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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Nun zu Ende des Jahres werden Plötzlich sämtliche in den Händen der Unter¬
nehmer befindliche Hypotheken gekündigt. Die armen vertrauensseligen Käufer sind
in wahrer Verzweiflung, und es steht ein großer Krach in Aussicht. Gott gebe,
daß er uicht zu viele Existenzen vernichtet.

Sollte dies Zeugnis nicht genügen, so möge aus neuester Zeit noch
angeführt werden, was in der am 4. Dezember 1896 in Kostin abgehaltnen
Generalversammlung der schon erwähnten pommerschen ökonomischen Gesellschaft
(Seite 21 ihrer Wochenschrift für 1897) ein Mitglied ausführte. "Er erinnere
an die Parzellirnngswut, die seinerzeit im Kolberger Kreise bestanden hätte,
und daran, daß diesen Unternehmungen lediglich die Bezeichnung "ein großer
Schwindel" zukomme. Mit dem Beginn der Thätigkeit der Generalkommission
habe dieses Unwesen ziemlich aufgehört, sei aber auch jetzt noch nicht ganz tot.
Man hätte den Anschein zu erwecken versucht, als ob im Kolberger Kreise eine
neue Ära für die Zukunft der Landwirtschaft angebrochen sei, es wäre gelungen,
dem Abgeordnetenhaus sowohl wie hohen Staatsbeamten Sand in die Augen
zu streuen. Man habe sich nicht gescheut, durch Auflegen von Bibel und
Gesangbuch in den Häusern der Nentengutserwerber diese Unternehmungen als
ein Gott gefälliges Werk zu dokumentiren. Die Generalkvmmission habe damit
zwar ein Ende gemacht, es sei ihr aber nicht gelungen, alles wieder gut zu
machen. Bekannt sei ihm allerdings, daß sie in zwei Füllen schützend ein¬
gegriffen habe usw."

Nach einer Anmerkung der Redaktion der Nation ist der Vrcntanosche
Aufsatz gleichzeitig in einer englischen Zeitschrift, für die er ursprünglich allein
bestimmt war, veröffentlicht worden. Wir glauben im Vorstehenden soviel
Unrichtigkeiten nachgewiesen zu haben, daß man nur bedauern kann, daß diese
nun sogar im Auslande verbreitet und dort, wo doch die Beurteilung der
Einzelheiten sehr erschwert ist, geglaubt werden.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Schattenseite der großen Verhältnisse.

Lassen wir die Staats-
aktionen des Augenblicks an unserm Geiste vorüberziehen: die Jamesvuprvzeßkomödie,
Panama und Panamino, die allem Anschein nach auf Versumpfung hinauslaufende
Behandlung der Balkaufrage, das Garaus im österreichischen Abgeorduetenhnnse,
das Nänkegespinst, von dem einige Fädchenendeu im Prozeß Tausch zum Vorschein
gekommen sind, die mit unschönen Mitteln geführten Jnteressenkämpfe in allen
Kulturstaaten, so haben wir für den Gesamteindruck mir die Bezeichnung: wider¬
wärtig! Sehen wir dann ans der andern Seite in das Privatleben hinein, in
Familien, Freundeskreise, kleine Erwerbsgenossenschaften und Bnuerngemeiuden, die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Nun zu Ende des Jahres werden Plötzlich sämtliche in den Händen der Unter¬
nehmer befindliche Hypotheken gekündigt. Die armen vertrauensseligen Käufer sind
in wahrer Verzweiflung, und es steht ein großer Krach in Aussicht. Gott gebe,
daß er uicht zu viele Existenzen vernichtet.

Sollte dies Zeugnis nicht genügen, so möge aus neuester Zeit noch
angeführt werden, was in der am 4. Dezember 1896 in Kostin abgehaltnen
Generalversammlung der schon erwähnten pommerschen ökonomischen Gesellschaft
(Seite 21 ihrer Wochenschrift für 1897) ein Mitglied ausführte. „Er erinnere
an die Parzellirnngswut, die seinerzeit im Kolberger Kreise bestanden hätte,
und daran, daß diesen Unternehmungen lediglich die Bezeichnung »ein großer
Schwindel« zukomme. Mit dem Beginn der Thätigkeit der Generalkommission
habe dieses Unwesen ziemlich aufgehört, sei aber auch jetzt noch nicht ganz tot.
Man hätte den Anschein zu erwecken versucht, als ob im Kolberger Kreise eine
neue Ära für die Zukunft der Landwirtschaft angebrochen sei, es wäre gelungen,
dem Abgeordnetenhaus sowohl wie hohen Staatsbeamten Sand in die Augen
zu streuen. Man habe sich nicht gescheut, durch Auflegen von Bibel und
Gesangbuch in den Häusern der Nentengutserwerber diese Unternehmungen als
ein Gott gefälliges Werk zu dokumentiren. Die Generalkvmmission habe damit
zwar ein Ende gemacht, es sei ihr aber nicht gelungen, alles wieder gut zu
machen. Bekannt sei ihm allerdings, daß sie in zwei Füllen schützend ein¬
gegriffen habe usw."

Nach einer Anmerkung der Redaktion der Nation ist der Vrcntanosche
Aufsatz gleichzeitig in einer englischen Zeitschrift, für die er ursprünglich allein
bestimmt war, veröffentlicht worden. Wir glauben im Vorstehenden soviel
Unrichtigkeiten nachgewiesen zu haben, daß man nur bedauern kann, daß diese
nun sogar im Auslande verbreitet und dort, wo doch die Beurteilung der
Einzelheiten sehr erschwert ist, geglaubt werden.




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Schattenseite der großen Verhältnisse.

Lassen wir die Staats-
aktionen des Augenblicks an unserm Geiste vorüberziehen: die Jamesvuprvzeßkomödie,
Panama und Panamino, die allem Anschein nach auf Versumpfung hinauslaufende
Behandlung der Balkaufrage, das Garaus im österreichischen Abgeorduetenhnnse,
das Nänkegespinst, von dem einige Fädchenendeu im Prozeß Tausch zum Vorschein
gekommen sind, die mit unschönen Mitteln geführten Jnteressenkämpfe in allen
Kulturstaaten, so haben wir für den Gesamteindruck mir die Bezeichnung: wider¬
wärtig! Sehen wir dann ans der andern Seite in das Privatleben hinein, in
Familien, Freundeskreise, kleine Erwerbsgenossenschaften und Bnuerngemeiuden, die


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[0498] Maßgebliches und Unmaßgebliches Nun zu Ende des Jahres werden Plötzlich sämtliche in den Händen der Unter¬ nehmer befindliche Hypotheken gekündigt. Die armen vertrauensseligen Käufer sind in wahrer Verzweiflung, und es steht ein großer Krach in Aussicht. Gott gebe, daß er uicht zu viele Existenzen vernichtet. Sollte dies Zeugnis nicht genügen, so möge aus neuester Zeit noch angeführt werden, was in der am 4. Dezember 1896 in Kostin abgehaltnen Generalversammlung der schon erwähnten pommerschen ökonomischen Gesellschaft (Seite 21 ihrer Wochenschrift für 1897) ein Mitglied ausführte. „Er erinnere an die Parzellirnngswut, die seinerzeit im Kolberger Kreise bestanden hätte, und daran, daß diesen Unternehmungen lediglich die Bezeichnung »ein großer Schwindel« zukomme. Mit dem Beginn der Thätigkeit der Generalkommission habe dieses Unwesen ziemlich aufgehört, sei aber auch jetzt noch nicht ganz tot. Man hätte den Anschein zu erwecken versucht, als ob im Kolberger Kreise eine neue Ära für die Zukunft der Landwirtschaft angebrochen sei, es wäre gelungen, dem Abgeordnetenhaus sowohl wie hohen Staatsbeamten Sand in die Augen zu streuen. Man habe sich nicht gescheut, durch Auflegen von Bibel und Gesangbuch in den Häusern der Nentengutserwerber diese Unternehmungen als ein Gott gefälliges Werk zu dokumentiren. Die Generalkvmmission habe damit zwar ein Ende gemacht, es sei ihr aber nicht gelungen, alles wieder gut zu machen. Bekannt sei ihm allerdings, daß sie in zwei Füllen schützend ein¬ gegriffen habe usw." Nach einer Anmerkung der Redaktion der Nation ist der Vrcntanosche Aufsatz gleichzeitig in einer englischen Zeitschrift, für die er ursprünglich allein bestimmt war, veröffentlicht worden. Wir glauben im Vorstehenden soviel Unrichtigkeiten nachgewiesen zu haben, daß man nur bedauern kann, daß diese nun sogar im Auslande verbreitet und dort, wo doch die Beurteilung der Einzelheiten sehr erschwert ist, geglaubt werden. Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Schattenseite der großen Verhältnisse. Lassen wir die Staats- aktionen des Augenblicks an unserm Geiste vorüberziehen: die Jamesvuprvzeßkomödie, Panama und Panamino, die allem Anschein nach auf Versumpfung hinauslaufende Behandlung der Balkaufrage, das Garaus im österreichischen Abgeorduetenhnnse, das Nänkegespinst, von dem einige Fädchenendeu im Prozeß Tausch zum Vorschein gekommen sind, die mit unschönen Mitteln geführten Jnteressenkämpfe in allen Kulturstaaten, so haben wir für den Gesamteindruck mir die Bezeichnung: wider¬ wärtig! Sehen wir dann ans der andern Seite in das Privatleben hinein, in Familien, Freundeskreise, kleine Erwerbsgenossenschaften und Bnuerngemeiuden, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/498>, abgerufen am 23.07.2024.