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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zur Beförderung und Verabschiedung der Gffiziere

wehrfähigen Mannschaft gefährdet und schließlich der eigentliche Zweck des
Heeres, der Sieg auf dem Schlachtfelde, in Frage gestellt werden soll. Es
kann nur bei dem bisherigen bewährten Verfahren bleiben, das nach preußischem
Muster mehr oder weniger genau auch in andre Armeen übernommen worden
ist. Der Sinn und das eigentliche Wesen dieses Verfahrens besteht darin,
daß man von Abschnitt zu Abschnitt der militärischen Laufbahn eine Erwägung
darüber eintreten läßt, ob ein Offizier nach Alter, Stellung und körperlicher
Verfassung noch fähig ist, in eine höhere Stellung auszurücken. Richtig ist
unstreitig auch die andre Seite des Verfahrens, daß man sich bei der Be¬
setzung der höhern Offizierstellen nicht zu sehr auf die Suche nach Genies ein¬
läßt, sondern nach Beseitigung Ungeeigneter eine strenge Reihenfolge einhält
und höhere Stellen auch dem höhern Lebensalter zuweist. Napoleon verfuhr
bei seinem Erobererheer freilich anders. Soll aber das Offizierkorps eines
großen Heeres bei allgemeiner Wehrpflicht in mühsamer Friedensarbeit zur
Führerschaft eines Volkes in Waffen geschickt gemacht werden, so muß in den
verantwortlichen Stellen nicht nur das kriegerische Talent, sondern auch die
Erfahrung und die Autorität der Jahre vertreten sein. Auf diese Weise wird
eine sich nach oben steigernde Auslese erreicht, die es gestattet, in der Be¬
förderung die Reihenfolge einzuhalten. Wer dann unter dem Mittelmaß zurück¬
bleibt, muß ausscheiden.

Man hat nnn dem System einen Vorwurf daraus gemacht, daß die Be¬
urteilung der Fähigkeitsgrenze eines Offiziers den unmittelbaren Vorgesetzten
obliegt, und hat die Schaffung einer stärkern Gewähr dafür gefordert, daß
mit solchen folgenschweren Urteilen über Untergebne auch das Rechte getroffen
werde. Daß Menschlichkeiten bei diesem Verfahren vorkommen mögen, ist zu¬
zugeben, es fragt sich nur, ob etwas Besseres an seine Stelle zu setzen ist.
Nun ist mehrfach, neuerdings erst wieder in einer in Stuttgart erschienenen
Broschüre, vorgeschlagen worden, das Urteil über die Pensionirung einer Kom¬
mission zu übertragen. Diese Einrichtung besteht in Frankreich, und sie mag
für eine Republik das beste sein, um die wechselnden Ansichten der ver-
schiednen, zur Zeit ihrer Amtsführung maßgebenden Kriegsminister möglichst
auszugleichen. Ob aber die Mehrheitsweisheit einer Kommission wirklich in
solchen Dingen einen höhern Grad menschlicher Einsicht hat, dürfte zu be¬
zweifeln sein, sie wird sich in der Hauptsache doch auf das aus der Praxis
geschöpfte Urteil des Vorgesetzten stützen müssen. Laßt sie noch andre Rück¬
sichten zur Geltung kommen, so können diese unter Umständen sehr fragwürdig
sein. Ungerechtigkeiten gegen mißliebige Personen und Günstlingswirtschaft
vermögen hierbei in noch viel häßlicherer Weise ihr Wesen zu treiben, weil es
versteckter geschehen kann, und schließlich niemand da ist, der mit seiner Person
für fein Urteil einzustehen hat. Die Verantwortlichkeit einer Kommission ist
immer eine zweifelhafte Sache. Ein seinem obersten Kriegsherrn verantwort-


Zur Beförderung und Verabschiedung der Gffiziere

wehrfähigen Mannschaft gefährdet und schließlich der eigentliche Zweck des
Heeres, der Sieg auf dem Schlachtfelde, in Frage gestellt werden soll. Es
kann nur bei dem bisherigen bewährten Verfahren bleiben, das nach preußischem
Muster mehr oder weniger genau auch in andre Armeen übernommen worden
ist. Der Sinn und das eigentliche Wesen dieses Verfahrens besteht darin,
daß man von Abschnitt zu Abschnitt der militärischen Laufbahn eine Erwägung
darüber eintreten läßt, ob ein Offizier nach Alter, Stellung und körperlicher
Verfassung noch fähig ist, in eine höhere Stellung auszurücken. Richtig ist
unstreitig auch die andre Seite des Verfahrens, daß man sich bei der Be¬
setzung der höhern Offizierstellen nicht zu sehr auf die Suche nach Genies ein¬
läßt, sondern nach Beseitigung Ungeeigneter eine strenge Reihenfolge einhält
und höhere Stellen auch dem höhern Lebensalter zuweist. Napoleon verfuhr
bei seinem Erobererheer freilich anders. Soll aber das Offizierkorps eines
großen Heeres bei allgemeiner Wehrpflicht in mühsamer Friedensarbeit zur
Führerschaft eines Volkes in Waffen geschickt gemacht werden, so muß in den
verantwortlichen Stellen nicht nur das kriegerische Talent, sondern auch die
Erfahrung und die Autorität der Jahre vertreten sein. Auf diese Weise wird
eine sich nach oben steigernde Auslese erreicht, die es gestattet, in der Be¬
förderung die Reihenfolge einzuhalten. Wer dann unter dem Mittelmaß zurück¬
bleibt, muß ausscheiden.

Man hat nnn dem System einen Vorwurf daraus gemacht, daß die Be¬
urteilung der Fähigkeitsgrenze eines Offiziers den unmittelbaren Vorgesetzten
obliegt, und hat die Schaffung einer stärkern Gewähr dafür gefordert, daß
mit solchen folgenschweren Urteilen über Untergebne auch das Rechte getroffen
werde. Daß Menschlichkeiten bei diesem Verfahren vorkommen mögen, ist zu¬
zugeben, es fragt sich nur, ob etwas Besseres an seine Stelle zu setzen ist.
Nun ist mehrfach, neuerdings erst wieder in einer in Stuttgart erschienenen
Broschüre, vorgeschlagen worden, das Urteil über die Pensionirung einer Kom¬
mission zu übertragen. Diese Einrichtung besteht in Frankreich, und sie mag
für eine Republik das beste sein, um die wechselnden Ansichten der ver-
schiednen, zur Zeit ihrer Amtsführung maßgebenden Kriegsminister möglichst
auszugleichen. Ob aber die Mehrheitsweisheit einer Kommission wirklich in
solchen Dingen einen höhern Grad menschlicher Einsicht hat, dürfte zu be¬
zweifeln sein, sie wird sich in der Hauptsache doch auf das aus der Praxis
geschöpfte Urteil des Vorgesetzten stützen müssen. Laßt sie noch andre Rück¬
sichten zur Geltung kommen, so können diese unter Umständen sehr fragwürdig
sein. Ungerechtigkeiten gegen mißliebige Personen und Günstlingswirtschaft
vermögen hierbei in noch viel häßlicherer Weise ihr Wesen zu treiben, weil es
versteckter geschehen kann, und schließlich niemand da ist, der mit seiner Person
für fein Urteil einzustehen hat. Die Verantwortlichkeit einer Kommission ist
immer eine zweifelhafte Sache. Ein seinem obersten Kriegsherrn verantwort-


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[0306] Zur Beförderung und Verabschiedung der Gffiziere wehrfähigen Mannschaft gefährdet und schließlich der eigentliche Zweck des Heeres, der Sieg auf dem Schlachtfelde, in Frage gestellt werden soll. Es kann nur bei dem bisherigen bewährten Verfahren bleiben, das nach preußischem Muster mehr oder weniger genau auch in andre Armeen übernommen worden ist. Der Sinn und das eigentliche Wesen dieses Verfahrens besteht darin, daß man von Abschnitt zu Abschnitt der militärischen Laufbahn eine Erwägung darüber eintreten läßt, ob ein Offizier nach Alter, Stellung und körperlicher Verfassung noch fähig ist, in eine höhere Stellung auszurücken. Richtig ist unstreitig auch die andre Seite des Verfahrens, daß man sich bei der Be¬ setzung der höhern Offizierstellen nicht zu sehr auf die Suche nach Genies ein¬ läßt, sondern nach Beseitigung Ungeeigneter eine strenge Reihenfolge einhält und höhere Stellen auch dem höhern Lebensalter zuweist. Napoleon verfuhr bei seinem Erobererheer freilich anders. Soll aber das Offizierkorps eines großen Heeres bei allgemeiner Wehrpflicht in mühsamer Friedensarbeit zur Führerschaft eines Volkes in Waffen geschickt gemacht werden, so muß in den verantwortlichen Stellen nicht nur das kriegerische Talent, sondern auch die Erfahrung und die Autorität der Jahre vertreten sein. Auf diese Weise wird eine sich nach oben steigernde Auslese erreicht, die es gestattet, in der Be¬ förderung die Reihenfolge einzuhalten. Wer dann unter dem Mittelmaß zurück¬ bleibt, muß ausscheiden. Man hat nnn dem System einen Vorwurf daraus gemacht, daß die Be¬ urteilung der Fähigkeitsgrenze eines Offiziers den unmittelbaren Vorgesetzten obliegt, und hat die Schaffung einer stärkern Gewähr dafür gefordert, daß mit solchen folgenschweren Urteilen über Untergebne auch das Rechte getroffen werde. Daß Menschlichkeiten bei diesem Verfahren vorkommen mögen, ist zu¬ zugeben, es fragt sich nur, ob etwas Besseres an seine Stelle zu setzen ist. Nun ist mehrfach, neuerdings erst wieder in einer in Stuttgart erschienenen Broschüre, vorgeschlagen worden, das Urteil über die Pensionirung einer Kom¬ mission zu übertragen. Diese Einrichtung besteht in Frankreich, und sie mag für eine Republik das beste sein, um die wechselnden Ansichten der ver- schiednen, zur Zeit ihrer Amtsführung maßgebenden Kriegsminister möglichst auszugleichen. Ob aber die Mehrheitsweisheit einer Kommission wirklich in solchen Dingen einen höhern Grad menschlicher Einsicht hat, dürfte zu be¬ zweifeln sein, sie wird sich in der Hauptsache doch auf das aus der Praxis geschöpfte Urteil des Vorgesetzten stützen müssen. Laßt sie noch andre Rück¬ sichten zur Geltung kommen, so können diese unter Umständen sehr fragwürdig sein. Ungerechtigkeiten gegen mißliebige Personen und Günstlingswirtschaft vermögen hierbei in noch viel häßlicherer Weise ihr Wesen zu treiben, weil es versteckter geschehen kann, und schließlich niemand da ist, der mit seiner Person für fein Urteil einzustehen hat. Die Verantwortlichkeit einer Kommission ist immer eine zweifelhafte Sache. Ein seinem obersten Kriegsherrn verantwort-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/306>, abgerufen am 29.12.2024.