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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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volkstümliche und landschaftliche Erzählungen

wundern, warum sich der junge Baron solchen Umgang aussucht. Aber sein
Umgang ist das ja gar nicht, es gehört jetzt nur mit dazu, auch zur Litteratur
ein Verhältnis zu haben, und die Litteratur ist nun einmal so beschaffen, wie
sie ist, und will sich ordentlich sattessen. Doch wir wollen lieber Bruder und
Schwester anhören über dieses ganze für Dänemark ja ebenso wie für Deutsch¬
land wichtige Kapitel. Also Bruder Fritz ist vorher eingetroffen, und die
Freunde sollen nun bald nachkommen.

Nein, wie interessant das wird, und du glaubst wirklich, daß sie bei uns
fürlieb nehmen werden?

Nichts lieber als das! Sie haben noch nie einen Landsitz gesehen und sind
nur selten in anständiger Gesellschaft gewesen -- darauf legen diese Art Leute
Gewicht, denn das find die allergrößten Streber!

Kommt Jean Moulin auch?

Marius Petersen? Ja, er ist ja der Chefredakteur des Faublas.

Ist er nicht momentan in Paris?

Der! Der ist nie in seinem Leben über die Grenzen von Dänemark hinaus¬
gewesen, ausgenommen einen Sonntag, wo er mit der Dampffähre nach Helsingborg
gefahren ist! Aber deswegen kann er doch sehr wohl Korrespondenzen aus Paris
schreiben!

Kommt der, der die kleinen Novellen schreibt und sich Don Rosario nennt, auch?

In der muß wohl kommen, denn das ist auch Marius Petersen.

Aber Marcel?

Hin, der Symbolist, der Ärmste, der Verse vou Leichen und Blumen und
dergleichen schreibt, ja der kommt auch. Er heißt übrigens Fernando Villerup.

Wen erwartest du denn sonst noch?

Nikolai Imsen, den Dramatiker.

Ja den kenne ich, sein Bild war neulich im Faublas.

Ja ganz recht. Er hat einen so großen Vorschuß auf seinen werdenden
Ruhm genommen, daß das Kapital längst verbraucht sein muß, wenn er überhaupt
eins gehabt hat! Dann kommt der Maler Nielsen-Munkeganrd -- das ist so eine
Art Genie-Rauhbeiu, und dann wahrscheinlich Peter Hals, der arme Schlucker!

Deu Namen habe ich noch nie gehört.

Nein, das will ich gern glauben, denn er thut nnr die gröbere Arbeit, das
Scheuern und Fegen, das heißt, er liest Korrektur, besorgt Botengänge und schreibt
-- natürlich anonym -- alles das, womit sich die andern nicht befassen mögen.
Ja es ist, weiß Gott, eine nette Gesellschaft, aber man kann sie ja zur Thür
Hinauswerfen, wenn mau ihrer überdrüssig ist -- ans Hinauswerfen sind sie
gewöhnt.

Pfui, Fritz, wie kannst du nur so reden!

Die Herren vom Faublas kommen. Der Kutscher erzählt dem Stall¬
burscheu, er habe sie draußen ums Dorf herumgefahren, sie hätten ihm uicht
recht reputirlich ausgesehen, so als Besuch sür seine Herrschaft. Die Schilderung
dieser Gesellschaft, für die der halb blödsinnige Onkel der interessanteste Unter¬
halter ist, sodasz sie seine simpeln Worte impressionistisch verwerten, deuten
und notiren, ist wirklich geistreich. Aber ebenso lebendig wird uns ein andres


volkstümliche und landschaftliche Erzählungen

wundern, warum sich der junge Baron solchen Umgang aussucht. Aber sein
Umgang ist das ja gar nicht, es gehört jetzt nur mit dazu, auch zur Litteratur
ein Verhältnis zu haben, und die Litteratur ist nun einmal so beschaffen, wie
sie ist, und will sich ordentlich sattessen. Doch wir wollen lieber Bruder und
Schwester anhören über dieses ganze für Dänemark ja ebenso wie für Deutsch¬
land wichtige Kapitel. Also Bruder Fritz ist vorher eingetroffen, und die
Freunde sollen nun bald nachkommen.

Nein, wie interessant das wird, und du glaubst wirklich, daß sie bei uns
fürlieb nehmen werden?

Nichts lieber als das! Sie haben noch nie einen Landsitz gesehen und sind
nur selten in anständiger Gesellschaft gewesen — darauf legen diese Art Leute
Gewicht, denn das find die allergrößten Streber!

Kommt Jean Moulin auch?

Marius Petersen? Ja, er ist ja der Chefredakteur des Faublas.

Ist er nicht momentan in Paris?

Der! Der ist nie in seinem Leben über die Grenzen von Dänemark hinaus¬
gewesen, ausgenommen einen Sonntag, wo er mit der Dampffähre nach Helsingborg
gefahren ist! Aber deswegen kann er doch sehr wohl Korrespondenzen aus Paris
schreiben!

Kommt der, der die kleinen Novellen schreibt und sich Don Rosario nennt, auch?

In der muß wohl kommen, denn das ist auch Marius Petersen.

Aber Marcel?

Hin, der Symbolist, der Ärmste, der Verse vou Leichen und Blumen und
dergleichen schreibt, ja der kommt auch. Er heißt übrigens Fernando Villerup.

Wen erwartest du denn sonst noch?

Nikolai Imsen, den Dramatiker.

Ja den kenne ich, sein Bild war neulich im Faublas.

Ja ganz recht. Er hat einen so großen Vorschuß auf seinen werdenden
Ruhm genommen, daß das Kapital längst verbraucht sein muß, wenn er überhaupt
eins gehabt hat! Dann kommt der Maler Nielsen-Munkeganrd — das ist so eine
Art Genie-Rauhbeiu, und dann wahrscheinlich Peter Hals, der arme Schlucker!

Deu Namen habe ich noch nie gehört.

Nein, das will ich gern glauben, denn er thut nnr die gröbere Arbeit, das
Scheuern und Fegen, das heißt, er liest Korrektur, besorgt Botengänge und schreibt
— natürlich anonym — alles das, womit sich die andern nicht befassen mögen.
Ja es ist, weiß Gott, eine nette Gesellschaft, aber man kann sie ja zur Thür
Hinauswerfen, wenn mau ihrer überdrüssig ist — ans Hinauswerfen sind sie
gewöhnt.

Pfui, Fritz, wie kannst du nur so reden!

Die Herren vom Faublas kommen. Der Kutscher erzählt dem Stall¬
burscheu, er habe sie draußen ums Dorf herumgefahren, sie hätten ihm uicht
recht reputirlich ausgesehen, so als Besuch sür seine Herrschaft. Die Schilderung
dieser Gesellschaft, für die der halb blödsinnige Onkel der interessanteste Unter¬
halter ist, sodasz sie seine simpeln Worte impressionistisch verwerten, deuten
und notiren, ist wirklich geistreich. Aber ebenso lebendig wird uns ein andres


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[0227] volkstümliche und landschaftliche Erzählungen wundern, warum sich der junge Baron solchen Umgang aussucht. Aber sein Umgang ist das ja gar nicht, es gehört jetzt nur mit dazu, auch zur Litteratur ein Verhältnis zu haben, und die Litteratur ist nun einmal so beschaffen, wie sie ist, und will sich ordentlich sattessen. Doch wir wollen lieber Bruder und Schwester anhören über dieses ganze für Dänemark ja ebenso wie für Deutsch¬ land wichtige Kapitel. Also Bruder Fritz ist vorher eingetroffen, und die Freunde sollen nun bald nachkommen. Nein, wie interessant das wird, und du glaubst wirklich, daß sie bei uns fürlieb nehmen werden? Nichts lieber als das! Sie haben noch nie einen Landsitz gesehen und sind nur selten in anständiger Gesellschaft gewesen — darauf legen diese Art Leute Gewicht, denn das find die allergrößten Streber! Kommt Jean Moulin auch? Marius Petersen? Ja, er ist ja der Chefredakteur des Faublas. Ist er nicht momentan in Paris? Der! Der ist nie in seinem Leben über die Grenzen von Dänemark hinaus¬ gewesen, ausgenommen einen Sonntag, wo er mit der Dampffähre nach Helsingborg gefahren ist! Aber deswegen kann er doch sehr wohl Korrespondenzen aus Paris schreiben! Kommt der, der die kleinen Novellen schreibt und sich Don Rosario nennt, auch? In der muß wohl kommen, denn das ist auch Marius Petersen. Aber Marcel? Hin, der Symbolist, der Ärmste, der Verse vou Leichen und Blumen und dergleichen schreibt, ja der kommt auch. Er heißt übrigens Fernando Villerup. Wen erwartest du denn sonst noch? Nikolai Imsen, den Dramatiker. Ja den kenne ich, sein Bild war neulich im Faublas. Ja ganz recht. Er hat einen so großen Vorschuß auf seinen werdenden Ruhm genommen, daß das Kapital längst verbraucht sein muß, wenn er überhaupt eins gehabt hat! Dann kommt der Maler Nielsen-Munkeganrd — das ist so eine Art Genie-Rauhbeiu, und dann wahrscheinlich Peter Hals, der arme Schlucker! Deu Namen habe ich noch nie gehört. Nein, das will ich gern glauben, denn er thut nnr die gröbere Arbeit, das Scheuern und Fegen, das heißt, er liest Korrektur, besorgt Botengänge und schreibt — natürlich anonym — alles das, womit sich die andern nicht befassen mögen. Ja es ist, weiß Gott, eine nette Gesellschaft, aber man kann sie ja zur Thür Hinauswerfen, wenn mau ihrer überdrüssig ist — ans Hinauswerfen sind sie gewöhnt. Pfui, Fritz, wie kannst du nur so reden! Die Herren vom Faublas kommen. Der Kutscher erzählt dem Stall¬ burscheu, er habe sie draußen ums Dorf herumgefahren, sie hätten ihm uicht recht reputirlich ausgesehen, so als Besuch sür seine Herrschaft. Die Schilderung dieser Gesellschaft, für die der halb blödsinnige Onkel der interessanteste Unter¬ halter ist, sodasz sie seine simpeln Worte impressionistisch verwerten, deuten und notiren, ist wirklich geistreich. Aber ebenso lebendig wird uns ein andres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/227>, abgerufen am 29.06.2024.