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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Wiedererwerbung der Reichslande voraussetzte. Die Entscheidung in der
öffentlichen Meinung zog sich lange hinaus und wurde erst Anfang Februar
durch die nahezu verletzende Weise angebahnt, in der der englische Schatzkanzler
Hicks Veach im Parlament die von Frankreich vielfach begehrte Räumung
Ägyptens ablehnte. Nun schloß sich auch die französische Republik fester an
die übrigen europäischen Landmächte an, wodurch England genötigt wurde,
seine Versuche aufzugeben, in dem einheitlichen Eingreifen der europäischen
Diplomatie in die griechisch-orientalischen Wirren Zwietracht zu stiften.

In ihrem Auftreten in Konstantinopel und Athen zeigte sich die neue
politische Gruppirung zum erstenmale vor der Öffentlichkeit. Ohne daß eine
Zurücksetzung der drei andern Mächte vorkam, bot sich doch vielfach das äußere
Bild des frühern Dreikaiserbündnisses. Namentlich die abwechselnden, durch ihren
mittelbaren Einfluß kräftiger als diplomatische Noten wirkenden Telegramme
der drei Kaiser nach Stambul und Athen erweckten diesen Eindruck. Besonders
wurde das energische Eingreifen der deutschen Diplomatie und unsers Kaisers
bemerkt, und es begegnete daheim anfangs dem sattsam bekannten überweisen
Kopfschütteln. Man vergaß gänzlich, daß einem Kulturstaate, der fünfund¬
zwanzig Jahre lang erklärt hatte, nur der Hort des Friedens sein zu wollen,
gar keine andre Sprache einem kleinen, durch nichts berufnen Friedensstörer
gegenüber anstand; ebenso übersah man, wie ernst es die beiden Kaiser von
Deutschland und Nußland mit dem Frieden meinten, als sie mit Hintansetzung
der engsten Familienbeziehungen so entschieden auftraten. Um nur eins der
"Mißverständnisse" deutscher Blätter aus jenen Tagen zu erwähnen, sei hier
des nahezu allgemeinen Tadels gedacht, womit die Thatsache besprochen wurde,
daß der deutsche Kriegspanzer zuerst das Feuer auf die aufständischen Kreter
begonnen hatte. Man vermutete auch da wieder "jugendlichen" Übereifer.
Nun gingen diese absprechender Urteile zwar aus Unkenntnis diplomatischer
Gebräuche hervor, die in der Presse andrer Länder wohl auch vorkommt: bei
internationalen Vorgängen, wo nicht eine besondre Reihenfolge durch die Um¬
stände vorgezeichnet ist, geht es nach dem Alphabet, und im diplomatischen
Kodex steht ^UemaML vor ^nglvtörrö, ^utriotis usw., darum schoß das
deutsche Schiff zuerst. Wir bezweifeln aber, daß die Presse irgend eines andern
Landes das Vorangehen seines Dampfers, auch bei gleicher Unkenntnis des
wahren Sachverhalts, besprochen haben würde, ohne eine kleine patriotische
Eitelkeit anzubringen, vielleicht anzudeuten, daß er zuerst fertig geworden sei
oder etwas -ähnliches. Nur in Deutschland ist es Sitte, auch bei solchen Ge¬
legenheiten zu nörgeln und besonders gern "nach oben" hin, das sieht so
selbständig aus. Doch lassen wir diese Kleinlichkeiten und begnügen wir uns
mit den schou eingangs erwähnten Thatsachen, daß es gelungen ist, das
europäische Konzert, trotz mancher versuchter Seitensprünge Englands, bis auf
den heutigen Tag zusammenzuhalten, und daß sich auch die deutsche Presse


Wiedererwerbung der Reichslande voraussetzte. Die Entscheidung in der
öffentlichen Meinung zog sich lange hinaus und wurde erst Anfang Februar
durch die nahezu verletzende Weise angebahnt, in der der englische Schatzkanzler
Hicks Veach im Parlament die von Frankreich vielfach begehrte Räumung
Ägyptens ablehnte. Nun schloß sich auch die französische Republik fester an
die übrigen europäischen Landmächte an, wodurch England genötigt wurde,
seine Versuche aufzugeben, in dem einheitlichen Eingreifen der europäischen
Diplomatie in die griechisch-orientalischen Wirren Zwietracht zu stiften.

In ihrem Auftreten in Konstantinopel und Athen zeigte sich die neue
politische Gruppirung zum erstenmale vor der Öffentlichkeit. Ohne daß eine
Zurücksetzung der drei andern Mächte vorkam, bot sich doch vielfach das äußere
Bild des frühern Dreikaiserbündnisses. Namentlich die abwechselnden, durch ihren
mittelbaren Einfluß kräftiger als diplomatische Noten wirkenden Telegramme
der drei Kaiser nach Stambul und Athen erweckten diesen Eindruck. Besonders
wurde das energische Eingreifen der deutschen Diplomatie und unsers Kaisers
bemerkt, und es begegnete daheim anfangs dem sattsam bekannten überweisen
Kopfschütteln. Man vergaß gänzlich, daß einem Kulturstaate, der fünfund¬
zwanzig Jahre lang erklärt hatte, nur der Hort des Friedens sein zu wollen,
gar keine andre Sprache einem kleinen, durch nichts berufnen Friedensstörer
gegenüber anstand; ebenso übersah man, wie ernst es die beiden Kaiser von
Deutschland und Nußland mit dem Frieden meinten, als sie mit Hintansetzung
der engsten Familienbeziehungen so entschieden auftraten. Um nur eins der
„Mißverständnisse" deutscher Blätter aus jenen Tagen zu erwähnen, sei hier
des nahezu allgemeinen Tadels gedacht, womit die Thatsache besprochen wurde,
daß der deutsche Kriegspanzer zuerst das Feuer auf die aufständischen Kreter
begonnen hatte. Man vermutete auch da wieder „jugendlichen" Übereifer.
Nun gingen diese absprechender Urteile zwar aus Unkenntnis diplomatischer
Gebräuche hervor, die in der Presse andrer Länder wohl auch vorkommt: bei
internationalen Vorgängen, wo nicht eine besondre Reihenfolge durch die Um¬
stände vorgezeichnet ist, geht es nach dem Alphabet, und im diplomatischen
Kodex steht ^UemaML vor ^nglvtörrö, ^utriotis usw., darum schoß das
deutsche Schiff zuerst. Wir bezweifeln aber, daß die Presse irgend eines andern
Landes das Vorangehen seines Dampfers, auch bei gleicher Unkenntnis des
wahren Sachverhalts, besprochen haben würde, ohne eine kleine patriotische
Eitelkeit anzubringen, vielleicht anzudeuten, daß er zuerst fertig geworden sei
oder etwas -ähnliches. Nur in Deutschland ist es Sitte, auch bei solchen Ge¬
legenheiten zu nörgeln und besonders gern „nach oben" hin, das sieht so
selbständig aus. Doch lassen wir diese Kleinlichkeiten und begnügen wir uns
mit den schou eingangs erwähnten Thatsachen, daß es gelungen ist, das
europäische Konzert, trotz mancher versuchter Seitensprünge Englands, bis auf
den heutigen Tag zusammenzuhalten, und daß sich auch die deutsche Presse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/598>, abgerufen am 27.12.2024.