Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Die Älteste Besiedlung Deutschlands Hermunduren, Vajuvciren) die Zehntlande, die Gebiete ein der obern Donau Auf die große germanische Rückwanderung, die, schon mit Karl dem Die Älteste Besiedlung Deutschlands Hermunduren, Vajuvciren) die Zehntlande, die Gebiete ein der obern Donau Auf die große germanische Rückwanderung, die, schon mit Karl dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0620" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226206"/> <fw type="header" place="top"> Die Älteste Besiedlung Deutschlands</fw><lb/> <p xml:id="ID_1560" prev="#ID_1559"> Hermunduren, Vajuvciren) die Zehntlande, die Gebiete ein der obern Donau<lb/> und in den Mittelalpen, die Friesen und Sachsen besetzten zunächst das Tief¬<lb/> land zwischen der untern Weser und dem Niederrhein und gingen dann im<lb/> fünften Jahrhundert uach Britannien hinüber. Sie nahmen dabei teils die ältern<lb/> keltischen und römischen Siedlungen einfach für sich in Besitz (die westfälischen<lb/> Einzelhvfe, die man so lange für die urgermanische Siedluugsart gehalten<lb/> hat, sind also keltischen, nicht germanischen Ursprungs), teils schoben sie ihre<lb/> bald volksmäßigen (d. h. von freien Bauern bewohnten), bald gutsherrlichen<lb/> Gewanndörfer zwischen diese ältern Anlagen ein oder wandelten solche in<lb/> ihrer Art um. So beherrschte der altkeltische, nunmehr germanisirte Einzelhof<lb/> das ganze Flachland von der untern Weser bis zur Scheide und einen guten<lb/> Teil Nordfrankreichs, wo nnr längs der Nordseeküste die geschlossenen friesischen<lb/> Marschendörfcr auftraten, sowie fast ganz Westfrankreich (das alte Hauptland<lb/> der Westgoten), außerdem im Süden die Alpenländer. Die neugegründeten<lb/> Gewaundörfer wiegen vor im ganzen suebisch-oberdeutschen „Eroberungslande"<lb/> vom Main bis ins Alpenvorland und im nordöstlichen Gallien.</p><lb/> <p xml:id="ID_1561" next="#ID_1562"> Auf die große germanische Rückwanderung, die, schon mit Karl dem<lb/> Großen beginnend, binnen wenigen Jahrhunderten das während der Völker¬<lb/> wanderung den Slawen zugefallne Land im Osten der Elbe, Saale und Enns<lb/> (die europäische Urheimat der Germanen und vor der Wanderung der Sitz ihrer<lb/> edelsten Stämme), dein Deutschtum wieder zurückgewann, gehen wir hier uicht<lb/> ein; hier betritt Meitzen einen ihm besonders vertrauten und für die Forschung<lb/> schon geebneten Boden. Nur auf einen Punkt sei zuletzt noch hingewiesen, der sich<lb/> aus seinen Darlegungen wieder mit besondrer Klarheit ergiebt, auf den Maugel<lb/> an Stetigkeit in den Wohnsitzen der festländischen Germanen, der Deutschen<lb/> im spätern Sinne, der im auffallendsten Gegensatze zu der Entwicklung aller<lb/> andern europäische:: Völker steht. Von dem ganzen weiten Gebiete, das sie<lb/> bei ihrem ersten Auftreten inne hatten, ist ihnen beständig nur der verhältnis¬<lb/> mäßig schmale Streifen vom Main bis zur Eider und zur Nordsee, von der<lb/> Saale und Elbe bis zur untern Weser, dem Quellengebiet der Lippe und Ruhr<lb/> und dem rheinischen Schiefergebirge geblieben; alles, was im Westen und<lb/> Süden dieser Grenzen liegt, ist erst später hinzuervbert worden, alles, was<lb/> im Osten liegt, für viele Jahrhunderte verloren gegangen und erst in der<lb/> zweiten Hälfte des Mittelalters wiedergewonnen worden. Es ist klar, wie<lb/> dieser fortwährende Wechsel dazu beitragen mußte, die Entstehung eines festen<lb/> Kernes der Staatenbildung, wie ihn Frankreich in der Gegend um Paris,<lb/> England in dem Lande an der untern Themse um London, Italien in Rom,<lb/> Rußland wenigstens seit dem dreizehnten Jahrhundert in Moskau gehabt hat,<lb/> zu erschweren und damit die Begründung der politischen Nationaleinheit zu<lb/> verzögern. Erst seit kaum zweiundeinhalb Jahrhunderten ist, nachdem alle<lb/> frühern Ansätze uicht zum Ziele geführt hatten, in der Mark Brandenburg,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0620]
Die Älteste Besiedlung Deutschlands
Hermunduren, Vajuvciren) die Zehntlande, die Gebiete ein der obern Donau
und in den Mittelalpen, die Friesen und Sachsen besetzten zunächst das Tief¬
land zwischen der untern Weser und dem Niederrhein und gingen dann im
fünften Jahrhundert uach Britannien hinüber. Sie nahmen dabei teils die ältern
keltischen und römischen Siedlungen einfach für sich in Besitz (die westfälischen
Einzelhvfe, die man so lange für die urgermanische Siedluugsart gehalten
hat, sind also keltischen, nicht germanischen Ursprungs), teils schoben sie ihre
bald volksmäßigen (d. h. von freien Bauern bewohnten), bald gutsherrlichen
Gewanndörfer zwischen diese ältern Anlagen ein oder wandelten solche in
ihrer Art um. So beherrschte der altkeltische, nunmehr germanisirte Einzelhof
das ganze Flachland von der untern Weser bis zur Scheide und einen guten
Teil Nordfrankreichs, wo nnr längs der Nordseeküste die geschlossenen friesischen
Marschendörfcr auftraten, sowie fast ganz Westfrankreich (das alte Hauptland
der Westgoten), außerdem im Süden die Alpenländer. Die neugegründeten
Gewaundörfer wiegen vor im ganzen suebisch-oberdeutschen „Eroberungslande"
vom Main bis ins Alpenvorland und im nordöstlichen Gallien.
Auf die große germanische Rückwanderung, die, schon mit Karl dem
Großen beginnend, binnen wenigen Jahrhunderten das während der Völker¬
wanderung den Slawen zugefallne Land im Osten der Elbe, Saale und Enns
(die europäische Urheimat der Germanen und vor der Wanderung der Sitz ihrer
edelsten Stämme), dein Deutschtum wieder zurückgewann, gehen wir hier uicht
ein; hier betritt Meitzen einen ihm besonders vertrauten und für die Forschung
schon geebneten Boden. Nur auf einen Punkt sei zuletzt noch hingewiesen, der sich
aus seinen Darlegungen wieder mit besondrer Klarheit ergiebt, auf den Maugel
an Stetigkeit in den Wohnsitzen der festländischen Germanen, der Deutschen
im spätern Sinne, der im auffallendsten Gegensatze zu der Entwicklung aller
andern europäische:: Völker steht. Von dem ganzen weiten Gebiete, das sie
bei ihrem ersten Auftreten inne hatten, ist ihnen beständig nur der verhältnis¬
mäßig schmale Streifen vom Main bis zur Eider und zur Nordsee, von der
Saale und Elbe bis zur untern Weser, dem Quellengebiet der Lippe und Ruhr
und dem rheinischen Schiefergebirge geblieben; alles, was im Westen und
Süden dieser Grenzen liegt, ist erst später hinzuervbert worden, alles, was
im Osten liegt, für viele Jahrhunderte verloren gegangen und erst in der
zweiten Hälfte des Mittelalters wiedergewonnen worden. Es ist klar, wie
dieser fortwährende Wechsel dazu beitragen mußte, die Entstehung eines festen
Kernes der Staatenbildung, wie ihn Frankreich in der Gegend um Paris,
England in dem Lande an der untern Themse um London, Italien in Rom,
Rußland wenigstens seit dem dreizehnten Jahrhundert in Moskau gehabt hat,
zu erschweren und damit die Begründung der politischen Nationaleinheit zu
verzögern. Erst seit kaum zweiundeinhalb Jahrhunderten ist, nachdem alle
frühern Ansätze uicht zum Ziele geführt hatten, in der Mark Brandenburg,
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