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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die großen Kunstausstellungen des Jahres ^897
^. Berlin

an braucht keine große Prophetengabe dazu, schon jetzt voraus¬
sagen zu können, daß in dem großen Kunstkampfe dieses Jahres,
der zwischen drei Mächten, der preußischen, der bairischen und
der sächsischen Hauptstadt auszufechten ist, Berlin den kürzern
ziehen wird. Wir sprechen nur von Deutschland. Die beiden
großen Konkurrenzausstellungen in Paris haben ihre Bedeutung verloren,
seitdem sich die Franzosen herbeigelassen haben, zu uns zu kommen, und die
"internationale" Kunstausstellung in Venedig zählt nicht mit. Sie ist nichts
weiter als eine Spekulation der Municipalität, den Strom der wohl¬
habenden Fremden, der übrigens in den letzten Jahren zum Kummer der
Besitzer der großen Gasthöfe schon im Frühjahr empfindlich nachgelassen hat,
auch während des Sommers nach Venedig zu leiten. Es wird alles auf¬
geboten; es werden sogar Preise für die besten, d. h. natürlich die schmeichel¬
haftesten Kunstkritiken ausgesetzt. Aber es hilft alles nichts. Die Allsländer
schicken nur alte Bilder, die sich schon auf allen europäischen Kunstausstelluugen
herumgetrieben haben, und die italienischen Künstler schimpfen, weil ihnen die
Fremden nicht nur den Raum, der von Rechts wegen eigentlich ihnen gebührt,
arg beschränken, sondern auch die besten Plätze wegnehmen. Jetzt drückt
obenein die Ungunst der wirtschaftlichen Lage auf Italien, und dabei sollen
die Italiener noch Lust haben, bei internationalen Unternehmungen mit¬
zumachen. Die Künstler unter ihnen sind freilich gewitzigt genug, das lohnende
Exportgeschäft mit ungeschwächten Kräften fortzusetzen; ihre Produktion ist
so massenhaft, daß sie schon mehr ein statistisches als ein rein künstlerisches
Interesse einflößt. Diese Fruchtbarkeit ist vielleicht das einzige, was sie mit
ihren Vorfahren im fünfzehnten, sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert
gemein haben, von deren Schöpfungen übrigens mehr als die Hälfte -- soll
man im Interesse unsrer Kunstforscher und Kunstfreunde sagen leider oder
glücklicherweise? -- zu Grunde gegangen ist. Allerdings muß mau zur Ent¬
schuldigung der Italiener sagen, daß seit Fortunhs Auftreten unter ihrer
Flagge auch die in Rom lebenden Spanier segeln, deren Fruchtbarkeit die der
Italiener noch übertrifft.


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Die großen Kunstausstellungen des Jahres ^897
^. Berlin

an braucht keine große Prophetengabe dazu, schon jetzt voraus¬
sagen zu können, daß in dem großen Kunstkampfe dieses Jahres,
der zwischen drei Mächten, der preußischen, der bairischen und
der sächsischen Hauptstadt auszufechten ist, Berlin den kürzern
ziehen wird. Wir sprechen nur von Deutschland. Die beiden
großen Konkurrenzausstellungen in Paris haben ihre Bedeutung verloren,
seitdem sich die Franzosen herbeigelassen haben, zu uns zu kommen, und die
„internationale" Kunstausstellung in Venedig zählt nicht mit. Sie ist nichts
weiter als eine Spekulation der Municipalität, den Strom der wohl¬
habenden Fremden, der übrigens in den letzten Jahren zum Kummer der
Besitzer der großen Gasthöfe schon im Frühjahr empfindlich nachgelassen hat,
auch während des Sommers nach Venedig zu leiten. Es wird alles auf¬
geboten; es werden sogar Preise für die besten, d. h. natürlich die schmeichel¬
haftesten Kunstkritiken ausgesetzt. Aber es hilft alles nichts. Die Allsländer
schicken nur alte Bilder, die sich schon auf allen europäischen Kunstausstelluugen
herumgetrieben haben, und die italienischen Künstler schimpfen, weil ihnen die
Fremden nicht nur den Raum, der von Rechts wegen eigentlich ihnen gebührt,
arg beschränken, sondern auch die besten Plätze wegnehmen. Jetzt drückt
obenein die Ungunst der wirtschaftlichen Lage auf Italien, und dabei sollen
die Italiener noch Lust haben, bei internationalen Unternehmungen mit¬
zumachen. Die Künstler unter ihnen sind freilich gewitzigt genug, das lohnende
Exportgeschäft mit ungeschwächten Kräften fortzusetzen; ihre Produktion ist
so massenhaft, daß sie schon mehr ein statistisches als ein rein künstlerisches
Interesse einflößt. Diese Fruchtbarkeit ist vielleicht das einzige, was sie mit
ihren Vorfahren im fünfzehnten, sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert
gemein haben, von deren Schöpfungen übrigens mehr als die Hälfte — soll
man im Interesse unsrer Kunstforscher und Kunstfreunde sagen leider oder
glücklicherweise? — zu Grunde gegangen ist. Allerdings muß mau zur Ent¬
schuldigung der Italiener sagen, daß seit Fortunhs Auftreten unter ihrer
Flagge auch die in Rom lebenden Spanier segeln, deren Fruchtbarkeit die der
Italiener noch übertrifft.


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[0425] [Abbildung] Die großen Kunstausstellungen des Jahres ^897 ^. Berlin an braucht keine große Prophetengabe dazu, schon jetzt voraus¬ sagen zu können, daß in dem großen Kunstkampfe dieses Jahres, der zwischen drei Mächten, der preußischen, der bairischen und der sächsischen Hauptstadt auszufechten ist, Berlin den kürzern ziehen wird. Wir sprechen nur von Deutschland. Die beiden großen Konkurrenzausstellungen in Paris haben ihre Bedeutung verloren, seitdem sich die Franzosen herbeigelassen haben, zu uns zu kommen, und die „internationale" Kunstausstellung in Venedig zählt nicht mit. Sie ist nichts weiter als eine Spekulation der Municipalität, den Strom der wohl¬ habenden Fremden, der übrigens in den letzten Jahren zum Kummer der Besitzer der großen Gasthöfe schon im Frühjahr empfindlich nachgelassen hat, auch während des Sommers nach Venedig zu leiten. Es wird alles auf¬ geboten; es werden sogar Preise für die besten, d. h. natürlich die schmeichel¬ haftesten Kunstkritiken ausgesetzt. Aber es hilft alles nichts. Die Allsländer schicken nur alte Bilder, die sich schon auf allen europäischen Kunstausstelluugen herumgetrieben haben, und die italienischen Künstler schimpfen, weil ihnen die Fremden nicht nur den Raum, der von Rechts wegen eigentlich ihnen gebührt, arg beschränken, sondern auch die besten Plätze wegnehmen. Jetzt drückt obenein die Ungunst der wirtschaftlichen Lage auf Italien, und dabei sollen die Italiener noch Lust haben, bei internationalen Unternehmungen mit¬ zumachen. Die Künstler unter ihnen sind freilich gewitzigt genug, das lohnende Exportgeschäft mit ungeschwächten Kräften fortzusetzen; ihre Produktion ist so massenhaft, daß sie schon mehr ein statistisches als ein rein künstlerisches Interesse einflößt. Diese Fruchtbarkeit ist vielleicht das einzige, was sie mit ihren Vorfahren im fünfzehnten, sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert gemein haben, von deren Schöpfungen übrigens mehr als die Hälfte — soll man im Interesse unsrer Kunstforscher und Kunstfreunde sagen leider oder glücklicherweise? — zu Grunde gegangen ist. Allerdings muß mau zur Ent¬ schuldigung der Italiener sagen, daß seit Fortunhs Auftreten unter ihrer Flagge auch die in Rom lebenden Spanier segeln, deren Fruchtbarkeit die der Italiener noch übertrifft. Gronzboten III 18S7 5>3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/425>, abgerufen am 29.12.2024.