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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

von allen. Das ist die unvermeidliche Folge unsers späten Erscheinens in
diesen Gebieten; wir haben uns gerade noch eindrängen können. Im Innern
aber lag damals noch eine Masse Land politisch nnverwertet. Dort mußte
sich Deutschland ausbreiten und mußte seine Kolonie nordwärts zum Niger
und nordwestwärts in das heute neutrale Gebiet hinter der englischen Gold-
küste wachsen lassen. Diese Forderung liegt in der Natur dieser Kolonien am
Südrande des Meerbusens von Guinea. Ihre Lage bringt es mit sich, daß
der Überfluß der in Ackerbau und Gewerbe weit fortgeschrittenen Länder des
Sudan seine Wege vom Niger zum Meere durch ihre Gebiete suchen muß. Es
ist nicht ein unbestimmter Landhunger, sondern das Streben nach organischer
Ausgestaltung unsers Besitzes, was uns immer weiter landeinwärts sührt.

Der entscheidendste Schritt in dieser Richtung war nun die Gründung
der Station Sansanne-Mangu, womit Deutschland endlich im eigentlichen
Sudan auftrat. Sansanne-Mangu liegt nicht bloß günstig nahe dem Abstieg
ins Nigerbecken, es hat auch den besondern Vorzug, hinter jenem unglücklichen
neutralen Gebiet zu liegen, das zwischen dem Togoland und der englischen
Goldküstenkolonie durch ein Übereinkommen von 1888 zu späterer Verteilung
freigehalten wurde. Die Wege von Kete-Kratschi nach Sansanne-Mangu führen
denn auch gerade durch dieses Gebiet, und die Gründung der neuen Station
ging über Salaga und Aendi, Hauptorte der neutralen Zone, vor sich. Es
mußten zur Sicherung des Verkehrs sogar Gehöfte in Salaga und andern
Orten der neutralen Zone erworben werden. Hauptmann von Fran?vis hatte
1883 auf seiner Reise nach Moschi Verträge mit den Herrschern von Uendi
und Gambciga geschlossen, denen in dem deutsch-englischen Abkommen vom
1. Juli 1890 ausdrücklich von England die Priorität zuerkannt wurde. Es
handelt sich um den Vorrang vor den Verträgen des französischen Hauptmanns
Binger, der fast gleichzeitig von Moschi nach Salaga gekommen war. Wenn,
wie wir bestimmt hoffen dürfen, Deutschland bei der endgiltigen Abgrenzung
seines Kongolandes nicht bloß nordwärts, sondern auch westwärts am Volt"
hin Raum gewinnt, so wollen wir dankbar jenes energisch durchgeführten Vor¬
stoßes des Hauptmanns von Fran?vis nach Moschi gedenken.

Die Franzosen berufen sich gern auf die Opfer, die sie gebracht haben,
um diese Länder zu gewinnen. Wir wollen über den Wert der beiderseitigen
Opfer nicht streiten. Frankreich hat viel mehr Menschen hinausgesandt als
Deutschland, hat überhaupt mit viel größern Mitteln gearbeitet. Kann es
doch in seine Brigaden eingeborner Truppen hineingreifen, sobald es für irgend
eine Expedition Nachschub an Mannschaften braucht, während wir in Togo
nur eine Polizeitruppe von hundertfünfzig Mann haben. Wer die Reisen von
Wolf, Fran^vis, Kling, Grüner durchgeht, wird sich des Gefühls nicht er¬
wehren können, daß was wir in Togo erreicht haben, nicht nur im Kampf
mit den allgemeinen afrikanischen Schwierigkeiten, sondern im Ringen mit der
Unzulänglichkeit der vom Mutterlande gebotenen Mittel erreicht werden mußte.


Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

von allen. Das ist die unvermeidliche Folge unsers späten Erscheinens in
diesen Gebieten; wir haben uns gerade noch eindrängen können. Im Innern
aber lag damals noch eine Masse Land politisch nnverwertet. Dort mußte
sich Deutschland ausbreiten und mußte seine Kolonie nordwärts zum Niger
und nordwestwärts in das heute neutrale Gebiet hinter der englischen Gold-
küste wachsen lassen. Diese Forderung liegt in der Natur dieser Kolonien am
Südrande des Meerbusens von Guinea. Ihre Lage bringt es mit sich, daß
der Überfluß der in Ackerbau und Gewerbe weit fortgeschrittenen Länder des
Sudan seine Wege vom Niger zum Meere durch ihre Gebiete suchen muß. Es
ist nicht ein unbestimmter Landhunger, sondern das Streben nach organischer
Ausgestaltung unsers Besitzes, was uns immer weiter landeinwärts sührt.

Der entscheidendste Schritt in dieser Richtung war nun die Gründung
der Station Sansanne-Mangu, womit Deutschland endlich im eigentlichen
Sudan auftrat. Sansanne-Mangu liegt nicht bloß günstig nahe dem Abstieg
ins Nigerbecken, es hat auch den besondern Vorzug, hinter jenem unglücklichen
neutralen Gebiet zu liegen, das zwischen dem Togoland und der englischen
Goldküstenkolonie durch ein Übereinkommen von 1888 zu späterer Verteilung
freigehalten wurde. Die Wege von Kete-Kratschi nach Sansanne-Mangu führen
denn auch gerade durch dieses Gebiet, und die Gründung der neuen Station
ging über Salaga und Aendi, Hauptorte der neutralen Zone, vor sich. Es
mußten zur Sicherung des Verkehrs sogar Gehöfte in Salaga und andern
Orten der neutralen Zone erworben werden. Hauptmann von Fran?vis hatte
1883 auf seiner Reise nach Moschi Verträge mit den Herrschern von Uendi
und Gambciga geschlossen, denen in dem deutsch-englischen Abkommen vom
1. Juli 1890 ausdrücklich von England die Priorität zuerkannt wurde. Es
handelt sich um den Vorrang vor den Verträgen des französischen Hauptmanns
Binger, der fast gleichzeitig von Moschi nach Salaga gekommen war. Wenn,
wie wir bestimmt hoffen dürfen, Deutschland bei der endgiltigen Abgrenzung
seines Kongolandes nicht bloß nordwärts, sondern auch westwärts am Volt«
hin Raum gewinnt, so wollen wir dankbar jenes energisch durchgeführten Vor¬
stoßes des Hauptmanns von Fran?vis nach Moschi gedenken.

Die Franzosen berufen sich gern auf die Opfer, die sie gebracht haben,
um diese Länder zu gewinnen. Wir wollen über den Wert der beiderseitigen
Opfer nicht streiten. Frankreich hat viel mehr Menschen hinausgesandt als
Deutschland, hat überhaupt mit viel größern Mitteln gearbeitet. Kann es
doch in seine Brigaden eingeborner Truppen hineingreifen, sobald es für irgend
eine Expedition Nachschub an Mannschaften braucht, während wir in Togo
nur eine Polizeitruppe von hundertfünfzig Mann haben. Wer die Reisen von
Wolf, Fran^vis, Kling, Grüner durchgeht, wird sich des Gefühls nicht er¬
wehren können, daß was wir in Togo erreicht haben, nicht nur im Kampf
mit den allgemeinen afrikanischen Schwierigkeiten, sondern im Ringen mit der
Unzulänglichkeit der vom Mutterlande gebotenen Mittel erreicht werden mußte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/556>, abgerufen am 23.07.2024.