Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Teilung der Provinz Posen

er im Herbst des vorigen Jahres in Opcilenitzci vorgefallne, als
Landfriedensbruch behandelte Krawall und das ganz ausgesprochen
deutschfeindliche Verhalten des Propstes Szadzynski aus Witaszhee
haben die Polenfrage auch für die ihr ferner stehenden Kreise
wieder in den Vordergrund gerückt. Im Anschlusse besonders
an den erstern Vorfall wurden in der Tagespresse neben Angriffen auf die
vermeintlich schlaffe Haltung der Regierung wie immer bei derartigen außer¬
gewöhnlichen Anlässen Reformvorschläge gebracht, die die Übergriffe des Polen-
tums niederdrücken und das in letzter Zeit so stark zurückgedrängte Deutsch¬
tum schützen und fordern sollen. Von den in dieser Frage schon immer ge¬
gebnen billigen Ratschlägen hat die brauchbaren die Regierung schon längst, am
entschiedensten wohl unter Bismarck, benutzt, sobald sie einen sichern Erfolg
erwarten ließen. Die von den andern Provinzen abweichende Organisation
des Staats- und Kommunalverwaltungswesens, die besondre Gestaltung des
Volksschulnnterrichts, die Gewährung von Stipendien an Studirende deutscher
Nationalität unter der Bedingung des spätern Verbleibens in der Provinz
Posen, die Einstellung einer großen Zahl polnischer Rekruten in die außerhalb
der Provinz Posen liegenden Regimenter, die Ansiedlung deutscher Bauern
auf den aus polnischen Händen erworbnen Landgütern durch die königliche
Ansiedlungskommission und dergleichen mehr -- das alles sind Einrichtungen,
die durch die staatsfeindliche Haltung der Polen hervorgerufen zur Germani-
sirung der dortigen Bevölkerung und zum Schutze des Deutschtums in der
Provinz Posen getroffen worden sind. Der Erfolg war freilich bei weitem
nicht der gewünschte; denn das Polentum ist trotz alledem in stetem Wachsen
begriffen, weil, abgesehen von der Vermehrung und von dem Zuzug der


Grenzboten II 1897 3Z


Die Teilung der Provinz Posen

er im Herbst des vorigen Jahres in Opcilenitzci vorgefallne, als
Landfriedensbruch behandelte Krawall und das ganz ausgesprochen
deutschfeindliche Verhalten des Propstes Szadzynski aus Witaszhee
haben die Polenfrage auch für die ihr ferner stehenden Kreise
wieder in den Vordergrund gerückt. Im Anschlusse besonders
an den erstern Vorfall wurden in der Tagespresse neben Angriffen auf die
vermeintlich schlaffe Haltung der Regierung wie immer bei derartigen außer¬
gewöhnlichen Anlässen Reformvorschläge gebracht, die die Übergriffe des Polen-
tums niederdrücken und das in letzter Zeit so stark zurückgedrängte Deutsch¬
tum schützen und fordern sollen. Von den in dieser Frage schon immer ge¬
gebnen billigen Ratschlägen hat die brauchbaren die Regierung schon längst, am
entschiedensten wohl unter Bismarck, benutzt, sobald sie einen sichern Erfolg
erwarten ließen. Die von den andern Provinzen abweichende Organisation
des Staats- und Kommunalverwaltungswesens, die besondre Gestaltung des
Volksschulnnterrichts, die Gewährung von Stipendien an Studirende deutscher
Nationalität unter der Bedingung des spätern Verbleibens in der Provinz
Posen, die Einstellung einer großen Zahl polnischer Rekruten in die außerhalb
der Provinz Posen liegenden Regimenter, die Ansiedlung deutscher Bauern
auf den aus polnischen Händen erworbnen Landgütern durch die königliche
Ansiedlungskommission und dergleichen mehr — das alles sind Einrichtungen,
die durch die staatsfeindliche Haltung der Polen hervorgerufen zur Germani-
sirung der dortigen Bevölkerung und zum Schutze des Deutschtums in der
Provinz Posen getroffen worden sind. Der Erfolg war freilich bei weitem
nicht der gewünschte; denn das Polentum ist trotz alledem in stetem Wachsen
begriffen, weil, abgesehen von der Vermehrung und von dem Zuzug der


Grenzboten II 1897 3Z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225193"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_224927/figures/grenzboten_341865_224927_225193_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Teilung der Provinz Posen</head><lb/>
          <p xml:id="ID_888" next="#ID_889"> er im Herbst des vorigen Jahres in Opcilenitzci vorgefallne, als<lb/>
Landfriedensbruch behandelte Krawall und das ganz ausgesprochen<lb/>
deutschfeindliche Verhalten des Propstes Szadzynski aus Witaszhee<lb/>
haben die Polenfrage auch für die ihr ferner stehenden Kreise<lb/>
wieder in den Vordergrund gerückt. Im Anschlusse besonders<lb/>
an den erstern Vorfall wurden in der Tagespresse neben Angriffen auf die<lb/>
vermeintlich schlaffe Haltung der Regierung wie immer bei derartigen außer¬<lb/>
gewöhnlichen Anlässen Reformvorschläge gebracht, die die Übergriffe des Polen-<lb/>
tums niederdrücken und das in letzter Zeit so stark zurückgedrängte Deutsch¬<lb/>
tum schützen und fordern sollen. Von den in dieser Frage schon immer ge¬<lb/>
gebnen billigen Ratschlägen hat die brauchbaren die Regierung schon längst, am<lb/>
entschiedensten wohl unter Bismarck, benutzt, sobald sie einen sichern Erfolg<lb/>
erwarten ließen. Die von den andern Provinzen abweichende Organisation<lb/>
des Staats- und Kommunalverwaltungswesens, die besondre Gestaltung des<lb/>
Volksschulnnterrichts, die Gewährung von Stipendien an Studirende deutscher<lb/>
Nationalität unter der Bedingung des spätern Verbleibens in der Provinz<lb/>
Posen, die Einstellung einer großen Zahl polnischer Rekruten in die außerhalb<lb/>
der Provinz Posen liegenden Regimenter, die Ansiedlung deutscher Bauern<lb/>
auf den aus polnischen Händen erworbnen Landgütern durch die königliche<lb/>
Ansiedlungskommission und dergleichen mehr &#x2014; das alles sind Einrichtungen,<lb/>
die durch die staatsfeindliche Haltung der Polen hervorgerufen zur Germani-<lb/>
sirung der dortigen Bevölkerung und zum Schutze des Deutschtums in der<lb/>
Provinz Posen getroffen worden sind. Der Erfolg war freilich bei weitem<lb/>
nicht der gewünschte; denn das Polentum ist trotz alledem in stetem Wachsen<lb/>
begriffen, weil, abgesehen von der Vermehrung und von dem Zuzug der</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1897 3Z</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] [Abbildung] Die Teilung der Provinz Posen er im Herbst des vorigen Jahres in Opcilenitzci vorgefallne, als Landfriedensbruch behandelte Krawall und das ganz ausgesprochen deutschfeindliche Verhalten des Propstes Szadzynski aus Witaszhee haben die Polenfrage auch für die ihr ferner stehenden Kreise wieder in den Vordergrund gerückt. Im Anschlusse besonders an den erstern Vorfall wurden in der Tagespresse neben Angriffen auf die vermeintlich schlaffe Haltung der Regierung wie immer bei derartigen außer¬ gewöhnlichen Anlässen Reformvorschläge gebracht, die die Übergriffe des Polen- tums niederdrücken und das in letzter Zeit so stark zurückgedrängte Deutsch¬ tum schützen und fordern sollen. Von den in dieser Frage schon immer ge¬ gebnen billigen Ratschlägen hat die brauchbaren die Regierung schon längst, am entschiedensten wohl unter Bismarck, benutzt, sobald sie einen sichern Erfolg erwarten ließen. Die von den andern Provinzen abweichende Organisation des Staats- und Kommunalverwaltungswesens, die besondre Gestaltung des Volksschulnnterrichts, die Gewährung von Stipendien an Studirende deutscher Nationalität unter der Bedingung des spätern Verbleibens in der Provinz Posen, die Einstellung einer großen Zahl polnischer Rekruten in die außerhalb der Provinz Posen liegenden Regimenter, die Ansiedlung deutscher Bauern auf den aus polnischen Händen erworbnen Landgütern durch die königliche Ansiedlungskommission und dergleichen mehr — das alles sind Einrichtungen, die durch die staatsfeindliche Haltung der Polen hervorgerufen zur Germani- sirung der dortigen Bevölkerung und zum Schutze des Deutschtums in der Provinz Posen getroffen worden sind. Der Erfolg war freilich bei weitem nicht der gewünschte; denn das Polentum ist trotz alledem in stetem Wachsen begriffen, weil, abgesehen von der Vermehrung und von dem Zuzug der Grenzboten II 1897 3Z

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/265>, abgerufen am 23.07.2024.