Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Heimatschutz

Dieser Vers der Fliegenden Blätter paßt genau auf alle diese schönen Dinge.

Natürlich gewordne. ordentlich, aber nicht elegant gehaltne Wege und mit
Maß angebrachte Wegweiser sind gewiß im Gebirge wie im freien Lande will¬
kommen. Wenn aber auf Schritt und Tritt schwarz auf weiß geradezu darum
gebettelt wird, man möge doch nur ja diesen so und so bequemen, kurzen, mit
schattigen Ruheplätzen versehenen Weg einschlagen, um den oder jenen Aussichts¬
punkt zu erreichen, auf dem natürlich ein Hotel oder eine Wirtschaft steht,
so schielt das Interesse der Gastwirte, die auf ihre Rechnung kommen wollen,
so fatal neben der Menschenfreundlichkeit her, daß unser Glaube vollkommen
Schiffbruch leidet.

Eine der schmählichsten Ausgeburten der Fremdenspekulation sind die
Drahtseil- und Zahnradbahnen, die die faulen Vcrgnüglinge scharenweise auf
die Höhen der Berge zu schleppen haben. Wenn schon das Treiben dieser
Art in den Alpen, namentlich in der Schweiz, Ekel erregt, wo selbst die reinen
Schueegesilde der Jungfrau nicht mehr sicher sind vor den vermessenen Plänen
der Ingenieure, so fällt in Deutschland, bei den um so vieles geringern Hvhen-
verhältnissen unsrer Waldgebirge, jede Entschuldigung für dergleichen Unter¬
nehmungen weg. Die Bahnen auf den Drachenfels, den Neroberg bei Wies¬
baden, den Niederwald, an dessen Fuße das reizende Aßmannshausen durch
die Vahnanlage bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist, sind ebenso viele
Schandflecke der deutschen Landschaft, und jetzt stehen gar noch Zahnradbahnen
auf die Schneekoppe und auf den Brocken in Aussicht! Ein für allemal
müßte auf deutschem Boden jede Höhenbahn ausgeschlossen sein, mit der niemand
gedient ist, als dem Bruchteil der Menschheit, den man mit Fug und Recht
Reisepöbel nennt, mögen die Sphären der Gesellschaft, aus denen er sich
rekrutirt, so hoch oder so niedrig sein, wie sie wollen.

Ohne Zweifel wird es in deu unzähligen Gebirgs-, Touristen- und Ver-
schöncrungsvereinen neben den notorischen Spekulanten nicht an Leuten fehlen,
die es ehrlich meinen mit ihrer Naturfreude. Auch wird man dankbar an¬
erkennen müssen, daß von dieser Seite wiederholt nennenswertes geschehen ist,
um ein Stück schöner Natur zu retten. So hat vor allem der Hannöversche
Gebirgsverein kürzlich auf einer Generalversammlung von Touristenvereincn
einen Antrag eingebracht, der sich in dieser Richtung bewegt, auch ist der
Vorsitzende mit dankenswerter Energie -- wenn auch leider ohne verstanden
zu werden -- bemüht gewesen, die Feldmark Hameln vor dem Rasiermesser
der Verkuppelung zu bewahren. Auch die Erhaltung des Petersberges im
Siebengebirge, dessen schöne Gipfellinie eine Gesellschaft durch Anlage von


Heimatschutz

Dieser Vers der Fliegenden Blätter paßt genau auf alle diese schönen Dinge.

Natürlich gewordne. ordentlich, aber nicht elegant gehaltne Wege und mit
Maß angebrachte Wegweiser sind gewiß im Gebirge wie im freien Lande will¬
kommen. Wenn aber auf Schritt und Tritt schwarz auf weiß geradezu darum
gebettelt wird, man möge doch nur ja diesen so und so bequemen, kurzen, mit
schattigen Ruheplätzen versehenen Weg einschlagen, um den oder jenen Aussichts¬
punkt zu erreichen, auf dem natürlich ein Hotel oder eine Wirtschaft steht,
so schielt das Interesse der Gastwirte, die auf ihre Rechnung kommen wollen,
so fatal neben der Menschenfreundlichkeit her, daß unser Glaube vollkommen
Schiffbruch leidet.

Eine der schmählichsten Ausgeburten der Fremdenspekulation sind die
Drahtseil- und Zahnradbahnen, die die faulen Vcrgnüglinge scharenweise auf
die Höhen der Berge zu schleppen haben. Wenn schon das Treiben dieser
Art in den Alpen, namentlich in der Schweiz, Ekel erregt, wo selbst die reinen
Schueegesilde der Jungfrau nicht mehr sicher sind vor den vermessenen Plänen
der Ingenieure, so fällt in Deutschland, bei den um so vieles geringern Hvhen-
verhältnissen unsrer Waldgebirge, jede Entschuldigung für dergleichen Unter¬
nehmungen weg. Die Bahnen auf den Drachenfels, den Neroberg bei Wies¬
baden, den Niederwald, an dessen Fuße das reizende Aßmannshausen durch
die Vahnanlage bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist, sind ebenso viele
Schandflecke der deutschen Landschaft, und jetzt stehen gar noch Zahnradbahnen
auf die Schneekoppe und auf den Brocken in Aussicht! Ein für allemal
müßte auf deutschem Boden jede Höhenbahn ausgeschlossen sein, mit der niemand
gedient ist, als dem Bruchteil der Menschheit, den man mit Fug und Recht
Reisepöbel nennt, mögen die Sphären der Gesellschaft, aus denen er sich
rekrutirt, so hoch oder so niedrig sein, wie sie wollen.

Ohne Zweifel wird es in deu unzähligen Gebirgs-, Touristen- und Ver-
schöncrungsvereinen neben den notorischen Spekulanten nicht an Leuten fehlen,
die es ehrlich meinen mit ihrer Naturfreude. Auch wird man dankbar an¬
erkennen müssen, daß von dieser Seite wiederholt nennenswertes geschehen ist,
um ein Stück schöner Natur zu retten. So hat vor allem der Hannöversche
Gebirgsverein kürzlich auf einer Generalversammlung von Touristenvereincn
einen Antrag eingebracht, der sich in dieser Richtung bewegt, auch ist der
Vorsitzende mit dankenswerter Energie — wenn auch leider ohne verstanden
zu werden — bemüht gewesen, die Feldmark Hameln vor dem Rasiermesser
der Verkuppelung zu bewahren. Auch die Erhaltung des Petersberges im
Siebengebirge, dessen schöne Gipfellinie eine Gesellschaft durch Anlage von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225394"/>
          <fw type="header" place="top"> Heimatschutz</fw><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_12" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_1521"> Dieser Vers der Fliegenden Blätter paßt genau auf alle diese schönen Dinge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1522"> Natürlich gewordne. ordentlich, aber nicht elegant gehaltne Wege und mit<lb/>
Maß angebrachte Wegweiser sind gewiß im Gebirge wie im freien Lande will¬<lb/>
kommen. Wenn aber auf Schritt und Tritt schwarz auf weiß geradezu darum<lb/>
gebettelt wird, man möge doch nur ja diesen so und so bequemen, kurzen, mit<lb/>
schattigen Ruheplätzen versehenen Weg einschlagen, um den oder jenen Aussichts¬<lb/>
punkt zu erreichen, auf dem natürlich ein Hotel oder eine Wirtschaft steht,<lb/>
so schielt das Interesse der Gastwirte, die auf ihre Rechnung kommen wollen,<lb/>
so fatal neben der Menschenfreundlichkeit her, daß unser Glaube vollkommen<lb/>
Schiffbruch leidet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1523"> Eine der schmählichsten Ausgeburten der Fremdenspekulation sind die<lb/>
Drahtseil- und Zahnradbahnen, die die faulen Vcrgnüglinge scharenweise auf<lb/>
die Höhen der Berge zu schleppen haben. Wenn schon das Treiben dieser<lb/>
Art in den Alpen, namentlich in der Schweiz, Ekel erregt, wo selbst die reinen<lb/>
Schueegesilde der Jungfrau nicht mehr sicher sind vor den vermessenen Plänen<lb/>
der Ingenieure, so fällt in Deutschland, bei den um so vieles geringern Hvhen-<lb/>
verhältnissen unsrer Waldgebirge, jede Entschuldigung für dergleichen Unter¬<lb/>
nehmungen weg. Die Bahnen auf den Drachenfels, den Neroberg bei Wies¬<lb/>
baden, den Niederwald, an dessen Fuße das reizende Aßmannshausen durch<lb/>
die Vahnanlage bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist, sind ebenso viele<lb/>
Schandflecke der deutschen Landschaft, und jetzt stehen gar noch Zahnradbahnen<lb/>
auf die Schneekoppe und auf den Brocken in Aussicht! Ein für allemal<lb/>
müßte auf deutschem Boden jede Höhenbahn ausgeschlossen sein, mit der niemand<lb/>
gedient ist, als dem Bruchteil der Menschheit, den man mit Fug und Recht<lb/>
Reisepöbel nennt, mögen die Sphären der Gesellschaft, aus denen er sich<lb/>
rekrutirt, so hoch oder so niedrig sein, wie sie wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1524" next="#ID_1525"> Ohne Zweifel wird es in deu unzähligen Gebirgs-, Touristen- und Ver-<lb/>
schöncrungsvereinen neben den notorischen Spekulanten nicht an Leuten fehlen,<lb/>
die es ehrlich meinen mit ihrer Naturfreude. Auch wird man dankbar an¬<lb/>
erkennen müssen, daß von dieser Seite wiederholt nennenswertes geschehen ist,<lb/>
um ein Stück schöner Natur zu retten. So hat vor allem der Hannöversche<lb/>
Gebirgsverein kürzlich auf einer Generalversammlung von Touristenvereincn<lb/>
einen Antrag eingebracht, der sich in dieser Richtung bewegt, auch ist der<lb/>
Vorsitzende mit dankenswerter Energie &#x2014; wenn auch leider ohne verstanden<lb/>
zu werden &#x2014; bemüht gewesen, die Feldmark Hameln vor dem Rasiermesser<lb/>
der Verkuppelung zu bewahren. Auch die Erhaltung des Petersberges im<lb/>
Siebengebirge, dessen schöne Gipfellinie eine Gesellschaft durch Anlage von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0466] Heimatschutz Dieser Vers der Fliegenden Blätter paßt genau auf alle diese schönen Dinge. Natürlich gewordne. ordentlich, aber nicht elegant gehaltne Wege und mit Maß angebrachte Wegweiser sind gewiß im Gebirge wie im freien Lande will¬ kommen. Wenn aber auf Schritt und Tritt schwarz auf weiß geradezu darum gebettelt wird, man möge doch nur ja diesen so und so bequemen, kurzen, mit schattigen Ruheplätzen versehenen Weg einschlagen, um den oder jenen Aussichts¬ punkt zu erreichen, auf dem natürlich ein Hotel oder eine Wirtschaft steht, so schielt das Interesse der Gastwirte, die auf ihre Rechnung kommen wollen, so fatal neben der Menschenfreundlichkeit her, daß unser Glaube vollkommen Schiffbruch leidet. Eine der schmählichsten Ausgeburten der Fremdenspekulation sind die Drahtseil- und Zahnradbahnen, die die faulen Vcrgnüglinge scharenweise auf die Höhen der Berge zu schleppen haben. Wenn schon das Treiben dieser Art in den Alpen, namentlich in der Schweiz, Ekel erregt, wo selbst die reinen Schueegesilde der Jungfrau nicht mehr sicher sind vor den vermessenen Plänen der Ingenieure, so fällt in Deutschland, bei den um so vieles geringern Hvhen- verhältnissen unsrer Waldgebirge, jede Entschuldigung für dergleichen Unter¬ nehmungen weg. Die Bahnen auf den Drachenfels, den Neroberg bei Wies¬ baden, den Niederwald, an dessen Fuße das reizende Aßmannshausen durch die Vahnanlage bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist, sind ebenso viele Schandflecke der deutschen Landschaft, und jetzt stehen gar noch Zahnradbahnen auf die Schneekoppe und auf den Brocken in Aussicht! Ein für allemal müßte auf deutschem Boden jede Höhenbahn ausgeschlossen sein, mit der niemand gedient ist, als dem Bruchteil der Menschheit, den man mit Fug und Recht Reisepöbel nennt, mögen die Sphären der Gesellschaft, aus denen er sich rekrutirt, so hoch oder so niedrig sein, wie sie wollen. Ohne Zweifel wird es in deu unzähligen Gebirgs-, Touristen- und Ver- schöncrungsvereinen neben den notorischen Spekulanten nicht an Leuten fehlen, die es ehrlich meinen mit ihrer Naturfreude. Auch wird man dankbar an¬ erkennen müssen, daß von dieser Seite wiederholt nennenswertes geschehen ist, um ein Stück schöner Natur zu retten. So hat vor allem der Hannöversche Gebirgsverein kürzlich auf einer Generalversammlung von Touristenvereincn einen Antrag eingebracht, der sich in dieser Richtung bewegt, auch ist der Vorsitzende mit dankenswerter Energie — wenn auch leider ohne verstanden zu werden — bemüht gewesen, die Feldmark Hameln vor dem Rasiermesser der Verkuppelung zu bewahren. Auch die Erhaltung des Petersberges im Siebengebirge, dessen schöne Gipfellinie eine Gesellschaft durch Anlage von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/466
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/466>, abgerufen am 23.07.2024.