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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten zweier Aunstforscher

Der indische Aufenthalt dauerte reichlich zwei Jahre und endete nicht
nur wieder ohne weitere Aussichten, sondern noch dazu mit allerlei körper¬
lichen Leiden infolge des Klimas. Aber gleich nach seiner Ankunft in London
fand er in seinem Klub einen Brief des Leiters der Times, der zu einem
dritten und zwar dem äußerlich glänzendsten Feldzuge des tapfern Journalisten
führte. Der österreichisch-französische Krieg in Italien war gerade ausgebrochen,
und die Schlacht bei Magenta eben geschlagen. Die Times hatte in beiden
Lagern einen Berichterstatter, war aber mit dem auf der österreichischen Seite,
einem Obersten der Armee, nicht zufrieden und wollte ihn durch den bekannten
William Rüssel ersetzen; da aber dieser zur Zeit nicht reiten konnte, so sollte
Crowe statt seiner schleunig gehen, mit achtzig Pfund monatlich und Ersatz
aller Unkosten. Das war freilich verlockender als im Krimkriege, jetzt im kaiser¬
lichen Hauptquartier mit einer Uniformmütze zu reiten, mit zwei Dienstpferden,
Ordonnanzen und einem Wagen versehen, und da kaun man wohl wirklich von
den außergewöhnlich großartigen Umständen einer englischen Berichterstattung
reden, wogegen unsre deutschen Preßverhältnisse auch mit ihren besten Geboten
nicht aufkommen. Man meint es auch dem überlegnen, ich möchte fast sagen
lächelnden Tone dieses italienischen Kriegsjournals anzumerken, welche Sicherheit
dem Berichterstatter seine Stellung giebt. Er beobachtet alle Äußerlichkeiten
und verteilt sie nun mit ruhigem Blick dahin, wo sie in seinem Berichte wirken.
Man möchte meinen, es sei nicht leicht etwas für einen Laien interessanteres
über diesen kurzen Feldzug geschrieben worden. Auch die politische Seite des
Krieges hat ja noch jetzt in der Erinnerung für uns großes Interesse. Crowe
berührt die Politik des Prinzregentcn von Preußen einsichtig und teilnehmend
mit der Kenntnis und den Erfahrungen der bald darauf folgenden Jahre.
Sein Urteil über die österreichische Heeresleitung und die Mannschaften trifft
wohl im ganzen mit der herkömmlichen Meinung überein, aber auch wer die
Zeit mit Interesse erlebt hat und in der Litteratur belesen ist, wird noch durch
vielerlei Einzelheiten gefesselt werden. Ich empfehle besonders die Schilderung
des Rückzugs von Solferino und der Vorbereitungen auf den Frieden von
Villafranca.

Crowe hatte seine Aufgabe glänzend gelöst. Die Andeutungen seiner
Berichte waren nachträglich dnrch Ereignisse bestätigt worden, und die ent¬
scheidenden Thatsachen erschienen nach seiner Darstellung früher in der Zeitung,
als diese die Mitteilungen des Kollegen aus dem französischen Lager bringen
konnte. Trotzdem wäre vielleicht auch diese Leistung ohne einen wesentlichen
Ertrag für das weitere Leben eines so ungewöhnlich begabten Menschen ge¬
blieben, wenn nicht eines Tags im Klub in London ein Freund ihn förmlich
gezwungen Hütte, sich in einem diktirten Briefe an Lord John Russel dem
Ministerium für jede Verwendung zur Verfügung zu stellen. Nach drei Wochen,
im September 1859, erhielt er die Mitteilung, wenn er mit dreißig Schilling


Aus den Denkwürdigkeiten zweier Aunstforscher

Der indische Aufenthalt dauerte reichlich zwei Jahre und endete nicht
nur wieder ohne weitere Aussichten, sondern noch dazu mit allerlei körper¬
lichen Leiden infolge des Klimas. Aber gleich nach seiner Ankunft in London
fand er in seinem Klub einen Brief des Leiters der Times, der zu einem
dritten und zwar dem äußerlich glänzendsten Feldzuge des tapfern Journalisten
führte. Der österreichisch-französische Krieg in Italien war gerade ausgebrochen,
und die Schlacht bei Magenta eben geschlagen. Die Times hatte in beiden
Lagern einen Berichterstatter, war aber mit dem auf der österreichischen Seite,
einem Obersten der Armee, nicht zufrieden und wollte ihn durch den bekannten
William Rüssel ersetzen; da aber dieser zur Zeit nicht reiten konnte, so sollte
Crowe statt seiner schleunig gehen, mit achtzig Pfund monatlich und Ersatz
aller Unkosten. Das war freilich verlockender als im Krimkriege, jetzt im kaiser¬
lichen Hauptquartier mit einer Uniformmütze zu reiten, mit zwei Dienstpferden,
Ordonnanzen und einem Wagen versehen, und da kaun man wohl wirklich von
den außergewöhnlich großartigen Umständen einer englischen Berichterstattung
reden, wogegen unsre deutschen Preßverhältnisse auch mit ihren besten Geboten
nicht aufkommen. Man meint es auch dem überlegnen, ich möchte fast sagen
lächelnden Tone dieses italienischen Kriegsjournals anzumerken, welche Sicherheit
dem Berichterstatter seine Stellung giebt. Er beobachtet alle Äußerlichkeiten
und verteilt sie nun mit ruhigem Blick dahin, wo sie in seinem Berichte wirken.
Man möchte meinen, es sei nicht leicht etwas für einen Laien interessanteres
über diesen kurzen Feldzug geschrieben worden. Auch die politische Seite des
Krieges hat ja noch jetzt in der Erinnerung für uns großes Interesse. Crowe
berührt die Politik des Prinzregentcn von Preußen einsichtig und teilnehmend
mit der Kenntnis und den Erfahrungen der bald darauf folgenden Jahre.
Sein Urteil über die österreichische Heeresleitung und die Mannschaften trifft
wohl im ganzen mit der herkömmlichen Meinung überein, aber auch wer die
Zeit mit Interesse erlebt hat und in der Litteratur belesen ist, wird noch durch
vielerlei Einzelheiten gefesselt werden. Ich empfehle besonders die Schilderung
des Rückzugs von Solferino und der Vorbereitungen auf den Frieden von
Villafranca.

Crowe hatte seine Aufgabe glänzend gelöst. Die Andeutungen seiner
Berichte waren nachträglich dnrch Ereignisse bestätigt worden, und die ent¬
scheidenden Thatsachen erschienen nach seiner Darstellung früher in der Zeitung,
als diese die Mitteilungen des Kollegen aus dem französischen Lager bringen
konnte. Trotzdem wäre vielleicht auch diese Leistung ohne einen wesentlichen
Ertrag für das weitere Leben eines so ungewöhnlich begabten Menschen ge¬
blieben, wenn nicht eines Tags im Klub in London ein Freund ihn förmlich
gezwungen Hütte, sich in einem diktirten Briefe an Lord John Russel dem
Ministerium für jede Verwendung zur Verfügung zu stellen. Nach drei Wochen,
im September 1859, erhielt er die Mitteilung, wenn er mit dreißig Schilling


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[0336] Aus den Denkwürdigkeiten zweier Aunstforscher Der indische Aufenthalt dauerte reichlich zwei Jahre und endete nicht nur wieder ohne weitere Aussichten, sondern noch dazu mit allerlei körper¬ lichen Leiden infolge des Klimas. Aber gleich nach seiner Ankunft in London fand er in seinem Klub einen Brief des Leiters der Times, der zu einem dritten und zwar dem äußerlich glänzendsten Feldzuge des tapfern Journalisten führte. Der österreichisch-französische Krieg in Italien war gerade ausgebrochen, und die Schlacht bei Magenta eben geschlagen. Die Times hatte in beiden Lagern einen Berichterstatter, war aber mit dem auf der österreichischen Seite, einem Obersten der Armee, nicht zufrieden und wollte ihn durch den bekannten William Rüssel ersetzen; da aber dieser zur Zeit nicht reiten konnte, so sollte Crowe statt seiner schleunig gehen, mit achtzig Pfund monatlich und Ersatz aller Unkosten. Das war freilich verlockender als im Krimkriege, jetzt im kaiser¬ lichen Hauptquartier mit einer Uniformmütze zu reiten, mit zwei Dienstpferden, Ordonnanzen und einem Wagen versehen, und da kaun man wohl wirklich von den außergewöhnlich großartigen Umständen einer englischen Berichterstattung reden, wogegen unsre deutschen Preßverhältnisse auch mit ihren besten Geboten nicht aufkommen. Man meint es auch dem überlegnen, ich möchte fast sagen lächelnden Tone dieses italienischen Kriegsjournals anzumerken, welche Sicherheit dem Berichterstatter seine Stellung giebt. Er beobachtet alle Äußerlichkeiten und verteilt sie nun mit ruhigem Blick dahin, wo sie in seinem Berichte wirken. Man möchte meinen, es sei nicht leicht etwas für einen Laien interessanteres über diesen kurzen Feldzug geschrieben worden. Auch die politische Seite des Krieges hat ja noch jetzt in der Erinnerung für uns großes Interesse. Crowe berührt die Politik des Prinzregentcn von Preußen einsichtig und teilnehmend mit der Kenntnis und den Erfahrungen der bald darauf folgenden Jahre. Sein Urteil über die österreichische Heeresleitung und die Mannschaften trifft wohl im ganzen mit der herkömmlichen Meinung überein, aber auch wer die Zeit mit Interesse erlebt hat und in der Litteratur belesen ist, wird noch durch vielerlei Einzelheiten gefesselt werden. Ich empfehle besonders die Schilderung des Rückzugs von Solferino und der Vorbereitungen auf den Frieden von Villafranca. Crowe hatte seine Aufgabe glänzend gelöst. Die Andeutungen seiner Berichte waren nachträglich dnrch Ereignisse bestätigt worden, und die ent¬ scheidenden Thatsachen erschienen nach seiner Darstellung früher in der Zeitung, als diese die Mitteilungen des Kollegen aus dem französischen Lager bringen konnte. Trotzdem wäre vielleicht auch diese Leistung ohne einen wesentlichen Ertrag für das weitere Leben eines so ungewöhnlich begabten Menschen ge¬ blieben, wenn nicht eines Tags im Klub in London ein Freund ihn förmlich gezwungen Hütte, sich in einem diktirten Briefe an Lord John Russel dem Ministerium für jede Verwendung zur Verfügung zu stellen. Nach drei Wochen, im September 1859, erhielt er die Mitteilung, wenn er mit dreißig Schilling

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/336>, abgerufen am 23.07.2024.