältnis die romanische Kolonisation<lb/>
gegenüber der germanischen außerordentlich an Bedeutung gewinnen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_425"> Eine Zunahme der deutschen Auswanderung nach den Südprovinzen<lb/>
überhaupt würde aber auch gewiß eine vermehrte Anlage deutschen Kapitals<lb/>
in Brasilien herbeiführen. Eine solche liegt aber so sehr im Interesse der<lb/>
brasilischen Negierung, daß sie allen Grund hätte, statt den nativistischen<lb/>
Jakobinern Gehör zu schenken, eine in mäßigen Grenzen gehaltne Einwande¬<lb/>
rung von deutscheu Bauer» und Handwerkern zu begünstigen. Die Überhand¬<lb/>
nähme englischen Einflusses infolge des Schuldverhältnisses des Buudesschatzes<lb/>
zu der englischen Rothschildgrnppe, dem einzigen, aber um so mächtigern aus¬<lb/>
ländischen Gläubiger, und der riesigen englischen Kapitalanlagen besonders in<lb/>
den Nord-, Mittel- und innern Provinzen des Bundesstaats sollte doch<lb/>
nachgerade die ernsthaftesten Besorgnisse aller brasilischen Patrioten erregen.<lb/>
Das Schicksal des Stammlandes Portugal, das allmählich zu einem reinen<lb/>
Vasallenstaate Großbritanniens herabgesunken ist, spricht denn doch eine deut¬<lb/>
liche Sprache. Deutsches Kapital und deutscher Unternehmungsgeist aber, die<lb/>
vor allem für die Hebung der zurückgebliebnen Industrie Großes leisten könnten,<lb/>
werden mit Vorliebe dort einsetzen, wo durch solide deutsche Arbeit der Boden<lb/>
schon gelockert und eine starke Bevölkerung deutscher Abstammung gegenüber<lb/>
dem unberechenbaren, unruhigen Geiste der Lusobrasilier eine Bürgschaft für<lb/>
stetigen besonnenen Fortschritt giebt.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> Nachtrag.</head>
            <p xml:id="ID_426"> Soeben ersehen wir aus einer Nummer von Koseritzens<lb/>
Deutscher Zeitung vom 6. August, daß einem Deutschen, Herrn H. Schüler, eine<lb/>
wichtige Eisenbahnkonzession vom Staatspräsidenten erteilt worden ist, die für die<lb/>
Kolonisation des Gebiets der sieben Missionen eine besondre Bedeutung hat. Es<lb/>
handelt sich um eine neue, diese Ländereien in weitem Umfange erschließende<lb/>
Linie, die, sobald die Negierung die Pläne gebilligt hat, in sechs Jahren fertig<lb/>
sein soll. Zu beiden Seiten der Bahn sind große Strecken &#x201E;devvlutcn" Landes<lb/>
in die Konzession mit einbegriffen, die binnen zehn Jahren nach Eröffnung der<lb/>
sie durchlaufenden Bahnstrecke besiedelt sein sollen- Der Hektar kostet etwas über<lb/>
zwei Milreis. Wie versichert wird, handelt es sich diesmal nicht um papierne<lb/>
Abmachungen, sondern hinter dem Unternehmer soll eine kapitalkräftige Gesell¬<lb/>
schaft stehen, die den Plan möglichst bald zur Ausführung bringen will.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets wunderschönen Vaterlande." Aber mögen auch noch so viele möglichst bald mit den ersparten Groschen nach der tsrig. saiM Italiens zurückkehren, es bleiben doch noch genug als seßhafte Ansiedler zurück, sodaß bei einer Weiter¬ entwicklung der Dinge im gegenwärtigen Verhältnis die romanische Kolonisation gegenüber der germanischen außerordentlich an Bedeutung gewinnen wird. Eine Zunahme der deutschen Auswanderung nach den Südprovinzen überhaupt würde aber auch gewiß eine vermehrte Anlage deutschen Kapitals in Brasilien herbeiführen. Eine solche liegt aber so sehr im Interesse der brasilischen Negierung, daß sie allen Grund hätte, statt den nativistischen Jakobinern Gehör zu schenken, eine in mäßigen Grenzen gehaltne Einwande¬ rung von deutscheu Bauer» und Handwerkern zu begünstigen. Die Überhand¬ nähme englischen Einflusses infolge des Schuldverhältnisses des Buudesschatzes zu der englischen Rothschildgrnppe, dem einzigen, aber um so mächtigern aus¬ ländischen Gläubiger, und der riesigen englischen Kapitalanlagen besonders in den Nord-, Mittel- und innern Provinzen des Bundesstaats sollte doch nachgerade die ernsthaftesten Besorgnisse aller brasilischen Patrioten erregen. Das Schicksal des Stammlandes Portugal, das allmählich zu einem reinen Vasallenstaate Großbritanniens herabgesunken ist, spricht denn doch eine deut¬ liche Sprache. Deutsches Kapital und deutscher Unternehmungsgeist aber, die vor allem für die Hebung der zurückgebliebnen Industrie Großes leisten könnten, werden mit Vorliebe dort einsetzen, wo durch solide deutsche Arbeit der Boden schon gelockert und eine starke Bevölkerung deutscher Abstammung gegenüber dem unberechenbaren, unruhigen Geiste der Lusobrasilier eine Bürgschaft für stetigen besonnenen Fortschritt giebt. Nachtrag. Soeben ersehen wir aus einer Nummer von Koseritzens Deutscher Zeitung vom 6. August, daß einem Deutschen, Herrn H. Schüler, eine wichtige Eisenbahnkonzession vom Staatspräsidenten erteilt worden ist, die für die Kolonisation des Gebiets der sieben Missionen eine besondre Bedeutung hat. Es handelt sich um eine neue, diese Ländereien in weitem Umfange erschließende Linie, die, sobald die Negierung die Pläne gebilligt hat, in sechs Jahren fertig sein soll. Zu beiden Seiten der Bahn sind große Strecken „devvlutcn" Landes in die Konzession mit einbegriffen, die binnen zehn Jahren nach Eröffnung der sie durchlaufenden Bahnstrecke besiedelt sein sollen- Der Hektar kostet etwas über zwei Milreis. Wie versichert wird, handelt es sich diesmal nicht um papierne Abmachungen, sondern hinter dem Unternehmer soll eine kapitalkräftige Gesell¬ schaft stehen, die den Plan möglichst bald zur Ausführung bringen will.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/176
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/176>, abgerufen am 29.06.2024.