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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Der Personenwechsel in den Reichsämtern

verdammt sei deshalb der, der leichtfertig das Vertrauen untergräbt. Fehler
im einzelnen macht auch der, dem man im ganzen vertrauen muß. Bekämpfen
wir die Fehler, ohne das berechtigte Vertrauen zu stören, dann wird der Himmel
das deutsche Volk am sichersten davor bewahren, sein Vertrauen zur Hohen-
zollernpolitik jemals getäuscht zu sehen.

Es ist natürlich, daß bei einer Besprechung des Personenwechsels in den
Neichsämtern am meisten die äußerlich absonderlichste Personalveränderung er¬
wähnt wird, die Bestellung eines Kavallerieoffiziers zum Staatssekretär des
Reichspostamts. Was die Sache anlangt, so stehen wir nicht an, die Möglichkeit
zuzugeben, daß ein Nichtpostmann als oberste Spitze der Reichspost unter
Umständen vortreffliche Dienste leisten, ja notwendig sein kann, gerade so, wie
ein Kavallerieoffizier unter Umstünden der beste Reorganisator der Artillerie
werden kann. Ob für die Neichspost solche Umstünde vorliegen, ist nicht bekannt.
Die Person dagegen ist in Berlin hinreichend bekannt, und deshalb die Personen¬
frage für uns vorläufig ein Rätsel. Podbielski hat sich, soviel wir wissen,
abgesehen von seiner militärischen Laufbahn bis zum Regimentskommandeur
-- die Brigade hat er nur einige Monate kommandirt --, hauptsächlich aus¬
gezeichnet als Geschäftsführer des Unionklubs in Berlin und neben dem eigent¬
lichen Organisator, einem Hauptmann von Wedel, als Mitarbeiter bei der
Gründung und Entwicklung des Offiziervereins, eines Handelsgeschäfts in
großem Maßstabe. Sport und Kaufmannschaft vereint war äußerlich erkennbar
die Vorschule dieses Offiziers für seine neue Laufbahn. Wo immer er mitwirkte,
hat es Podbielski, wie versichert wird, geschickt verstanden, sich großen Einfluß
und Anerkennung am gehörigen Ort zu verschaffen, und daß er das auch als
Staatssekretär des Neichspostamts zunächst in einem gewissen Sinne verstehen
wird, daran wird nicht gezweifelt. Er soll ein Mann von ganz ungewöhn¬
licher Klugheit sein; das besondre Wohlwollen des Kaisers soll er früher uicht
gehabt haben. Wir hoffen, daß er seine außergewöhnliche Begabung uneigen¬
nützig in den Dienst der Reichspost stellen, namentlich, daß er für die große
Armee seiner Untergebnen werkthätiges, von Herzen kommendes Wohlwollen
zeigen wird. Die Aufgabe ist schwer, aber vielleicht wird er sie besser lösen,
als viele hente meinen. Wenn nicht, dann möge Lucanus bald seines Amtes
walten!




Der Personenwechsel in den Reichsämtern

verdammt sei deshalb der, der leichtfertig das Vertrauen untergräbt. Fehler
im einzelnen macht auch der, dem man im ganzen vertrauen muß. Bekämpfen
wir die Fehler, ohne das berechtigte Vertrauen zu stören, dann wird der Himmel
das deutsche Volk am sichersten davor bewahren, sein Vertrauen zur Hohen-
zollernpolitik jemals getäuscht zu sehen.

Es ist natürlich, daß bei einer Besprechung des Personenwechsels in den
Neichsämtern am meisten die äußerlich absonderlichste Personalveränderung er¬
wähnt wird, die Bestellung eines Kavallerieoffiziers zum Staatssekretär des
Reichspostamts. Was die Sache anlangt, so stehen wir nicht an, die Möglichkeit
zuzugeben, daß ein Nichtpostmann als oberste Spitze der Reichspost unter
Umständen vortreffliche Dienste leisten, ja notwendig sein kann, gerade so, wie
ein Kavallerieoffizier unter Umstünden der beste Reorganisator der Artillerie
werden kann. Ob für die Neichspost solche Umstünde vorliegen, ist nicht bekannt.
Die Person dagegen ist in Berlin hinreichend bekannt, und deshalb die Personen¬
frage für uns vorläufig ein Rätsel. Podbielski hat sich, soviel wir wissen,
abgesehen von seiner militärischen Laufbahn bis zum Regimentskommandeur
— die Brigade hat er nur einige Monate kommandirt —, hauptsächlich aus¬
gezeichnet als Geschäftsführer des Unionklubs in Berlin und neben dem eigent¬
lichen Organisator, einem Hauptmann von Wedel, als Mitarbeiter bei der
Gründung und Entwicklung des Offiziervereins, eines Handelsgeschäfts in
großem Maßstabe. Sport und Kaufmannschaft vereint war äußerlich erkennbar
die Vorschule dieses Offiziers für seine neue Laufbahn. Wo immer er mitwirkte,
hat es Podbielski, wie versichert wird, geschickt verstanden, sich großen Einfluß
und Anerkennung am gehörigen Ort zu verschaffen, und daß er das auch als
Staatssekretär des Neichspostamts zunächst in einem gewissen Sinne verstehen
wird, daran wird nicht gezweifelt. Er soll ein Mann von ganz ungewöhn¬
licher Klugheit sein; das besondre Wohlwollen des Kaisers soll er früher uicht
gehabt haben. Wir hoffen, daß er seine außergewöhnliche Begabung uneigen¬
nützig in den Dienst der Reichspost stellen, namentlich, daß er für die große
Armee seiner Untergebnen werkthätiges, von Herzen kommendes Wohlwollen
zeigen wird. Die Aufgabe ist schwer, aber vielleicht wird er sie besser lösen,
als viele hente meinen. Wenn nicht, dann möge Lucanus bald seines Amtes
walten!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/14>, abgerufen am 24.07.2024.