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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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<Lecil Rhodes

die Sache nicht besser. Auf die Frage, ob das Unternehmen nicht eine Ver¬
letzung des Vertrags von London gewesen sei, antwortete er: Ja, aber wenn
man bedenkt, daß die Regierungen ihre ganze Zeit damit zubringen, Verträge
zu machen und wieder zu zerreißen, so braucht man nicht viel Aufhebens davon
zu machen. Nun, in England, darin hat er Recht, macht man nicht viel
Aufhebens davon; wenn aber auf Seiten der Boeren die leiseste Andeutung
von einer Änderung des Vertrags gewagt wird, nimmt man den Mund voll
von Vertragstreue. Man fühlt nur als Bitterkeit, daß der schöne Plan mi߬
lang, und die verhaßte Boerenrepublik noch immer besteht.

Mit großem Geschick hat Rhodes als Beweggrund seines Unternehmens
den Gedanken der Einigung Südafrikas in die Welt gesetzt. Nach Jcnneson
hat Rhodes große Zuneigung zu den Holländern. Er will sie versöhnen, er
will gerecht gegen sie sein, aber -- die britische Nasse soll herrschen. Das
ist es! Versöhnung, aber die Versöhnung der Spinne mit der Fliege. Die
Boeren haben eine gerechtfertigte Abneigung gegen eine solche Versöhnung.
Zweimal haben sie ihre Sitze verlassen, um unabhängig, unter eigner Flagge
zu leben und ihre Sprache zu erhalten, sie haben ihre Unabhängigkeit mit
der Waffe verteidigt; sollen sie sie jetzt aufgeben, um sich von England auf-
fressen zu lassen?

Die blöde sogenannte öffentliche Meinung von England, die zum Teil
von Rhodes und seinen Leuten gemacht wird, mag, soviel sie will, von den
unterdrückten Johannisburgern reden, sie gräbt damit nur der eignen Sache
das Grab. Auch die Lügen von deutschen Umtrieben, die von Rhodes erfunden
wurden, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, sind wie Seifenblasen
zersprungen, und was übrig bleibt, ist die nackte Thatsache, daß England den
Versuch gemacht hat und noch immer macht, den holländischen Volksstamm
in Südafrika zu vergewaltigen. Wir sagen England; denn die große Masse
des englischen Volks ist durch deutschfeindliche jingoistische Hetzereien, die nicht
ohne Beihilfe der Negierung vor sich gingen (Erklärungen Balfours und
Chamberlains im Parlament und das berühmte fliegende Geschwader), dahin
gebracht werden, daß sie in Rhodes den Verfechter englischen Rechts gegen
fremde Anmaßung und Bedrückung sieht.

Es ist kein Zweifel, daß Rhodes nach Südafrika zurückkehren und dort
seinen Pfad weiterverfolgen wird; aber wohlthätig wird sein Wirken nicht sein.
Eine Einigung Südafrikas wird er nicht zuwege bringen. Im Gegenteil, die
Holländer, vertreten durch den Afrikanderbund, sehen in ihm von nun an ihren
Gegner. Jahrelang haben sie ihn unterstützt, weil sie in ihm einen Mann zu
sehen glaubten, der ihnen wohlgesinnt wäre. Jetzt sind ihnen die Augen geöffnet,
sie erkennen den Pferdefuß des Pananglismus.

Kindliche Gemüter haben geglaubt, die Untersuchung in London werde
Rhodes für die Zukunft unmöglich machen. Sie wird ihm aber eher nützen


<Lecil Rhodes

die Sache nicht besser. Auf die Frage, ob das Unternehmen nicht eine Ver¬
letzung des Vertrags von London gewesen sei, antwortete er: Ja, aber wenn
man bedenkt, daß die Regierungen ihre ganze Zeit damit zubringen, Verträge
zu machen und wieder zu zerreißen, so braucht man nicht viel Aufhebens davon
zu machen. Nun, in England, darin hat er Recht, macht man nicht viel
Aufhebens davon; wenn aber auf Seiten der Boeren die leiseste Andeutung
von einer Änderung des Vertrags gewagt wird, nimmt man den Mund voll
von Vertragstreue. Man fühlt nur als Bitterkeit, daß der schöne Plan mi߬
lang, und die verhaßte Boerenrepublik noch immer besteht.

Mit großem Geschick hat Rhodes als Beweggrund seines Unternehmens
den Gedanken der Einigung Südafrikas in die Welt gesetzt. Nach Jcnneson
hat Rhodes große Zuneigung zu den Holländern. Er will sie versöhnen, er
will gerecht gegen sie sein, aber — die britische Nasse soll herrschen. Das
ist es! Versöhnung, aber die Versöhnung der Spinne mit der Fliege. Die
Boeren haben eine gerechtfertigte Abneigung gegen eine solche Versöhnung.
Zweimal haben sie ihre Sitze verlassen, um unabhängig, unter eigner Flagge
zu leben und ihre Sprache zu erhalten, sie haben ihre Unabhängigkeit mit
der Waffe verteidigt; sollen sie sie jetzt aufgeben, um sich von England auf-
fressen zu lassen?

Die blöde sogenannte öffentliche Meinung von England, die zum Teil
von Rhodes und seinen Leuten gemacht wird, mag, soviel sie will, von den
unterdrückten Johannisburgern reden, sie gräbt damit nur der eignen Sache
das Grab. Auch die Lügen von deutschen Umtrieben, die von Rhodes erfunden
wurden, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, sind wie Seifenblasen
zersprungen, und was übrig bleibt, ist die nackte Thatsache, daß England den
Versuch gemacht hat und noch immer macht, den holländischen Volksstamm
in Südafrika zu vergewaltigen. Wir sagen England; denn die große Masse
des englischen Volks ist durch deutschfeindliche jingoistische Hetzereien, die nicht
ohne Beihilfe der Negierung vor sich gingen (Erklärungen Balfours und
Chamberlains im Parlament und das berühmte fliegende Geschwader), dahin
gebracht werden, daß sie in Rhodes den Verfechter englischen Rechts gegen
fremde Anmaßung und Bedrückung sieht.

Es ist kein Zweifel, daß Rhodes nach Südafrika zurückkehren und dort
seinen Pfad weiterverfolgen wird; aber wohlthätig wird sein Wirken nicht sein.
Eine Einigung Südafrikas wird er nicht zuwege bringen. Im Gegenteil, die
Holländer, vertreten durch den Afrikanderbund, sehen in ihm von nun an ihren
Gegner. Jahrelang haben sie ihn unterstützt, weil sie in ihm einen Mann zu
sehen glaubten, der ihnen wohlgesinnt wäre. Jetzt sind ihnen die Augen geöffnet,
sie erkennen den Pferdefuß des Pananglismus.

Kindliche Gemüter haben geglaubt, die Untersuchung in London werde
Rhodes für die Zukunft unmöglich machen. Sie wird ihm aber eher nützen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/178>, abgerufen am 23.07.2024.