Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Vererbung

Es ist wiederholt erwähnt worden, daß nach Wcismami die Amphimixis,
d. h. die ungeschlechtliche oder geschlechtliche Verbindung zweier Keime zur
Erzeugung eines neuen organischen Wesens, den Zweck hat, eine möglichst
große Mannichfaltigkeit zu erzeugen. Je mehr verschiedne Individuen der
natürlichen Zuchtwahl, der Auslese im Kampf ums Dasein dargeboten werden,
desto leichter finden sich darunter anch solche, die neu entstandnen Lebensbe¬
dingungen gut angepaßt sind; diese sehen sich dann im Kampf ums Dasein
begünstigt und gelangen durch allmähliche Steigerung ihrer nützlichen Eigen¬
schaften dazu, neue Arten zu bilden. Diese Mannichfaltigkeit wird nun durch
die Amphimixiö in der Weise erzeugt, daß immer mehr Ahnenide zusammen¬
kommen, die unendlich viele, oder um naturwissenschaftlich genau zu sprechen,
Millionen verschiedner Kombinationen mit einander bilden können; Weismann
berechnet, daß, wenn jedes der Eltern zwölf Idanten hat. 3074X8074, also
über 64 Millionen verschiedne Kinder möglich sind 326). Freilich hat
die Anhäufung von Ahneniden ihre Grenze in jener wunderbaren Welt, die
kleiner ist als ein Stecknadelknopf. Daher wird bei jeder Befruchtung durch
die erwähnten Neduktionsteilungen die Hälfte der Idanten, daher auch der
Ite, ausgeschieden, sodaß, wenn Vater und Mutter je 16 Idanten haben,
das Kind nicht 32, sondern ebenfalls nur 16 Idanten bekommt. Diese Aus¬
scheidung kann nicht schon auf den untersten Stufen erfolgt sein, wo jedes der
Eltern nur ein Id mitbrachte; denn da wäre entweder das eine väterliche oder
das eine mütterliche Id von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt worden und
gar keine Mannichfaltigkeit entstanden, sondern erst in späterer Zeit, wo die
Anhäufung unbequem zu werden anfing. Indem sich die Idanten bei dem
Befrnchtungsprozeß noch außerdem durch Längsteilung verdoppeln, so daß zwei
Ausscheidungen notwendig werden, wird die Zahl der Kombinationen noch
weiter erhöht. Darnach kann es nicht vorkommen, daß ein Kind sämtliche
Idanten beider Eltern enthielte. "Betrüge z. B. beim Menschen die Zahl
der Idanten in dem befruchteten El 32, so würden von Seiten jedes Elters
16 Idanten bei der Befruchtung zusammentreten. In diesen 16 könnten
höchstens 16 von einem Großelter herstammen, nämlich nur dann, wenn von
dein andern Großelter gar keine Idanten in die betreffende Keimzelle gelangt
wären. Es ist offenbar mehr als ungenau, wenn die praktischen Züchter bis¬
her die Vererbungskraft eines Elters einfach gleich ^/z, die eines Großelters
auf , die des Urgroßelters gleich ^ usw. gesetzt haben. Diese Zahlen
können nicht einmal das Minimum oder Maximum angeben, in dem der be¬
treffende Vorfahr mit seinen Vererbungsanlagen im befruchteten El vertreten
sein kann. Der Elter ist allerdings immer mit ^/z vertreten, allein schon beim
Großelter schwankt die Vertretung, und zwar in dem oben angenommnen Falle
zwischen 0 und 16" (X 336). Es können z. B. bei der Neduktionsteilung
der mütterlichen Idanten sämtliche Idanten der Mutter der Mutter ausfallen


Vererbung

Es ist wiederholt erwähnt worden, daß nach Wcismami die Amphimixis,
d. h. die ungeschlechtliche oder geschlechtliche Verbindung zweier Keime zur
Erzeugung eines neuen organischen Wesens, den Zweck hat, eine möglichst
große Mannichfaltigkeit zu erzeugen. Je mehr verschiedne Individuen der
natürlichen Zuchtwahl, der Auslese im Kampf ums Dasein dargeboten werden,
desto leichter finden sich darunter anch solche, die neu entstandnen Lebensbe¬
dingungen gut angepaßt sind; diese sehen sich dann im Kampf ums Dasein
begünstigt und gelangen durch allmähliche Steigerung ihrer nützlichen Eigen¬
schaften dazu, neue Arten zu bilden. Diese Mannichfaltigkeit wird nun durch
die Amphimixiö in der Weise erzeugt, daß immer mehr Ahnenide zusammen¬
kommen, die unendlich viele, oder um naturwissenschaftlich genau zu sprechen,
Millionen verschiedner Kombinationen mit einander bilden können; Weismann
berechnet, daß, wenn jedes der Eltern zwölf Idanten hat. 3074X8074, also
über 64 Millionen verschiedne Kinder möglich sind 326). Freilich hat
die Anhäufung von Ahneniden ihre Grenze in jener wunderbaren Welt, die
kleiner ist als ein Stecknadelknopf. Daher wird bei jeder Befruchtung durch
die erwähnten Neduktionsteilungen die Hälfte der Idanten, daher auch der
Ite, ausgeschieden, sodaß, wenn Vater und Mutter je 16 Idanten haben,
das Kind nicht 32, sondern ebenfalls nur 16 Idanten bekommt. Diese Aus¬
scheidung kann nicht schon auf den untersten Stufen erfolgt sein, wo jedes der
Eltern nur ein Id mitbrachte; denn da wäre entweder das eine väterliche oder
das eine mütterliche Id von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt worden und
gar keine Mannichfaltigkeit entstanden, sondern erst in späterer Zeit, wo die
Anhäufung unbequem zu werden anfing. Indem sich die Idanten bei dem
Befrnchtungsprozeß noch außerdem durch Längsteilung verdoppeln, so daß zwei
Ausscheidungen notwendig werden, wird die Zahl der Kombinationen noch
weiter erhöht. Darnach kann es nicht vorkommen, daß ein Kind sämtliche
Idanten beider Eltern enthielte. „Betrüge z. B. beim Menschen die Zahl
der Idanten in dem befruchteten El 32, so würden von Seiten jedes Elters
16 Idanten bei der Befruchtung zusammentreten. In diesen 16 könnten
höchstens 16 von einem Großelter herstammen, nämlich nur dann, wenn von
dein andern Großelter gar keine Idanten in die betreffende Keimzelle gelangt
wären. Es ist offenbar mehr als ungenau, wenn die praktischen Züchter bis¬
her die Vererbungskraft eines Elters einfach gleich ^/z, die eines Großelters
auf , die des Urgroßelters gleich ^ usw. gesetzt haben. Diese Zahlen
können nicht einmal das Minimum oder Maximum angeben, in dem der be¬
treffende Vorfahr mit seinen Vererbungsanlagen im befruchteten El vertreten
sein kann. Der Elter ist allerdings immer mit ^/z vertreten, allein schon beim
Großelter schwankt die Vertretung, und zwar in dem oben angenommnen Falle
zwischen 0 und 16" (X 336). Es können z. B. bei der Neduktionsteilung
der mütterlichen Idanten sämtliche Idanten der Mutter der Mutter ausfallen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225618"/>
          <fw type="header" place="top"> Vererbung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_66" next="#ID_67"> Es ist wiederholt erwähnt worden, daß nach Wcismami die Amphimixis,<lb/>
d. h. die ungeschlechtliche oder geschlechtliche Verbindung zweier Keime zur<lb/>
Erzeugung eines neuen organischen Wesens, den Zweck hat, eine möglichst<lb/>
große Mannichfaltigkeit zu erzeugen. Je mehr verschiedne Individuen der<lb/>
natürlichen Zuchtwahl, der Auslese im Kampf ums Dasein dargeboten werden,<lb/>
desto leichter finden sich darunter anch solche, die neu entstandnen Lebensbe¬<lb/>
dingungen gut angepaßt sind; diese sehen sich dann im Kampf ums Dasein<lb/>
begünstigt und gelangen durch allmähliche Steigerung ihrer nützlichen Eigen¬<lb/>
schaften dazu, neue Arten zu bilden. Diese Mannichfaltigkeit wird nun durch<lb/>
die Amphimixiö in der Weise erzeugt, daß immer mehr Ahnenide zusammen¬<lb/>
kommen, die unendlich viele, oder um naturwissenschaftlich genau zu sprechen,<lb/>
Millionen verschiedner Kombinationen mit einander bilden können; Weismann<lb/>
berechnet, daß, wenn jedes der Eltern zwölf Idanten hat. 3074X8074, also<lb/>
über 64 Millionen verschiedne Kinder möglich sind 326). Freilich hat<lb/>
die Anhäufung von Ahneniden ihre Grenze in jener wunderbaren Welt, die<lb/>
kleiner ist als ein Stecknadelknopf. Daher wird bei jeder Befruchtung durch<lb/>
die erwähnten Neduktionsteilungen die Hälfte der Idanten, daher auch der<lb/>
Ite, ausgeschieden, sodaß, wenn Vater und Mutter je 16 Idanten haben,<lb/>
das Kind nicht 32, sondern ebenfalls nur 16 Idanten bekommt. Diese Aus¬<lb/>
scheidung kann nicht schon auf den untersten Stufen erfolgt sein, wo jedes der<lb/>
Eltern nur ein Id mitbrachte; denn da wäre entweder das eine väterliche oder<lb/>
das eine mütterliche Id von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt worden und<lb/>
gar keine Mannichfaltigkeit entstanden, sondern erst in späterer Zeit, wo die<lb/>
Anhäufung unbequem zu werden anfing. Indem sich die Idanten bei dem<lb/>
Befrnchtungsprozeß noch außerdem durch Längsteilung verdoppeln, so daß zwei<lb/>
Ausscheidungen notwendig werden, wird die Zahl der Kombinationen noch<lb/>
weiter erhöht. Darnach kann es nicht vorkommen, daß ein Kind sämtliche<lb/>
Idanten beider Eltern enthielte. &#x201E;Betrüge z. B. beim Menschen die Zahl<lb/>
der Idanten in dem befruchteten El 32, so würden von Seiten jedes Elters<lb/>
16 Idanten bei der Befruchtung zusammentreten. In diesen 16 könnten<lb/>
höchstens 16 von einem Großelter herstammen, nämlich nur dann, wenn von<lb/>
dein andern Großelter gar keine Idanten in die betreffende Keimzelle gelangt<lb/>
wären. Es ist offenbar mehr als ungenau, wenn die praktischen Züchter bis¬<lb/>
her die Vererbungskraft eines Elters einfach gleich ^/z, die eines Großelters<lb/>
auf , die des Urgroßelters gleich ^ usw. gesetzt haben. Diese Zahlen<lb/>
können nicht einmal das Minimum oder Maximum angeben, in dem der be¬<lb/>
treffende Vorfahr mit seinen Vererbungsanlagen im befruchteten El vertreten<lb/>
sein kann. Der Elter ist allerdings immer mit ^/z vertreten, allein schon beim<lb/>
Großelter schwankt die Vertretung, und zwar in dem oben angenommnen Falle<lb/>
zwischen 0 und 16" (X 336). Es können z. B. bei der Neduktionsteilung<lb/>
der mütterlichen Idanten sämtliche Idanten der Mutter der Mutter ausfallen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] Vererbung Es ist wiederholt erwähnt worden, daß nach Wcismami die Amphimixis, d. h. die ungeschlechtliche oder geschlechtliche Verbindung zweier Keime zur Erzeugung eines neuen organischen Wesens, den Zweck hat, eine möglichst große Mannichfaltigkeit zu erzeugen. Je mehr verschiedne Individuen der natürlichen Zuchtwahl, der Auslese im Kampf ums Dasein dargeboten werden, desto leichter finden sich darunter anch solche, die neu entstandnen Lebensbe¬ dingungen gut angepaßt sind; diese sehen sich dann im Kampf ums Dasein begünstigt und gelangen durch allmähliche Steigerung ihrer nützlichen Eigen¬ schaften dazu, neue Arten zu bilden. Diese Mannichfaltigkeit wird nun durch die Amphimixiö in der Weise erzeugt, daß immer mehr Ahnenide zusammen¬ kommen, die unendlich viele, oder um naturwissenschaftlich genau zu sprechen, Millionen verschiedner Kombinationen mit einander bilden können; Weismann berechnet, daß, wenn jedes der Eltern zwölf Idanten hat. 3074X8074, also über 64 Millionen verschiedne Kinder möglich sind 326). Freilich hat die Anhäufung von Ahneniden ihre Grenze in jener wunderbaren Welt, die kleiner ist als ein Stecknadelknopf. Daher wird bei jeder Befruchtung durch die erwähnten Neduktionsteilungen die Hälfte der Idanten, daher auch der Ite, ausgeschieden, sodaß, wenn Vater und Mutter je 16 Idanten haben, das Kind nicht 32, sondern ebenfalls nur 16 Idanten bekommt. Diese Aus¬ scheidung kann nicht schon auf den untersten Stufen erfolgt sein, wo jedes der Eltern nur ein Id mitbrachte; denn da wäre entweder das eine väterliche oder das eine mütterliche Id von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt worden und gar keine Mannichfaltigkeit entstanden, sondern erst in späterer Zeit, wo die Anhäufung unbequem zu werden anfing. Indem sich die Idanten bei dem Befrnchtungsprozeß noch außerdem durch Längsteilung verdoppeln, so daß zwei Ausscheidungen notwendig werden, wird die Zahl der Kombinationen noch weiter erhöht. Darnach kann es nicht vorkommen, daß ein Kind sämtliche Idanten beider Eltern enthielte. „Betrüge z. B. beim Menschen die Zahl der Idanten in dem befruchteten El 32, so würden von Seiten jedes Elters 16 Idanten bei der Befruchtung zusammentreten. In diesen 16 könnten höchstens 16 von einem Großelter herstammen, nämlich nur dann, wenn von dein andern Großelter gar keine Idanten in die betreffende Keimzelle gelangt wären. Es ist offenbar mehr als ungenau, wenn die praktischen Züchter bis¬ her die Vererbungskraft eines Elters einfach gleich ^/z, die eines Großelters auf , die des Urgroßelters gleich ^ usw. gesetzt haben. Diese Zahlen können nicht einmal das Minimum oder Maximum angeben, in dem der be¬ treffende Vorfahr mit seinen Vererbungsanlagen im befruchteten El vertreten sein kann. Der Elter ist allerdings immer mit ^/z vertreten, allein schon beim Großelter schwankt die Vertretung, und zwar in dem oben angenommnen Falle zwischen 0 und 16" (X 336). Es können z. B. bei der Neduktionsteilung der mütterlichen Idanten sämtliche Idanten der Mutter der Mutter ausfallen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/32>, abgerufen am 28.12.2024.