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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets

Pfosten von zwanzig Meter Länge aus diesem Holz in den Ruinen der ehe¬
maligen Jesuitenkirche von S. Luiz, nach fast zweihundert Jahren noch voll¬
ständig erhalten und gesund. Die Bedingungen zum Gedeihen des Weinstocks
sind gegeben, und auch die Pflege des Paraguaytheebaums und des Maul¬
beerbaums und die Zucht der Seidenraupe haben eine große Zukunft. Auch
birgt der Urwald noch eine Menge von Pflanzen, deren Ausnutzung für die
Zwecke der Küche, der Heilkunde und der Gewerbethätigkeit noch, gar nicht oder
kaum begonnen hat. Da der eigentliche Rio-Grandenser auf dem Camp nur
Viehzüchter, Campeiro, im Walde "Theemacher" ist, ist der Ackerbau noch ganz
unentwickelt.

Die Metallschätze, deren Förderung zur Zeit der Herrschaft des Jesuiten¬
ordens nicht unbeträchtliche Werte erzeugte, liegen vor allem in den an die
eigentliche Waldzone angrenzenden Camp- oder Weidegebieten. Die Gold- und
Silbergeräte der Jesuitenkirchen waren fast alle aus Metall gefertigt, das hier
gefunden ist. Reiche Kupfererze und gediegnes Blei werden ebenfalls angetroffen,
ohne daß bisher Schürfungen von Belang stattgefunden Hütten. Dagegen
bilden die massenweise vorkommenden Halbedelsteine, Jaspis, Chalcedon, Achat,
Amcthhst und allerhand Bergkrystalle, einen wichtigen Ausfuhrartikel, wie sie
denn auch schon von den Jesuiten zu dekorativen Zwecken an ihren Bauwerken
verwendet worden sind.

Das Gesagte wird genügen, um eine Vorstellung von der Zukunft des
Gebiets der Missionen zu geben, in denen zur Zeit kaum mehr als 150000
Menschen wohnen, von denen auf das erst zu erschließende Waldland am
Rio Uruguay, das etwa 16000 Quadratkilometer umsaßt, nur ein ganz kleiner
Teil sällt. Freilich darf nicht übersehen werden, daß, soweit reiner Wald¬
boden in Betracht kommt, in den ersten Jahren die Ausrodung der Urwald¬
bäume und später der Kampf mit dem üppig wuchernden Unkraut anstrengende
Arbeit erfordern wird, und die Absatzwege zur Zeit noch großer Vervoll¬
kommnung fähig sind. Mit der Gründung neuer Kolonien wird aber auch
die Anlegung neuer Verkehrswege Hand in Hand gehen, wie schon das Ver¬
fahren bei Gründung der ersten Kolonie Guarcmy zeigt. Ist auch der Uruguay
nicht auf der ganzen Strecke, die das Gebiet der alten Missionen durchschneidet,
unbedingt schiffbar, so gestattet er doch den größten Teil des Jahres hin¬
durch eine beschränkte Schiffahrt. Außerdem ist die für die Erschließung des
Landes wichtige Eisenbahnlinie, die über Cruz Alta an der Grenze von
Sta. Catharina entlang durch den Staat Parana nach S. Paulo führen soll,
bis zu der erstgenannten Stadt schon fertig, und der Ausbau einer am Ufer
des Uruguay hinlaufenden Bahn im Nordwesten wird, wenn sich erst eine
englische Gesellschaft dafür interessirt -- deutsches Kapital hält sich ja von
solchen anscheinend gewagten Unternehmungen bis jetzt sern --, nicht ans sich
warten lassen.


Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets

Pfosten von zwanzig Meter Länge aus diesem Holz in den Ruinen der ehe¬
maligen Jesuitenkirche von S. Luiz, nach fast zweihundert Jahren noch voll¬
ständig erhalten und gesund. Die Bedingungen zum Gedeihen des Weinstocks
sind gegeben, und auch die Pflege des Paraguaytheebaums und des Maul¬
beerbaums und die Zucht der Seidenraupe haben eine große Zukunft. Auch
birgt der Urwald noch eine Menge von Pflanzen, deren Ausnutzung für die
Zwecke der Küche, der Heilkunde und der Gewerbethätigkeit noch, gar nicht oder
kaum begonnen hat. Da der eigentliche Rio-Grandenser auf dem Camp nur
Viehzüchter, Campeiro, im Walde „Theemacher" ist, ist der Ackerbau noch ganz
unentwickelt.

Die Metallschätze, deren Förderung zur Zeit der Herrschaft des Jesuiten¬
ordens nicht unbeträchtliche Werte erzeugte, liegen vor allem in den an die
eigentliche Waldzone angrenzenden Camp- oder Weidegebieten. Die Gold- und
Silbergeräte der Jesuitenkirchen waren fast alle aus Metall gefertigt, das hier
gefunden ist. Reiche Kupfererze und gediegnes Blei werden ebenfalls angetroffen,
ohne daß bisher Schürfungen von Belang stattgefunden Hütten. Dagegen
bilden die massenweise vorkommenden Halbedelsteine, Jaspis, Chalcedon, Achat,
Amcthhst und allerhand Bergkrystalle, einen wichtigen Ausfuhrartikel, wie sie
denn auch schon von den Jesuiten zu dekorativen Zwecken an ihren Bauwerken
verwendet worden sind.

Das Gesagte wird genügen, um eine Vorstellung von der Zukunft des
Gebiets der Missionen zu geben, in denen zur Zeit kaum mehr als 150000
Menschen wohnen, von denen auf das erst zu erschließende Waldland am
Rio Uruguay, das etwa 16000 Quadratkilometer umsaßt, nur ein ganz kleiner
Teil sällt. Freilich darf nicht übersehen werden, daß, soweit reiner Wald¬
boden in Betracht kommt, in den ersten Jahren die Ausrodung der Urwald¬
bäume und später der Kampf mit dem üppig wuchernden Unkraut anstrengende
Arbeit erfordern wird, und die Absatzwege zur Zeit noch großer Vervoll¬
kommnung fähig sind. Mit der Gründung neuer Kolonien wird aber auch
die Anlegung neuer Verkehrswege Hand in Hand gehen, wie schon das Ver¬
fahren bei Gründung der ersten Kolonie Guarcmy zeigt. Ist auch der Uruguay
nicht auf der ganzen Strecke, die das Gebiet der alten Missionen durchschneidet,
unbedingt schiffbar, so gestattet er doch den größten Teil des Jahres hin¬
durch eine beschränkte Schiffahrt. Außerdem ist die für die Erschließung des
Landes wichtige Eisenbahnlinie, die über Cruz Alta an der Grenze von
Sta. Catharina entlang durch den Staat Parana nach S. Paulo führen soll,
bis zu der erstgenannten Stadt schon fertig, und der Ausbau einer am Ufer
des Uruguay hinlaufenden Bahn im Nordwesten wird, wenn sich erst eine
englische Gesellschaft dafür interessirt — deutsches Kapital hält sich ja von
solchen anscheinend gewagten Unternehmungen bis jetzt sern —, nicht ans sich
warten lassen.


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[0172] Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets Pfosten von zwanzig Meter Länge aus diesem Holz in den Ruinen der ehe¬ maligen Jesuitenkirche von S. Luiz, nach fast zweihundert Jahren noch voll¬ ständig erhalten und gesund. Die Bedingungen zum Gedeihen des Weinstocks sind gegeben, und auch die Pflege des Paraguaytheebaums und des Maul¬ beerbaums und die Zucht der Seidenraupe haben eine große Zukunft. Auch birgt der Urwald noch eine Menge von Pflanzen, deren Ausnutzung für die Zwecke der Küche, der Heilkunde und der Gewerbethätigkeit noch, gar nicht oder kaum begonnen hat. Da der eigentliche Rio-Grandenser auf dem Camp nur Viehzüchter, Campeiro, im Walde „Theemacher" ist, ist der Ackerbau noch ganz unentwickelt. Die Metallschätze, deren Förderung zur Zeit der Herrschaft des Jesuiten¬ ordens nicht unbeträchtliche Werte erzeugte, liegen vor allem in den an die eigentliche Waldzone angrenzenden Camp- oder Weidegebieten. Die Gold- und Silbergeräte der Jesuitenkirchen waren fast alle aus Metall gefertigt, das hier gefunden ist. Reiche Kupfererze und gediegnes Blei werden ebenfalls angetroffen, ohne daß bisher Schürfungen von Belang stattgefunden Hütten. Dagegen bilden die massenweise vorkommenden Halbedelsteine, Jaspis, Chalcedon, Achat, Amcthhst und allerhand Bergkrystalle, einen wichtigen Ausfuhrartikel, wie sie denn auch schon von den Jesuiten zu dekorativen Zwecken an ihren Bauwerken verwendet worden sind. Das Gesagte wird genügen, um eine Vorstellung von der Zukunft des Gebiets der Missionen zu geben, in denen zur Zeit kaum mehr als 150000 Menschen wohnen, von denen auf das erst zu erschließende Waldland am Rio Uruguay, das etwa 16000 Quadratkilometer umsaßt, nur ein ganz kleiner Teil sällt. Freilich darf nicht übersehen werden, daß, soweit reiner Wald¬ boden in Betracht kommt, in den ersten Jahren die Ausrodung der Urwald¬ bäume und später der Kampf mit dem üppig wuchernden Unkraut anstrengende Arbeit erfordern wird, und die Absatzwege zur Zeit noch großer Vervoll¬ kommnung fähig sind. Mit der Gründung neuer Kolonien wird aber auch die Anlegung neuer Verkehrswege Hand in Hand gehen, wie schon das Ver¬ fahren bei Gründung der ersten Kolonie Guarcmy zeigt. Ist auch der Uruguay nicht auf der ganzen Strecke, die das Gebiet der alten Missionen durchschneidet, unbedingt schiffbar, so gestattet er doch den größten Teil des Jahres hin¬ durch eine beschränkte Schiffahrt. Außerdem ist die für die Erschließung des Landes wichtige Eisenbahnlinie, die über Cruz Alta an der Grenze von Sta. Catharina entlang durch den Staat Parana nach S. Paulo führen soll, bis zu der erstgenannten Stadt schon fertig, und der Ausbau einer am Ufer des Uruguay hinlaufenden Bahn im Nordwesten wird, wenn sich erst eine englische Gesellschaft dafür interessirt — deutsches Kapital hält sich ja von solchen anscheinend gewagten Unternehmungen bis jetzt sern —, nicht ans sich warten lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/172>, abgerufen am 29.06.2024.