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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

Weilen nur an der Küste angelegt, wo Klein-Popo und Lome als Hauptorte
unter sich und mit den benachbarten Stationen auf englischem und französischem
Gebiet verbunden sind.

Der unfriedliche, den Verkehr hemmende Zustand ist mit durch diese Weg¬
bauten immer weiter nach Norden gedrängt worden. Der Weg, die Straße,
das ist auch hier das Sinnbild der Kultur. Als die deutsche Flagge in Togo
gehißt wurde, war schon wenige Tagereisen hinter der Küste Verwirrung und Un¬
sicherheit. Was der Bericht über die Entwicklung des Schutzgebietes im Jahre
1896 von den Wirkungen der Gründung der Station Sansanne-Mangu sagt,
gilt von jedem Schritt vorwärts, der von der Küste her gemacht worden ist:
die stellenweise enormen Abgaben, die jeder, auch der kleinste Dorsches von den
durchpassirenden Karawanen bisher erhob, wurden beschränkt, gesperrte Wege
eröffnet, und der Straßenrand zog sich von den von der Nation geschützten
Wegen zurück. Die Feindseligkeiten endigen nicht selten mit der vollständigen
Vernichtung einer Stadt, und von diesem Schicksal sind große Handelsplätze
nicht verschont geblieben. Das einst blühende Salaga in der neutralen Zone
hat in den Kämpfen zweier Thronbewerber ganz seine alte Bedeutung als
Marktplatz verloren, und Leute von Salaga sind von den Engländern am
rechten Voltaufer angesiedelt worden. Dadurch ist ein neuer Ort, Temkrcmka,
entstanden. Beiläufig gaben solche Verschiebungen Anlaß zu entsprechenden
Verlegungen der Handelswege, und gerade von der Zerstörung Salagas haben
die Engländer Veranlassung genommen, einen Teil des Togohandels nach ihrer
Goldküste abzulenken. Der größte Teil der Salagcileute scheint sich aber auf
deutschem Boden niedergelassen zu haben, und zwar nahe bei einem schon zuvor
durch direkten Handel mit der Küste bekannten Ort, Kratschi. Dort haben sie
die neue Niederlassung Kete gegründet, wo schon im Frühjahr 1894 der Premier¬
leutnant von Döring einen erstaunlich lebhaften Handel fand. Es waren Kauf¬
leute aus Jola und Timbuktu, Baghirmi und Joruba beisammen, und Döring
sah eine Handelskarawane von dreihundert Köpfen heranziehen. Kete-Kratschi ist
nun zu einer Station mit fünfundzwanzig Soldaten erhoben worden, und die
Baseler Mission hat dort eine Niederlassung gegründet. Die Boten gehen
zwölf Tage bis zur Küste.

Die Verwaltung der Kolonie muß für diese innern Bewegungen die Augen
offen haben, denn durch sie kann der Gang des Handels empfindlich gestört
werden. Auf dem Handel aber beruht ein großer Teil des Wohlstands des
Innern. Schon darin liegt die Aufforderung, die Stationen Schritt für Schritt
ins Innere vorzuschieben. In der Befriedung dieser Gebiete durch eine um¬
sichtige Verwaltung liegt die Hoffnung, einen noch viel größern Teil des vom
Sudan nach der Küste strebenden Handels auf unser Gebiet zu ziehen. Be¬
sonders müssen wir dadurch den Vorteil aufzuwiegen suchen, dessen sich die
englische Nachbarkolonie durch den schiffbaren untern Volt" erfreut hat, der
schon jetzt Dampferverkehr hat. Unsre Kolonie ist an der Küste die schmalste


Deutschlands Stellung und Rechte am Niger

Weilen nur an der Küste angelegt, wo Klein-Popo und Lome als Hauptorte
unter sich und mit den benachbarten Stationen auf englischem und französischem
Gebiet verbunden sind.

Der unfriedliche, den Verkehr hemmende Zustand ist mit durch diese Weg¬
bauten immer weiter nach Norden gedrängt worden. Der Weg, die Straße,
das ist auch hier das Sinnbild der Kultur. Als die deutsche Flagge in Togo
gehißt wurde, war schon wenige Tagereisen hinter der Küste Verwirrung und Un¬
sicherheit. Was der Bericht über die Entwicklung des Schutzgebietes im Jahre
1896 von den Wirkungen der Gründung der Station Sansanne-Mangu sagt,
gilt von jedem Schritt vorwärts, der von der Küste her gemacht worden ist:
die stellenweise enormen Abgaben, die jeder, auch der kleinste Dorsches von den
durchpassirenden Karawanen bisher erhob, wurden beschränkt, gesperrte Wege
eröffnet, und der Straßenrand zog sich von den von der Nation geschützten
Wegen zurück. Die Feindseligkeiten endigen nicht selten mit der vollständigen
Vernichtung einer Stadt, und von diesem Schicksal sind große Handelsplätze
nicht verschont geblieben. Das einst blühende Salaga in der neutralen Zone
hat in den Kämpfen zweier Thronbewerber ganz seine alte Bedeutung als
Marktplatz verloren, und Leute von Salaga sind von den Engländern am
rechten Voltaufer angesiedelt worden. Dadurch ist ein neuer Ort, Temkrcmka,
entstanden. Beiläufig gaben solche Verschiebungen Anlaß zu entsprechenden
Verlegungen der Handelswege, und gerade von der Zerstörung Salagas haben
die Engländer Veranlassung genommen, einen Teil des Togohandels nach ihrer
Goldküste abzulenken. Der größte Teil der Salagcileute scheint sich aber auf
deutschem Boden niedergelassen zu haben, und zwar nahe bei einem schon zuvor
durch direkten Handel mit der Küste bekannten Ort, Kratschi. Dort haben sie
die neue Niederlassung Kete gegründet, wo schon im Frühjahr 1894 der Premier¬
leutnant von Döring einen erstaunlich lebhaften Handel fand. Es waren Kauf¬
leute aus Jola und Timbuktu, Baghirmi und Joruba beisammen, und Döring
sah eine Handelskarawane von dreihundert Köpfen heranziehen. Kete-Kratschi ist
nun zu einer Station mit fünfundzwanzig Soldaten erhoben worden, und die
Baseler Mission hat dort eine Niederlassung gegründet. Die Boten gehen
zwölf Tage bis zur Küste.

Die Verwaltung der Kolonie muß für diese innern Bewegungen die Augen
offen haben, denn durch sie kann der Gang des Handels empfindlich gestört
werden. Auf dem Handel aber beruht ein großer Teil des Wohlstands des
Innern. Schon darin liegt die Aufforderung, die Stationen Schritt für Schritt
ins Innere vorzuschieben. In der Befriedung dieser Gebiete durch eine um¬
sichtige Verwaltung liegt die Hoffnung, einen noch viel größern Teil des vom
Sudan nach der Küste strebenden Handels auf unser Gebiet zu ziehen. Be¬
sonders müssen wir dadurch den Vorteil aufzuwiegen suchen, dessen sich die
englische Nachbarkolonie durch den schiffbaren untern Volt« erfreut hat, der
schon jetzt Dampferverkehr hat. Unsre Kolonie ist an der Küste die schmalste


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[0555] Deutschlands Stellung und Rechte am Niger Weilen nur an der Küste angelegt, wo Klein-Popo und Lome als Hauptorte unter sich und mit den benachbarten Stationen auf englischem und französischem Gebiet verbunden sind. Der unfriedliche, den Verkehr hemmende Zustand ist mit durch diese Weg¬ bauten immer weiter nach Norden gedrängt worden. Der Weg, die Straße, das ist auch hier das Sinnbild der Kultur. Als die deutsche Flagge in Togo gehißt wurde, war schon wenige Tagereisen hinter der Küste Verwirrung und Un¬ sicherheit. Was der Bericht über die Entwicklung des Schutzgebietes im Jahre 1896 von den Wirkungen der Gründung der Station Sansanne-Mangu sagt, gilt von jedem Schritt vorwärts, der von der Küste her gemacht worden ist: die stellenweise enormen Abgaben, die jeder, auch der kleinste Dorsches von den durchpassirenden Karawanen bisher erhob, wurden beschränkt, gesperrte Wege eröffnet, und der Straßenrand zog sich von den von der Nation geschützten Wegen zurück. Die Feindseligkeiten endigen nicht selten mit der vollständigen Vernichtung einer Stadt, und von diesem Schicksal sind große Handelsplätze nicht verschont geblieben. Das einst blühende Salaga in der neutralen Zone hat in den Kämpfen zweier Thronbewerber ganz seine alte Bedeutung als Marktplatz verloren, und Leute von Salaga sind von den Engländern am rechten Voltaufer angesiedelt worden. Dadurch ist ein neuer Ort, Temkrcmka, entstanden. Beiläufig gaben solche Verschiebungen Anlaß zu entsprechenden Verlegungen der Handelswege, und gerade von der Zerstörung Salagas haben die Engländer Veranlassung genommen, einen Teil des Togohandels nach ihrer Goldküste abzulenken. Der größte Teil der Salagcileute scheint sich aber auf deutschem Boden niedergelassen zu haben, und zwar nahe bei einem schon zuvor durch direkten Handel mit der Küste bekannten Ort, Kratschi. Dort haben sie die neue Niederlassung Kete gegründet, wo schon im Frühjahr 1894 der Premier¬ leutnant von Döring einen erstaunlich lebhaften Handel fand. Es waren Kauf¬ leute aus Jola und Timbuktu, Baghirmi und Joruba beisammen, und Döring sah eine Handelskarawane von dreihundert Köpfen heranziehen. Kete-Kratschi ist nun zu einer Station mit fünfundzwanzig Soldaten erhoben worden, und die Baseler Mission hat dort eine Niederlassung gegründet. Die Boten gehen zwölf Tage bis zur Küste. Die Verwaltung der Kolonie muß für diese innern Bewegungen die Augen offen haben, denn durch sie kann der Gang des Handels empfindlich gestört werden. Auf dem Handel aber beruht ein großer Teil des Wohlstands des Innern. Schon darin liegt die Aufforderung, die Stationen Schritt für Schritt ins Innere vorzuschieben. In der Befriedung dieser Gebiete durch eine um¬ sichtige Verwaltung liegt die Hoffnung, einen noch viel größern Teil des vom Sudan nach der Küste strebenden Handels auf unser Gebiet zu ziehen. Be¬ sonders müssen wir dadurch den Vorteil aufzuwiegen suchen, dessen sich die englische Nachbarkolonie durch den schiffbaren untern Volt« erfreut hat, der schon jetzt Dampferverkehr hat. Unsre Kolonie ist an der Küste die schmalste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/555>, abgerufen am 23.07.2024.