Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Freiwillige Sammlungen bei der Post Sekretär von Stephan. Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daß man auch Neben solchen und ähnlichen Sammlungen, die hier nicht sämtlich erwähnt Als letztes Beispiel soll noch angeführt werden, daß einem andern Oberpost¬ Leider beschränkt man sich aber bei der Überreichung von Geschenken an Vor¬ Freiwillige Sammlungen bei der Post Sekretär von Stephan. Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daß man auch Neben solchen und ähnlichen Sammlungen, die hier nicht sämtlich erwähnt Als letztes Beispiel soll noch angeführt werden, daß einem andern Oberpost¬ Leider beschränkt man sich aber bei der Überreichung von Geschenken an Vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225680"/> <fw type="header" place="top"> Freiwillige Sammlungen bei der Post</fw><lb/> <p xml:id="ID_216" prev="#ID_215"> Sekretär von Stephan. Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daß man auch<lb/> da wieder hie und da Sammlungen unter den Postbeamten veranstaltete. So<lb/> finden wir in dem Verzeichnis der Geber in der Bohnischen Zeitung vom 26. Februar<lb/> 1895 unter anderm: Sammlung im Oberpostdirektionsbezirk Darmstadt, 2. Rate,<lb/> 200 Mark, Sammlung im Oberpostdirektionsbezirk Königsberg (Preußen) 6190 Mark.<lb/> Dieser Betrag ist, da das gesamte Personal dieses Bezirks nach amtlicher Angabe<lb/> Ende 1895 nur 2841 Köpfe betrug, so erstaunlich hoch, daß man unwillkürlich<lb/> einen Druckfehler vermutete. Aber die Endsumme des Gabeuverzeichuisses kommt<lb/> nur heraus, wenn der erwähnte Betrag von 6190 Mark eingestellt wird. Später<lb/> soll die Fortsetzung der Sammlungen verboten worden sein. Das find die unheil¬<lb/> vollen Folgen eines unheilvollen Systems: die untern Organe bemühen sich, die<lb/> Wünsche der obern zu erraten, ihnen zuvorzukommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_217"> Neben solchen und ähnlichen Sammlungen, die hier nicht sämtlich erwähnt<lb/> werden können, blieb natürlich der Gebrauch bestehen, Mitarbeitern zu ihrem funfzig¬<lb/> jährigen Dienstjubiläums Geschenke zu macheu; leider wurden nur diese Geschenke<lb/> von Jahr zu Jahr üppiger, also auch kostspieliger. Auch beschränkte man sich<lb/> nicht mehr darauf, nur die näher stehenden Amtsgenossen zu den Beisteuern auf¬<lb/> zufordern, sondern zog, namentlich wenn es sich um Vorgesetzte handelte, sämtliche<lb/> Beamte bis zum jüngsten Postgehilfeu und bedauerlicherweise oft auch die Unter¬<lb/> beamten heran. So erhielt ein Oberpostdirektor, wie die Deutsche Verkehrszeituug<lb/> berichtet, von den Beamten ein silbernes Besteck für achtundvierzig Personen in<lb/> zwei schön ausgestatteten Kasten und von den Unterbeamten zwei silberne Frucht¬<lb/> schalen, ein Nauchservice in Bronze und einen silbernen Lorbeerkranz. Einem<lb/> andern Oberpostdirektvr wurde (uach derselben Quelle) ein reich ziselirter Tafel¬<lb/> aufsatz im Rokokkostil mit passenden Emblemen in vornehmer künstlerischer Aus¬<lb/> führung, sowie eine Auzahl silberner Besteckgarnituren, gleichfalls Meisterstücke der<lb/> Goldschmiedekunst, überreicht. Außerdem noch eine Glückwuuschadresse mit fast vier¬<lb/> tausend Unterschriften, deren Titelblatt, ein Aquarell, ein Kunstwerk war. Die<lb/> Adresse ruhte in einer kostbaren Ledermappe mit getriebnen Metalleckeu und reichen<lb/> Ornamenten. Wie viel Tausende müssen die armen Postbeamten hergegeben haben,<lb/> um die Beschaffung solcher Kostbarkeiten zu ermöglichen! Natürlich ist auch hier<lb/> immer nur vou „freiwilligen" Gaben die Rede.</p><lb/> <p xml:id="ID_218"> Als letztes Beispiel soll noch angeführt werden, daß einem andern Oberpost¬<lb/> direktor zu seinem funfzigjährigen Dienstjubiläum als Ehrengabe des Senats und<lb/> der Kaufmannschaft der freien Reichsstadt Hamburg ein künstlerisch ausgestattetes<lb/> Portefeuille mit einer Anweisung auf eine namhafte, zum Ankauf einer Villa be¬<lb/> stimmte Summe überreicht wurde: ein in der Geschichte der preußischen Beamten-<lb/> Hierarchie wohl noch nicht vorgekommuer Fall, der sich leider bald darauf und zwar<lb/> in der Reichshauptstadt wiederholte. Über die Art und Weise, wie die Kaufmann-<lb/> schaft zu dieser Spende angeregt worden ist, kursirten damals Gerüchte, die ebenso<lb/> ausfällig waren, wie die Gabe selbst. Natürlich waren dem erwähnten Oberpost¬<lb/> direktor auch noch von seinen Untergebnen Geschenke gemacht worden: ein kostbares<lb/> Silberbestek nebst zugehörigen Service und ein Büffet aus Eichenholz. Ein Jahr<lb/> darauf wurde der Tag, wo derselbe hohe Herr eine fünfundzwanzigjährige Dienstzeit<lb/> als Oberpostdirektor vollendete, unter abermaliger Überreichung von Ehrengaben<lb/> der Untergebnen gefeiert. Worin diese Geschenke bestanden, verschweigt diesmal<lb/> die Deutsche Verkehrszeitung.</p><lb/> <p xml:id="ID_219" next="#ID_220"> Leider beschränkt man sich aber bei der Überreichung von Geschenken an Vor¬<lb/> gesetzte nicht bloß auf die dienstlichen Gedenktage, auch Familienfeste bieten servilen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
Freiwillige Sammlungen bei der Post
Sekretär von Stephan. Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daß man auch
da wieder hie und da Sammlungen unter den Postbeamten veranstaltete. So
finden wir in dem Verzeichnis der Geber in der Bohnischen Zeitung vom 26. Februar
1895 unter anderm: Sammlung im Oberpostdirektionsbezirk Darmstadt, 2. Rate,
200 Mark, Sammlung im Oberpostdirektionsbezirk Königsberg (Preußen) 6190 Mark.
Dieser Betrag ist, da das gesamte Personal dieses Bezirks nach amtlicher Angabe
Ende 1895 nur 2841 Köpfe betrug, so erstaunlich hoch, daß man unwillkürlich
einen Druckfehler vermutete. Aber die Endsumme des Gabeuverzeichuisses kommt
nur heraus, wenn der erwähnte Betrag von 6190 Mark eingestellt wird. Später
soll die Fortsetzung der Sammlungen verboten worden sein. Das find die unheil¬
vollen Folgen eines unheilvollen Systems: die untern Organe bemühen sich, die
Wünsche der obern zu erraten, ihnen zuvorzukommen.
Neben solchen und ähnlichen Sammlungen, die hier nicht sämtlich erwähnt
werden können, blieb natürlich der Gebrauch bestehen, Mitarbeitern zu ihrem funfzig¬
jährigen Dienstjubiläums Geschenke zu macheu; leider wurden nur diese Geschenke
von Jahr zu Jahr üppiger, also auch kostspieliger. Auch beschränkte man sich
nicht mehr darauf, nur die näher stehenden Amtsgenossen zu den Beisteuern auf¬
zufordern, sondern zog, namentlich wenn es sich um Vorgesetzte handelte, sämtliche
Beamte bis zum jüngsten Postgehilfeu und bedauerlicherweise oft auch die Unter¬
beamten heran. So erhielt ein Oberpostdirektor, wie die Deutsche Verkehrszeituug
berichtet, von den Beamten ein silbernes Besteck für achtundvierzig Personen in
zwei schön ausgestatteten Kasten und von den Unterbeamten zwei silberne Frucht¬
schalen, ein Nauchservice in Bronze und einen silbernen Lorbeerkranz. Einem
andern Oberpostdirektvr wurde (uach derselben Quelle) ein reich ziselirter Tafel¬
aufsatz im Rokokkostil mit passenden Emblemen in vornehmer künstlerischer Aus¬
führung, sowie eine Auzahl silberner Besteckgarnituren, gleichfalls Meisterstücke der
Goldschmiedekunst, überreicht. Außerdem noch eine Glückwuuschadresse mit fast vier¬
tausend Unterschriften, deren Titelblatt, ein Aquarell, ein Kunstwerk war. Die
Adresse ruhte in einer kostbaren Ledermappe mit getriebnen Metalleckeu und reichen
Ornamenten. Wie viel Tausende müssen die armen Postbeamten hergegeben haben,
um die Beschaffung solcher Kostbarkeiten zu ermöglichen! Natürlich ist auch hier
immer nur vou „freiwilligen" Gaben die Rede.
Als letztes Beispiel soll noch angeführt werden, daß einem andern Oberpost¬
direktor zu seinem funfzigjährigen Dienstjubiläum als Ehrengabe des Senats und
der Kaufmannschaft der freien Reichsstadt Hamburg ein künstlerisch ausgestattetes
Portefeuille mit einer Anweisung auf eine namhafte, zum Ankauf einer Villa be¬
stimmte Summe überreicht wurde: ein in der Geschichte der preußischen Beamten-
Hierarchie wohl noch nicht vorgekommuer Fall, der sich leider bald darauf und zwar
in der Reichshauptstadt wiederholte. Über die Art und Weise, wie die Kaufmann-
schaft zu dieser Spende angeregt worden ist, kursirten damals Gerüchte, die ebenso
ausfällig waren, wie die Gabe selbst. Natürlich waren dem erwähnten Oberpost¬
direktor auch noch von seinen Untergebnen Geschenke gemacht worden: ein kostbares
Silberbestek nebst zugehörigen Service und ein Büffet aus Eichenholz. Ein Jahr
darauf wurde der Tag, wo derselbe hohe Herr eine fünfundzwanzigjährige Dienstzeit
als Oberpostdirektor vollendete, unter abermaliger Überreichung von Ehrengaben
der Untergebnen gefeiert. Worin diese Geschenke bestanden, verschweigt diesmal
die Deutsche Verkehrszeitung.
Leider beschränkt man sich aber bei der Überreichung von Geschenken an Vor¬
gesetzte nicht bloß auf die dienstlichen Gedenktage, auch Familienfeste bieten servilen
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