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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

welchen köstlichen Schatz von gedienten und kriegsbrauchbaren Leuten Deutsch¬
land im äußersten Notfall zu verwenden imstande ist. Mit diesen Maßregeln
stand auch die raschere Ausscheidung der dienstuntauglich gewordnen Offiziere
im engsten Zusammenhang, und es bedarf wohl keines weitern Beweises dafür,
daß die Notwendigkeit dazu vorlag. Aus allem geht aber hervor, daß die bis
dahin gemachten Ersparungen im Heerwesen nur scheinbare waren, weil sie
darauf durch umso größere Aufwendungen wieder verzehrt wurden. Von den
Ersparungen im Pensionsfvnds gilt das durchaus. Es war unbedingt nötig,
nicht nur die Heeresstärke zu erhöhen, sondern auch die elastische Kraft der
Armee wieder höher zu spannen. Diesem Zweck dienten unter anderm auch
die mehrfach vorgekommnen Alarmirungen, die freilich das Schicksal hatten,
auf gewissen Seiten ebenfalls als Ausfluß jugendlichen Übereifers gedeutet
zu werden.

Daß bei Offizierspensionirungen Härten unterlaufen können, die von dem
Betroffnen im einzelnen Falle sehr schwer empfunden werden, ist schon zu¬
gegeben worden, und dieser Umstand wird durch die Kärglichkeit der Pensionen
noch verschlimmert. Es liegt darin allerdings ein ernster Anlaß, eingehend
zu erwägen, ob dem bestehenden System abwendbare Mängel anhaften,
und ob Vorschläge vorliegen, die geeignet sind, etwas Besseres an die
Stelle des etwa Mißbräuchlichen zu setzen. Eine Hauptschwierigkeit bei Be¬
urteilung dieses Gegenstandes wird sich immer aus der Eigentümlichkeit des
militärischen Berufs ergeben, der nicht gestattet, die Kräfte bis zur äußersten
Grenze auszunutzen, sondern nur bis zur Felddienstunfähigkeit. Dieser Unter¬
schied zwischen militärischem und nichtmilitärischem Dienst besteht aber. Dem
ältern Zivilbeamten wird man immer, wenn seine Arbeitskraft nachzulassen
beginnt, durch eine Vertrauensstellung oder durch einen besondern Geschäftskreis
einen seinem Dienstalter entsprechenden Posten zu schaffen wissen, im Heere ist
das unmöglich. Sobald ein Offizier nicht mehr imstande ist, an der Spitze
seiner Abteilung in voller Kraft zu stehen, ist sein Verbleiben in dieser Stellung
nicht mehr statthaft, sonst würde die Disziplin schwer gefährdet werden. Dem
Fernstehenden wird aber ein Urteil über die Felddienftunfühigkeit eines Offiziers
sehr schwer werden, für gewisse Leute wird sie erst durch den Gebrauch einer
Krücke erkenntlich werden. Man muß aber sest im Auge behalten, daß es der
Offizier mit jungen Leuten in den ersten zwanziger Jahren zu thun hat; er
muß nicht nur ihren hochgespannter körperlichen Leistungen gewachsen sein,
sondern auch darüber hinaus noch die geistige Frische und Spannkraft erübrigen,
die die Leitung und die Fürsorge für die ihm Unterstellter erfordern. Es
sind das Ansprüche ganz außerordentlicher Art, die hier an die Fähigkeiten des
Offiziers gestellt werden, und die nach Einführung des neuen Dienstreglements
und der zweijährigen Dienstzeit noch gewachsen sind. In der That sind gegen¬
wärtig die dienstlichen Anforderungen so gesteigert, daß schon eine reichbegabte


Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

welchen köstlichen Schatz von gedienten und kriegsbrauchbaren Leuten Deutsch¬
land im äußersten Notfall zu verwenden imstande ist. Mit diesen Maßregeln
stand auch die raschere Ausscheidung der dienstuntauglich gewordnen Offiziere
im engsten Zusammenhang, und es bedarf wohl keines weitern Beweises dafür,
daß die Notwendigkeit dazu vorlag. Aus allem geht aber hervor, daß die bis
dahin gemachten Ersparungen im Heerwesen nur scheinbare waren, weil sie
darauf durch umso größere Aufwendungen wieder verzehrt wurden. Von den
Ersparungen im Pensionsfvnds gilt das durchaus. Es war unbedingt nötig,
nicht nur die Heeresstärke zu erhöhen, sondern auch die elastische Kraft der
Armee wieder höher zu spannen. Diesem Zweck dienten unter anderm auch
die mehrfach vorgekommnen Alarmirungen, die freilich das Schicksal hatten,
auf gewissen Seiten ebenfalls als Ausfluß jugendlichen Übereifers gedeutet
zu werden.

Daß bei Offizierspensionirungen Härten unterlaufen können, die von dem
Betroffnen im einzelnen Falle sehr schwer empfunden werden, ist schon zu¬
gegeben worden, und dieser Umstand wird durch die Kärglichkeit der Pensionen
noch verschlimmert. Es liegt darin allerdings ein ernster Anlaß, eingehend
zu erwägen, ob dem bestehenden System abwendbare Mängel anhaften,
und ob Vorschläge vorliegen, die geeignet sind, etwas Besseres an die
Stelle des etwa Mißbräuchlichen zu setzen. Eine Hauptschwierigkeit bei Be¬
urteilung dieses Gegenstandes wird sich immer aus der Eigentümlichkeit des
militärischen Berufs ergeben, der nicht gestattet, die Kräfte bis zur äußersten
Grenze auszunutzen, sondern nur bis zur Felddienstunfähigkeit. Dieser Unter¬
schied zwischen militärischem und nichtmilitärischem Dienst besteht aber. Dem
ältern Zivilbeamten wird man immer, wenn seine Arbeitskraft nachzulassen
beginnt, durch eine Vertrauensstellung oder durch einen besondern Geschäftskreis
einen seinem Dienstalter entsprechenden Posten zu schaffen wissen, im Heere ist
das unmöglich. Sobald ein Offizier nicht mehr imstande ist, an der Spitze
seiner Abteilung in voller Kraft zu stehen, ist sein Verbleiben in dieser Stellung
nicht mehr statthaft, sonst würde die Disziplin schwer gefährdet werden. Dem
Fernstehenden wird aber ein Urteil über die Felddienftunfühigkeit eines Offiziers
sehr schwer werden, für gewisse Leute wird sie erst durch den Gebrauch einer
Krücke erkenntlich werden. Man muß aber sest im Auge behalten, daß es der
Offizier mit jungen Leuten in den ersten zwanziger Jahren zu thun hat; er
muß nicht nur ihren hochgespannter körperlichen Leistungen gewachsen sein,
sondern auch darüber hinaus noch die geistige Frische und Spannkraft erübrigen,
die die Leitung und die Fürsorge für die ihm Unterstellter erfordern. Es
sind das Ansprüche ganz außerordentlicher Art, die hier an die Fähigkeiten des
Offiziers gestellt werden, und die nach Einführung des neuen Dienstreglements
und der zweijährigen Dienstzeit noch gewachsen sind. In der That sind gegen¬
wärtig die dienstlichen Anforderungen so gesteigert, daß schon eine reichbegabte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/303>, abgerufen am 24.07.2024.