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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Rente und Rohertrag

ein Signalhebel, an dem man die Bewegung vergrößert beobachten kann. Die
Rente fällt aber nicht etwa in demselben Verhältnis wie die Preise, sondern
zunächst viel schneller, und erst wenn die Preise tief find, immer langsamer.
Auf einigen Gütern verschwindet sie, aber Wohl niemals vollständig im ganzen
Lande.

Zweitens: Sinken die Preise, während die Kosten der Arbeit dieselben
bleiben, so muß die erzielte Getreidemenge, der Rohertrag, im Lande abnehmen.

Anstatt, daß man daran geht, bei steigendem Bedarf neuen Acker unter
den Pflug zu nehmen, kamt man auch dieselbe Menge Arbeit auf den bisher
bestellten Acker verwenden lassen, um größern Ertrag zu erzielen. Wenn guter
Boden mit der doppelten Menge Arbeit gepflegt wird, so wird er freilich nicht
den doppelten Ertrag geben, aber doch ebenso viel mehr, als wenn man sich
auf dem nebenliegenden schlechten bemüht hätte. So wird bei steigenden
Preisen nicht nur neuer Boden in Kultur genommen, sondern anch der alte
besser bebaut. Ebenso umgekehrt: wenn die Preise sinken, so wird man nicht
nur den schlechten Acker brach liegen lassen, sondern man wird auch auf den
guten weniger Arbeit verwenden. Die natürliche Folge ist, daß man geringern
Ertrag erhält. So liegt es jetzt bei uus. Sinken die Preise, und sinkt die
Rente, so kann es nicht ausbleiben, daß auch der Rohertrag sinkt, daß sich
der Anbau in Deutschland verringert; es müßte denn sein, daß Zufälle andrer
Art, z. B. Erfindungen, wodurch die Produktivität des Landbaues erhöht
wird, dazwischenkämen.

Drittens: Rente und Rohertrag müssen abnehmen, wenn die Kosten der
Arbeit steigen.

Wenn man immer mehr Arbeit auf einen bestimmten Acker verwendet, so
bringt der Arbeitszuwachs immer weniger Ertragszuwachs. Das ist das Gesetz
von der abnehmenden Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit, eigentlich kein
Gesetz, sondern eine Erfahrungsthatsache. Thüren wendet es an, wie folgt.
Der Landwirt wird immer auf seinem Acker so viel Leute austeilen, daß der
letzte Arbeiter eben noch die Kosten seiner Arbeit verdient; alle vorangehenden
schaffen Mehrwert, der zusammengenommen die Rente des Ackers giebt. Er
wird nicht weniger anstellen, sonst gerät er in Gefahr, sich die Rente zu
kürzen; und er wird auch nicht mehr anstellen, denn alle folgenden würden
ihm baren Zuschuß kosten. Nun ist der Arbeitslohn nicht immer gleich. Er
ist auch nicht im Verhältnis zum Getreidepreise beständig. Der Arbeitslohn
kann hoch, und der Vrotpreis niedrig sein. Nach allgemeiner Anschauung ist
das wohl jetzt bei uus so. Man hat ja sogar eine Gesetzgebung begonnen,
eben um den Arbeitslohn zu erhöhen, wenn anch nicht den, den der Arbeiter
in die Hand bekommt, so doch den, der ihm zu gute kommt. Die Arbeiter¬
wohlfahrtsgesetze müssen, wenn sie das erreichen, was sie wollen, notwendiger¬
weise die Kosten der Arbeit erhöhen. Sinkt der Arbeitslohn, so bringt auch


Rente und Rohertrag

ein Signalhebel, an dem man die Bewegung vergrößert beobachten kann. Die
Rente fällt aber nicht etwa in demselben Verhältnis wie die Preise, sondern
zunächst viel schneller, und erst wenn die Preise tief find, immer langsamer.
Auf einigen Gütern verschwindet sie, aber Wohl niemals vollständig im ganzen
Lande.

Zweitens: Sinken die Preise, während die Kosten der Arbeit dieselben
bleiben, so muß die erzielte Getreidemenge, der Rohertrag, im Lande abnehmen.

Anstatt, daß man daran geht, bei steigendem Bedarf neuen Acker unter
den Pflug zu nehmen, kamt man auch dieselbe Menge Arbeit auf den bisher
bestellten Acker verwenden lassen, um größern Ertrag zu erzielen. Wenn guter
Boden mit der doppelten Menge Arbeit gepflegt wird, so wird er freilich nicht
den doppelten Ertrag geben, aber doch ebenso viel mehr, als wenn man sich
auf dem nebenliegenden schlechten bemüht hätte. So wird bei steigenden
Preisen nicht nur neuer Boden in Kultur genommen, sondern anch der alte
besser bebaut. Ebenso umgekehrt: wenn die Preise sinken, so wird man nicht
nur den schlechten Acker brach liegen lassen, sondern man wird auch auf den
guten weniger Arbeit verwenden. Die natürliche Folge ist, daß man geringern
Ertrag erhält. So liegt es jetzt bei uus. Sinken die Preise, und sinkt die
Rente, so kann es nicht ausbleiben, daß auch der Rohertrag sinkt, daß sich
der Anbau in Deutschland verringert; es müßte denn sein, daß Zufälle andrer
Art, z. B. Erfindungen, wodurch die Produktivität des Landbaues erhöht
wird, dazwischenkämen.

Drittens: Rente und Rohertrag müssen abnehmen, wenn die Kosten der
Arbeit steigen.

Wenn man immer mehr Arbeit auf einen bestimmten Acker verwendet, so
bringt der Arbeitszuwachs immer weniger Ertragszuwachs. Das ist das Gesetz
von der abnehmenden Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit, eigentlich kein
Gesetz, sondern eine Erfahrungsthatsache. Thüren wendet es an, wie folgt.
Der Landwirt wird immer auf seinem Acker so viel Leute austeilen, daß der
letzte Arbeiter eben noch die Kosten seiner Arbeit verdient; alle vorangehenden
schaffen Mehrwert, der zusammengenommen die Rente des Ackers giebt. Er
wird nicht weniger anstellen, sonst gerät er in Gefahr, sich die Rente zu
kürzen; und er wird auch nicht mehr anstellen, denn alle folgenden würden
ihm baren Zuschuß kosten. Nun ist der Arbeitslohn nicht immer gleich. Er
ist auch nicht im Verhältnis zum Getreidepreise beständig. Der Arbeitslohn
kann hoch, und der Vrotpreis niedrig sein. Nach allgemeiner Anschauung ist
das wohl jetzt bei uus so. Man hat ja sogar eine Gesetzgebung begonnen,
eben um den Arbeitslohn zu erhöhen, wenn anch nicht den, den der Arbeiter
in die Hand bekommt, so doch den, der ihm zu gute kommt. Die Arbeiter¬
wohlfahrtsgesetze müssen, wenn sie das erreichen, was sie wollen, notwendiger¬
weise die Kosten der Arbeit erhöhen. Sinkt der Arbeitslohn, so bringt auch


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[0496] Rente und Rohertrag ein Signalhebel, an dem man die Bewegung vergrößert beobachten kann. Die Rente fällt aber nicht etwa in demselben Verhältnis wie die Preise, sondern zunächst viel schneller, und erst wenn die Preise tief find, immer langsamer. Auf einigen Gütern verschwindet sie, aber Wohl niemals vollständig im ganzen Lande. Zweitens: Sinken die Preise, während die Kosten der Arbeit dieselben bleiben, so muß die erzielte Getreidemenge, der Rohertrag, im Lande abnehmen. Anstatt, daß man daran geht, bei steigendem Bedarf neuen Acker unter den Pflug zu nehmen, kamt man auch dieselbe Menge Arbeit auf den bisher bestellten Acker verwenden lassen, um größern Ertrag zu erzielen. Wenn guter Boden mit der doppelten Menge Arbeit gepflegt wird, so wird er freilich nicht den doppelten Ertrag geben, aber doch ebenso viel mehr, als wenn man sich auf dem nebenliegenden schlechten bemüht hätte. So wird bei steigenden Preisen nicht nur neuer Boden in Kultur genommen, sondern anch der alte besser bebaut. Ebenso umgekehrt: wenn die Preise sinken, so wird man nicht nur den schlechten Acker brach liegen lassen, sondern man wird auch auf den guten weniger Arbeit verwenden. Die natürliche Folge ist, daß man geringern Ertrag erhält. So liegt es jetzt bei uus. Sinken die Preise, und sinkt die Rente, so kann es nicht ausbleiben, daß auch der Rohertrag sinkt, daß sich der Anbau in Deutschland verringert; es müßte denn sein, daß Zufälle andrer Art, z. B. Erfindungen, wodurch die Produktivität des Landbaues erhöht wird, dazwischenkämen. Drittens: Rente und Rohertrag müssen abnehmen, wenn die Kosten der Arbeit steigen. Wenn man immer mehr Arbeit auf einen bestimmten Acker verwendet, so bringt der Arbeitszuwachs immer weniger Ertragszuwachs. Das ist das Gesetz von der abnehmenden Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit, eigentlich kein Gesetz, sondern eine Erfahrungsthatsache. Thüren wendet es an, wie folgt. Der Landwirt wird immer auf seinem Acker so viel Leute austeilen, daß der letzte Arbeiter eben noch die Kosten seiner Arbeit verdient; alle vorangehenden schaffen Mehrwert, der zusammengenommen die Rente des Ackers giebt. Er wird nicht weniger anstellen, sonst gerät er in Gefahr, sich die Rente zu kürzen; und er wird auch nicht mehr anstellen, denn alle folgenden würden ihm baren Zuschuß kosten. Nun ist der Arbeitslohn nicht immer gleich. Er ist auch nicht im Verhältnis zum Getreidepreise beständig. Der Arbeitslohn kann hoch, und der Vrotpreis niedrig sein. Nach allgemeiner Anschauung ist das wohl jetzt bei uus so. Man hat ja sogar eine Gesetzgebung begonnen, eben um den Arbeitslohn zu erhöhen, wenn anch nicht den, den der Arbeiter in die Hand bekommt, so doch den, der ihm zu gute kommt. Die Arbeiter¬ wohlfahrtsgesetze müssen, wenn sie das erreichen, was sie wollen, notwendiger¬ weise die Kosten der Arbeit erhöhen. Sinkt der Arbeitslohn, so bringt auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/496>, abgerufen am 29.12.2024.