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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zu den diesjährigen Uaisermanövern

die Ähnlichkeit der Käppis irre geführt, unter die Büchsen der Jägerbataillone
gerieten. Es liegt aber auf der Hand, daß Ausrüstungsstücke, die dem Feinde
zu irrigen oder auch richtigen Vermutungen über die gegenüberstehende Truppen¬
stärke Anhalt geben können, schon dadurch den so gekennzeichneten Hceresteilen
große Verluste bereiten können. Aus dieser Erkenntnis waren schon in dem
übrigen Deutschland Helme für die Landwehr angeschafft worden, und aus
demselben Grunde entschloß mau sich auch in Vaiern zur Einführung des
Heims. Man nahm diese Kopfbedeckung an, weil sie sich, namentlich wegen
der günstigen Lage ihres Schwerpunktes, im Feldzuge am besten bewährt
hatte, während sich der Naupenhelm bei Regenwetter voll Wasser sog und
unerträglich schwer wurde. Die bevorstehenden Kaisermanöver werden zum
erstenmale die gesamte Infanterie des deutscheu Heeres mit gleicher Kopfbedeckung
zeigen. Sollte jemals wieder eine Änderung erfolgen, so wird sie sich auf das
ganze Heer erstrecken. Wer die Hartnäckigkeit kennt, mit der in militärischen
Kreisen wie in weitern Volksschichten an hergebrachten Einrichtungen fest¬
gehalten zu werden pflegt, wird den Wert dieser Thatsache nicht verkennen.
Wir sind dadurch ein großes Stück vorwärtsgekommen.

Aber weit über diese Uniformfrage hinaus geht die Tragweite der
diesjährigen Kaisermanöver nach der nationalen Seite. Man hat in Baiern
nicht mehr -- wie vor sechs Jahren -- für nötig befunden, den Anschein
aufrecht zu erhalten, als waren die Manöver aus eignem Antriebe veranstaltet
und der Kaiser nur als "Gast" dazu eingeladen worden. Das hatte für
gewisse Ohren besser geklungen und auch manchen Personen in höhern Kreisen
wohlgethan. Man nannte früher auch die Manöver amtlich immer Königs¬
manöver, wozu man formell durchaus berechtigt war, da in Friedenszeiten der
König von Baiern oberster Kriegsherr ist. Aber schon damals ging die Tages¬
meinung von selbst über diesen sorgsam abgewognen Standpunkt hinaus, und
der Volksmund wie die Presse aller Parteien sprach von der großen Truppen¬
schau am 9. September nur als von der "Kaiserparade." Diesmal fallen alle
solche Zurückhaltungen sowie die kleinen Mißstimmungen, die sich 1891 wegen
des Gebrauchs der Kaiserstandarte ergeben hatten, vollständig weg, und da es
sich nicht bloß um bairische, sondern auch um preußische Truppen handelt,
so kann die Richtigkeit der Bezeichnung "Knisermanövcr" auch von parti-
kularistischer Seite nicht mehr angezweifelt werden, und es geschieht auch nicht.
Wer genauer zusieht, wird vielfach sogar ein gewisses Behagen über die An¬
erkennung der Ebenbürtigkeit der bairischen Truppen, die unverkennbar in den
gemeinschaftlichen Manövern zum Ausdruck kommt, heraushören; den verbissenen
Partikularisten und berufsmäßigen Nörglern find sie freilich ein Dorn im
Auge. Höchst zufrieden sind vor allen die Offiziere, die sehr wohl in der Er¬
innerung haben, was das Jahr 1870 ihnen und der bairischen Armee gebracht
hat, und die wissen, daß sie mit ihren Truppen nicht hinter den ihnen gegen-


Grenzboten III 1897 14
Zu den diesjährigen Uaisermanövern

die Ähnlichkeit der Käppis irre geführt, unter die Büchsen der Jägerbataillone
gerieten. Es liegt aber auf der Hand, daß Ausrüstungsstücke, die dem Feinde
zu irrigen oder auch richtigen Vermutungen über die gegenüberstehende Truppen¬
stärke Anhalt geben können, schon dadurch den so gekennzeichneten Hceresteilen
große Verluste bereiten können. Aus dieser Erkenntnis waren schon in dem
übrigen Deutschland Helme für die Landwehr angeschafft worden, und aus
demselben Grunde entschloß mau sich auch in Vaiern zur Einführung des
Heims. Man nahm diese Kopfbedeckung an, weil sie sich, namentlich wegen
der günstigen Lage ihres Schwerpunktes, im Feldzuge am besten bewährt
hatte, während sich der Naupenhelm bei Regenwetter voll Wasser sog und
unerträglich schwer wurde. Die bevorstehenden Kaisermanöver werden zum
erstenmale die gesamte Infanterie des deutscheu Heeres mit gleicher Kopfbedeckung
zeigen. Sollte jemals wieder eine Änderung erfolgen, so wird sie sich auf das
ganze Heer erstrecken. Wer die Hartnäckigkeit kennt, mit der in militärischen
Kreisen wie in weitern Volksschichten an hergebrachten Einrichtungen fest¬
gehalten zu werden pflegt, wird den Wert dieser Thatsache nicht verkennen.
Wir sind dadurch ein großes Stück vorwärtsgekommen.

Aber weit über diese Uniformfrage hinaus geht die Tragweite der
diesjährigen Kaisermanöver nach der nationalen Seite. Man hat in Baiern
nicht mehr — wie vor sechs Jahren — für nötig befunden, den Anschein
aufrecht zu erhalten, als waren die Manöver aus eignem Antriebe veranstaltet
und der Kaiser nur als „Gast" dazu eingeladen worden. Das hatte für
gewisse Ohren besser geklungen und auch manchen Personen in höhern Kreisen
wohlgethan. Man nannte früher auch die Manöver amtlich immer Königs¬
manöver, wozu man formell durchaus berechtigt war, da in Friedenszeiten der
König von Baiern oberster Kriegsherr ist. Aber schon damals ging die Tages¬
meinung von selbst über diesen sorgsam abgewognen Standpunkt hinaus, und
der Volksmund wie die Presse aller Parteien sprach von der großen Truppen¬
schau am 9. September nur als von der „Kaiserparade." Diesmal fallen alle
solche Zurückhaltungen sowie die kleinen Mißstimmungen, die sich 1891 wegen
des Gebrauchs der Kaiserstandarte ergeben hatten, vollständig weg, und da es
sich nicht bloß um bairische, sondern auch um preußische Truppen handelt,
so kann die Richtigkeit der Bezeichnung „Knisermanövcr" auch von parti-
kularistischer Seite nicht mehr angezweifelt werden, und es geschieht auch nicht.
Wer genauer zusieht, wird vielfach sogar ein gewisses Behagen über die An¬
erkennung der Ebenbürtigkeit der bairischen Truppen, die unverkennbar in den
gemeinschaftlichen Manövern zum Ausdruck kommt, heraushören; den verbissenen
Partikularisten und berufsmäßigen Nörglern find sie freilich ein Dorn im
Auge. Höchst zufrieden sind vor allen die Offiziere, die sehr wohl in der Er¬
innerung haben, was das Jahr 1870 ihnen und der bairischen Armee gebracht
hat, und die wissen, daß sie mit ihren Truppen nicht hinter den ihnen gegen-


Grenzboten III 1897 14
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[0113] Zu den diesjährigen Uaisermanövern die Ähnlichkeit der Käppis irre geführt, unter die Büchsen der Jägerbataillone gerieten. Es liegt aber auf der Hand, daß Ausrüstungsstücke, die dem Feinde zu irrigen oder auch richtigen Vermutungen über die gegenüberstehende Truppen¬ stärke Anhalt geben können, schon dadurch den so gekennzeichneten Hceresteilen große Verluste bereiten können. Aus dieser Erkenntnis waren schon in dem übrigen Deutschland Helme für die Landwehr angeschafft worden, und aus demselben Grunde entschloß mau sich auch in Vaiern zur Einführung des Heims. Man nahm diese Kopfbedeckung an, weil sie sich, namentlich wegen der günstigen Lage ihres Schwerpunktes, im Feldzuge am besten bewährt hatte, während sich der Naupenhelm bei Regenwetter voll Wasser sog und unerträglich schwer wurde. Die bevorstehenden Kaisermanöver werden zum erstenmale die gesamte Infanterie des deutscheu Heeres mit gleicher Kopfbedeckung zeigen. Sollte jemals wieder eine Änderung erfolgen, so wird sie sich auf das ganze Heer erstrecken. Wer die Hartnäckigkeit kennt, mit der in militärischen Kreisen wie in weitern Volksschichten an hergebrachten Einrichtungen fest¬ gehalten zu werden pflegt, wird den Wert dieser Thatsache nicht verkennen. Wir sind dadurch ein großes Stück vorwärtsgekommen. Aber weit über diese Uniformfrage hinaus geht die Tragweite der diesjährigen Kaisermanöver nach der nationalen Seite. Man hat in Baiern nicht mehr — wie vor sechs Jahren — für nötig befunden, den Anschein aufrecht zu erhalten, als waren die Manöver aus eignem Antriebe veranstaltet und der Kaiser nur als „Gast" dazu eingeladen worden. Das hatte für gewisse Ohren besser geklungen und auch manchen Personen in höhern Kreisen wohlgethan. Man nannte früher auch die Manöver amtlich immer Königs¬ manöver, wozu man formell durchaus berechtigt war, da in Friedenszeiten der König von Baiern oberster Kriegsherr ist. Aber schon damals ging die Tages¬ meinung von selbst über diesen sorgsam abgewognen Standpunkt hinaus, und der Volksmund wie die Presse aller Parteien sprach von der großen Truppen¬ schau am 9. September nur als von der „Kaiserparade." Diesmal fallen alle solche Zurückhaltungen sowie die kleinen Mißstimmungen, die sich 1891 wegen des Gebrauchs der Kaiserstandarte ergeben hatten, vollständig weg, und da es sich nicht bloß um bairische, sondern auch um preußische Truppen handelt, so kann die Richtigkeit der Bezeichnung „Knisermanövcr" auch von parti- kularistischer Seite nicht mehr angezweifelt werden, und es geschieht auch nicht. Wer genauer zusieht, wird vielfach sogar ein gewisses Behagen über die An¬ erkennung der Ebenbürtigkeit der bairischen Truppen, die unverkennbar in den gemeinschaftlichen Manövern zum Ausdruck kommt, heraushören; den verbissenen Partikularisten und berufsmäßigen Nörglern find sie freilich ein Dorn im Auge. Höchst zufrieden sind vor allen die Offiziere, die sehr wohl in der Er¬ innerung haben, was das Jahr 1870 ihnen und der bairischen Armee gebracht hat, und die wissen, daß sie mit ihren Truppen nicht hinter den ihnen gegen- Grenzboten III 1897 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/113>, abgerufen am 24.07.2024.