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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sache: Sträflingen giebt mein, was für den deutschen Soldaten nicht bewilligt
werden kann -- warme Abendkost.

Wie ist nun aber dem Übel der Überfüllung der Gefängnisse abzuhelfen?

Einem Teil der Sträflinge wäre schon mit Zwang zur Arbeit während der
Gefängniszeit beizukommen. Freilich müßte wirkliche, harte Arbeit gefordert werden,
wie sie im gewöhnlichen Leben nicht von ihnen verlangt wird. Die Scheu vor
solcher Arbeit würde sicher schon eine Menge sonst "ständiger Gäste" für die Zu¬
kunft fern halten; das beweist die namenlose Angst der Landstreicher vor den Laud-
nrbeitshäuseru, wo solche harte Arbeit von ihnen verlangt wird.

Aber es giebt noch ein andres, jedenfalls sehr wirksames Mittel, das noch
dazu den Vorzug großer Billigkeit hat. Dieses Mittel ist die Einführung von
Wasser und Brot als Gefangene'ost und die Entziehung aller Annehmlichkeiten, die
der Aufenthalt im Gefängnis heutzutage gewährt. Es ist gar nicht einzusehen,
warum die Gefangnen ebenso gut und reichlich oder womöglich noch besser und
reichlicher speisen sollen, in einem ebenso warmen oder gar einem noch wttrmern
Zimmer sitzen sollen, als sie außerhalb des Gefängnisses gewohnt sind. Man richte
doch die Verpflegung und Beköstigung in den Gefängnissen ähnlich ein wie in den
Militärarresten. Man gebe z. B. dem zu Gefängnis Verurteilten drei Tage lang
Wasser und Brot, lasse ihn während dieser Zeit in einer nicht eben mollig warmen
Zelle sitzen und gewähre ihm für gewöhnlich nnr eine harte Lagerstätte. Der
vierte Tage sei dann, ebenso wie beim militärischen mittleren Arrest, ein sogenannter
"guter Tag," wo dem Sträfling ein etwas wärmeres Zimmer, eine weiche Lager¬
stätte und warme Kost gewährt wird. Auf diesen "guten Tag" wogen dann
wieder drei oder auch nur zwei "schlechte" folgen usw. Zum Unterschied vom
Gefängnis könnte dann für die Haft die Zahl der "guten Tage" im Verhältnis
zu den "schlechten" erhöht werden. Es würde auf diese Weise leicht sein, den
Unterschied zwischen Gefängnis und Haft, der nach der Idee des Strafgesetzbuchs
doch nun einmal besteht und auch bei der Strafvollziehung hervortreten soll, in
sehr wirksamer Weise zum Ausdruck zu bringen.

^es bin überzeugt, daß ein Versuch mit dem von mir vorgeschlagnen Mittel
glänzende Erfolge haben würde. Die sogenaunten Luststräfliuge würden bald ganz
verschwinden, weil sie unmöglich Gefallen daran finden können, drei Tage lang an
trocknen Schwarzbrot zu nagen. Die Gefängnisse würden dann aufhören, eine
Zufluchtsstätte von hungrigen und frierenden Bettlern und Bummleru zu sein, und
wieder zu dem werden, was sie sein sollen: Strafanstalten, deren Besuch für keinen
-Menschen etwas Verlockendes haben sollte. Außerdem würde dem Staate eine
Menge Geld erspart.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sache: Sträflingen giebt mein, was für den deutschen Soldaten nicht bewilligt
werden kann — warme Abendkost.

Wie ist nun aber dem Übel der Überfüllung der Gefängnisse abzuhelfen?

Einem Teil der Sträflinge wäre schon mit Zwang zur Arbeit während der
Gefängniszeit beizukommen. Freilich müßte wirkliche, harte Arbeit gefordert werden,
wie sie im gewöhnlichen Leben nicht von ihnen verlangt wird. Die Scheu vor
solcher Arbeit würde sicher schon eine Menge sonst „ständiger Gäste" für die Zu¬
kunft fern halten; das beweist die namenlose Angst der Landstreicher vor den Laud-
nrbeitshäuseru, wo solche harte Arbeit von ihnen verlangt wird.

Aber es giebt noch ein andres, jedenfalls sehr wirksames Mittel, das noch
dazu den Vorzug großer Billigkeit hat. Dieses Mittel ist die Einführung von
Wasser und Brot als Gefangene'ost und die Entziehung aller Annehmlichkeiten, die
der Aufenthalt im Gefängnis heutzutage gewährt. Es ist gar nicht einzusehen,
warum die Gefangnen ebenso gut und reichlich oder womöglich noch besser und
reichlicher speisen sollen, in einem ebenso warmen oder gar einem noch wttrmern
Zimmer sitzen sollen, als sie außerhalb des Gefängnisses gewohnt sind. Man richte
doch die Verpflegung und Beköstigung in den Gefängnissen ähnlich ein wie in den
Militärarresten. Man gebe z. B. dem zu Gefängnis Verurteilten drei Tage lang
Wasser und Brot, lasse ihn während dieser Zeit in einer nicht eben mollig warmen
Zelle sitzen und gewähre ihm für gewöhnlich nnr eine harte Lagerstätte. Der
vierte Tage sei dann, ebenso wie beim militärischen mittleren Arrest, ein sogenannter
»guter Tag," wo dem Sträfling ein etwas wärmeres Zimmer, eine weiche Lager¬
stätte und warme Kost gewährt wird. Auf diesen „guten Tag" wogen dann
wieder drei oder auch nur zwei „schlechte" folgen usw. Zum Unterschied vom
Gefängnis könnte dann für die Haft die Zahl der „guten Tage" im Verhältnis
zu den „schlechten" erhöht werden. Es würde auf diese Weise leicht sein, den
Unterschied zwischen Gefängnis und Haft, der nach der Idee des Strafgesetzbuchs
doch nun einmal besteht und auch bei der Strafvollziehung hervortreten soll, in
sehr wirksamer Weise zum Ausdruck zu bringen.

^es bin überzeugt, daß ein Versuch mit dem von mir vorgeschlagnen Mittel
glänzende Erfolge haben würde. Die sogenaunten Luststräfliuge würden bald ganz
verschwinden, weil sie unmöglich Gefallen daran finden können, drei Tage lang an
trocknen Schwarzbrot zu nagen. Die Gefängnisse würden dann aufhören, eine
Zufluchtsstätte von hungrigen und frierenden Bettlern und Bummleru zu sein, und
wieder zu dem werden, was sie sein sollen: Strafanstalten, deren Besuch für keinen
-Menschen etwas Verlockendes haben sollte. Außerdem würde dem Staate eine
Menge Geld erspart.




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[0339] Maßgebliches und Unmaßgebliches Sache: Sträflingen giebt mein, was für den deutschen Soldaten nicht bewilligt werden kann — warme Abendkost. Wie ist nun aber dem Übel der Überfüllung der Gefängnisse abzuhelfen? Einem Teil der Sträflinge wäre schon mit Zwang zur Arbeit während der Gefängniszeit beizukommen. Freilich müßte wirkliche, harte Arbeit gefordert werden, wie sie im gewöhnlichen Leben nicht von ihnen verlangt wird. Die Scheu vor solcher Arbeit würde sicher schon eine Menge sonst „ständiger Gäste" für die Zu¬ kunft fern halten; das beweist die namenlose Angst der Landstreicher vor den Laud- nrbeitshäuseru, wo solche harte Arbeit von ihnen verlangt wird. Aber es giebt noch ein andres, jedenfalls sehr wirksames Mittel, das noch dazu den Vorzug großer Billigkeit hat. Dieses Mittel ist die Einführung von Wasser und Brot als Gefangene'ost und die Entziehung aller Annehmlichkeiten, die der Aufenthalt im Gefängnis heutzutage gewährt. Es ist gar nicht einzusehen, warum die Gefangnen ebenso gut und reichlich oder womöglich noch besser und reichlicher speisen sollen, in einem ebenso warmen oder gar einem noch wttrmern Zimmer sitzen sollen, als sie außerhalb des Gefängnisses gewohnt sind. Man richte doch die Verpflegung und Beköstigung in den Gefängnissen ähnlich ein wie in den Militärarresten. Man gebe z. B. dem zu Gefängnis Verurteilten drei Tage lang Wasser und Brot, lasse ihn während dieser Zeit in einer nicht eben mollig warmen Zelle sitzen und gewähre ihm für gewöhnlich nnr eine harte Lagerstätte. Der vierte Tage sei dann, ebenso wie beim militärischen mittleren Arrest, ein sogenannter »guter Tag," wo dem Sträfling ein etwas wärmeres Zimmer, eine weiche Lager¬ stätte und warme Kost gewährt wird. Auf diesen „guten Tag" wogen dann wieder drei oder auch nur zwei „schlechte" folgen usw. Zum Unterschied vom Gefängnis könnte dann für die Haft die Zahl der „guten Tage" im Verhältnis zu den „schlechten" erhöht werden. Es würde auf diese Weise leicht sein, den Unterschied zwischen Gefängnis und Haft, der nach der Idee des Strafgesetzbuchs doch nun einmal besteht und auch bei der Strafvollziehung hervortreten soll, in sehr wirksamer Weise zum Ausdruck zu bringen. ^es bin überzeugt, daß ein Versuch mit dem von mir vorgeschlagnen Mittel glänzende Erfolge haben würde. Die sogenaunten Luststräfliuge würden bald ganz verschwinden, weil sie unmöglich Gefallen daran finden können, drei Tage lang an trocknen Schwarzbrot zu nagen. Die Gefängnisse würden dann aufhören, eine Zufluchtsstätte von hungrigen und frierenden Bettlern und Bummleru zu sein, und wieder zu dem werden, was sie sein sollen: Strafanstalten, deren Besuch für keinen -Menschen etwas Verlockendes haben sollte. Außerdem würde dem Staate eine Menge Geld erspart.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/339>, abgerufen am 24.07.2024.