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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zu den diesjährigen Aaisermanövern

Prinzregent geworden war, dauerte das frühere Verhältnis bei den Jnspizi-
rnngen noch fünf Jahre fort.

Daß sich dieser nicht ganz ordnungsmäßige Zustand geändert hat, ist vor
allem ein Verdienst des Kaisers. Als er im Jahre 1891 seine Absicht an¬
kündigte, von seinem Jnspektionsrecht über die bairischen Truppen Gebrauch
zu machen, rief das in München eine nicht gerade angenehme Überraschung
hervor. Nur die Offiziere waren sehr zufrieden, denn sie waren sicher, mit
Ehren bestehen und sich allen übrigen deutschen Kameraden ebenbürtig beweisen
zu können; freilich in lautem Jubel konnte und durfte diese Stimmung mit
Rücksicht auf einzelne Persönlichkeiten, Stimmungen und Strömungen nicht
geäußert werden. Das Vertrauen der Offiziere zu ihrer Tüchtigkeit wurde denn
auch glänzend gerechtfertigt. Der Kaiser sprach rückhaltlos seine Anerkennung
aus und verknüpfte damit voll Feinheit das Lob des hohen Pflichteifers und der
großen Verdienste der bairischen Prinzen um die Armee. Damit sagte er nicht
uur eine Artigkeit, sondern er sprach die vollkommenste Wahrheit aus. Ohne
Zweifel wäre auch die Inspektion des Kaisers unterblieben, wenn er nicht sicher
gewesen wäre, so sprechen zu können. Daß das aber so war und ist, dafür
ist vor allen dem Prinzrcgenten Luitpold Dank zu sagen, der seinen Söhnen
eine sorgfältige militärische Erziehung hat angedeihen lassen und sich klar bewußt
ist, daß auf die Dauer die bairische Armee ihre Sonderstellung uur dann zu
behaupten vermag, wenn sie sich auf der Höhe der übrigen deutschen Truppen
erhält. Das ist zwar auch Partikularismus, aber er ist gesund und darum
berechtigt. Das deutsche Volk ist bei aller Stammesverschiedenheit einheitlich
genug geartet, sodaß nicht immer und überall der Gleichheitsbesen in An¬
wendung gebracht zu werden braucht. Es genügt durchaus, wenn verhindert
wird, daß vvrhandne Unterschiede böswillig erweitert oder neue geschaffen
werden. Man darf es wohl als Endergebnis der großen Schlußparade am
9. September 1891 auf der Fröttmaninger Heide bezeichnen, daß Prinz Leopold,
der zweite Sohn des Prinzregenten Luitpold und Schwiegersohn des Kaisers
Franz Josef, im folgenden Jahre, nach dem Tode des Großherzogs von Hessen,
die vierte Armeeiuspektion erhielt, die bisher Feldmarschall Graf Blumenthal inne
gehabt hatte, der dafür, uuter einigen Abänderungen mit Rücksicht auf Württem¬
berg, die erledigte dritte Armeeinspektion übernahm. Prinz Leopold wurde
damit zugleich Inspektor über das dritte und vierte preußische Armeekorps.
Damit war eine neue Brücke über den Main geschlagen, und über sie führt
der Weg zum diesjährigen Kaisermanöver.

Viele Leute werden das für selbstverständlich halten und nicht für wert,
daß man darüber viele Worte mache. Daß dergleichen aber nicht selbstver¬
ständlich ist, haben die Zeiten unter Kaiser Wilhelm I. gelehrt. Wenn er aus
den Bädern am Rhein nach Gastein fuhr, vermied er jedesmal, in München
zu übernachten. Denn niemand nahm amtlich Notiz von ihm, am Bahnhofe


Zu den diesjährigen Aaisermanövern

Prinzregent geworden war, dauerte das frühere Verhältnis bei den Jnspizi-
rnngen noch fünf Jahre fort.

Daß sich dieser nicht ganz ordnungsmäßige Zustand geändert hat, ist vor
allem ein Verdienst des Kaisers. Als er im Jahre 1891 seine Absicht an¬
kündigte, von seinem Jnspektionsrecht über die bairischen Truppen Gebrauch
zu machen, rief das in München eine nicht gerade angenehme Überraschung
hervor. Nur die Offiziere waren sehr zufrieden, denn sie waren sicher, mit
Ehren bestehen und sich allen übrigen deutschen Kameraden ebenbürtig beweisen
zu können; freilich in lautem Jubel konnte und durfte diese Stimmung mit
Rücksicht auf einzelne Persönlichkeiten, Stimmungen und Strömungen nicht
geäußert werden. Das Vertrauen der Offiziere zu ihrer Tüchtigkeit wurde denn
auch glänzend gerechtfertigt. Der Kaiser sprach rückhaltlos seine Anerkennung
aus und verknüpfte damit voll Feinheit das Lob des hohen Pflichteifers und der
großen Verdienste der bairischen Prinzen um die Armee. Damit sagte er nicht
uur eine Artigkeit, sondern er sprach die vollkommenste Wahrheit aus. Ohne
Zweifel wäre auch die Inspektion des Kaisers unterblieben, wenn er nicht sicher
gewesen wäre, so sprechen zu können. Daß das aber so war und ist, dafür
ist vor allen dem Prinzrcgenten Luitpold Dank zu sagen, der seinen Söhnen
eine sorgfältige militärische Erziehung hat angedeihen lassen und sich klar bewußt
ist, daß auf die Dauer die bairische Armee ihre Sonderstellung uur dann zu
behaupten vermag, wenn sie sich auf der Höhe der übrigen deutschen Truppen
erhält. Das ist zwar auch Partikularismus, aber er ist gesund und darum
berechtigt. Das deutsche Volk ist bei aller Stammesverschiedenheit einheitlich
genug geartet, sodaß nicht immer und überall der Gleichheitsbesen in An¬
wendung gebracht zu werden braucht. Es genügt durchaus, wenn verhindert
wird, daß vvrhandne Unterschiede böswillig erweitert oder neue geschaffen
werden. Man darf es wohl als Endergebnis der großen Schlußparade am
9. September 1891 auf der Fröttmaninger Heide bezeichnen, daß Prinz Leopold,
der zweite Sohn des Prinzregenten Luitpold und Schwiegersohn des Kaisers
Franz Josef, im folgenden Jahre, nach dem Tode des Großherzogs von Hessen,
die vierte Armeeiuspektion erhielt, die bisher Feldmarschall Graf Blumenthal inne
gehabt hatte, der dafür, uuter einigen Abänderungen mit Rücksicht auf Württem¬
berg, die erledigte dritte Armeeinspektion übernahm. Prinz Leopold wurde
damit zugleich Inspektor über das dritte und vierte preußische Armeekorps.
Damit war eine neue Brücke über den Main geschlagen, und über sie führt
der Weg zum diesjährigen Kaisermanöver.

Viele Leute werden das für selbstverständlich halten und nicht für wert,
daß man darüber viele Worte mache. Daß dergleichen aber nicht selbstver¬
ständlich ist, haben die Zeiten unter Kaiser Wilhelm I. gelehrt. Wenn er aus
den Bädern am Rhein nach Gastein fuhr, vermied er jedesmal, in München
zu übernachten. Denn niemand nahm amtlich Notiz von ihm, am Bahnhofe


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[0108] Zu den diesjährigen Aaisermanövern Prinzregent geworden war, dauerte das frühere Verhältnis bei den Jnspizi- rnngen noch fünf Jahre fort. Daß sich dieser nicht ganz ordnungsmäßige Zustand geändert hat, ist vor allem ein Verdienst des Kaisers. Als er im Jahre 1891 seine Absicht an¬ kündigte, von seinem Jnspektionsrecht über die bairischen Truppen Gebrauch zu machen, rief das in München eine nicht gerade angenehme Überraschung hervor. Nur die Offiziere waren sehr zufrieden, denn sie waren sicher, mit Ehren bestehen und sich allen übrigen deutschen Kameraden ebenbürtig beweisen zu können; freilich in lautem Jubel konnte und durfte diese Stimmung mit Rücksicht auf einzelne Persönlichkeiten, Stimmungen und Strömungen nicht geäußert werden. Das Vertrauen der Offiziere zu ihrer Tüchtigkeit wurde denn auch glänzend gerechtfertigt. Der Kaiser sprach rückhaltlos seine Anerkennung aus und verknüpfte damit voll Feinheit das Lob des hohen Pflichteifers und der großen Verdienste der bairischen Prinzen um die Armee. Damit sagte er nicht uur eine Artigkeit, sondern er sprach die vollkommenste Wahrheit aus. Ohne Zweifel wäre auch die Inspektion des Kaisers unterblieben, wenn er nicht sicher gewesen wäre, so sprechen zu können. Daß das aber so war und ist, dafür ist vor allen dem Prinzrcgenten Luitpold Dank zu sagen, der seinen Söhnen eine sorgfältige militärische Erziehung hat angedeihen lassen und sich klar bewußt ist, daß auf die Dauer die bairische Armee ihre Sonderstellung uur dann zu behaupten vermag, wenn sie sich auf der Höhe der übrigen deutschen Truppen erhält. Das ist zwar auch Partikularismus, aber er ist gesund und darum berechtigt. Das deutsche Volk ist bei aller Stammesverschiedenheit einheitlich genug geartet, sodaß nicht immer und überall der Gleichheitsbesen in An¬ wendung gebracht zu werden braucht. Es genügt durchaus, wenn verhindert wird, daß vvrhandne Unterschiede böswillig erweitert oder neue geschaffen werden. Man darf es wohl als Endergebnis der großen Schlußparade am 9. September 1891 auf der Fröttmaninger Heide bezeichnen, daß Prinz Leopold, der zweite Sohn des Prinzregenten Luitpold und Schwiegersohn des Kaisers Franz Josef, im folgenden Jahre, nach dem Tode des Großherzogs von Hessen, die vierte Armeeiuspektion erhielt, die bisher Feldmarschall Graf Blumenthal inne gehabt hatte, der dafür, uuter einigen Abänderungen mit Rücksicht auf Württem¬ berg, die erledigte dritte Armeeinspektion übernahm. Prinz Leopold wurde damit zugleich Inspektor über das dritte und vierte preußische Armeekorps. Damit war eine neue Brücke über den Main geschlagen, und über sie führt der Weg zum diesjährigen Kaisermanöver. Viele Leute werden das für selbstverständlich halten und nicht für wert, daß man darüber viele Worte mache. Daß dergleichen aber nicht selbstver¬ ständlich ist, haben die Zeiten unter Kaiser Wilhelm I. gelehrt. Wenn er aus den Bädern am Rhein nach Gastein fuhr, vermied er jedesmal, in München zu übernachten. Denn niemand nahm amtlich Notiz von ihm, am Bahnhofe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/108>, abgerufen am 29.12.2024.