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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Lecil Rhodes

soviel. Das genügt, um zu zeigen, mit wie viel Wahrheitsliebe der Kampf
gegen Transvaal geführt wird. Daß berechtigte Beschwerden vorhanden sind,
leugnet niemand, aber sie sind nicht so groß, daß sie solche Mittel rechtfertigten,
wie sie angewendet worden sind, und Goldgräber sind nicht immer Vertrauen
erweckende Leute. England wäre das letzte Land in der Welt, einem fremden
Haufen, der an dem Gedeihen des Landes keinen Anteil nimmt, sondern fort¬
geht, sobald er Geld gewonnen hat, politischen Einfluß zu gewähren. In den
Jahren der britischen Okkupation von Transvaal, 1877 bis 1880, ist es Eng¬
land uicht eingefallen, den Boeren eine Volksvertretung zu gewähren. Sie
wurden als eine rechtlose, unterworfne, unmündige Rasse behandelt. Kann
man sich wundern, daß Krüger den Engländern nicht traut und von englischer
Gerechtigkeit nicht mehr erwartet, als er mit der Flinte in der Faust erzwingen
und behaupten kann?

Um die Stimmberechtigung der Goldgräber von Johcmnisburg war es
aber Rhodes auch wenig zu thun. Es wollte das Land mit seinen Goldminen
haben. John Bull läßt sich von ein paar schönen Phrasen über Gerechtigkeit
auch für die ungerechteste Sache ködern. Daher wurde der schöne Bries ver¬
einbart, der Jmuesvn einlud, englische Frauen und Kinder vor der Abschlachtuug
durch deu grimmen Oven Paul zu schützen. Wenn die Bewegung in Johannis-
burg wirklich Grund gehabt hätte, die Erhebung wäre nicht ausgebrannt wie
ein feuchter Schwärmer. Es war geschickte Mache, aber eben nur Mache, die
nur Hütte gelingen können, wenn alle Teile des Komplotts genau zusammen¬
gepaßt hatten.

Rhodes leugnet nicht, daß er die Erhebung mit Geld unterstützt und den
Sturz der Transvaalregierung geplant hat; nur die Verantwortung für den
Zug Jamesons gerade zu der Zeit lehnt er ab, obwohl er vou Jamesons
Vorbereitungen uicht nur wußte, sondern sie selbst angeordnet hatte.

Nach allem, was wir von Rhodes wissen, ist das wohl glaublich. Auch
für den Matabelekrieg war er nicht unmittelbar verantwortlich. Er hatte
damals Jameson mit allem Nötigen versehen; aber als dieser um weitere An¬
weisung ersuchte, telegraphirte er kurz: Siehe Lukas 14, 31. Jameson schlug
nach und fand: "Oder welcher König will sich begeben in einen Streit wider
einen andern König und sitzt nicht zuvor und ratschlagt, ob er könne mit zehn¬
tausend begegnen dem, der über ihn kommt mit zwanzigtausend?" Rhodes
meinte: Du bist an Ort und Stelle, du mußt selbst schätzen, ob du mit deinen
Kräften imstande bist, die Matabele zu schlagen. Jameson verstand, sah. ging
und siegte. In gleicher Weise ließ Rhodes seinem Vertrauten in dem Zuge
gegen Transvaal freie Hand; aber die Mine versagte in Johannisburg,
Jameson war nur mangelhaft unterrichtet, er wagte und -- verlor.

Über die Verwerflichkeit des ganzen Anschlags kann kein Zweifel sein, und
der Cynismus, den Rhodes vor dem Untersuchungsausschuß entwickelte, macht


Grenzboten II 1897 W
Lecil Rhodes

soviel. Das genügt, um zu zeigen, mit wie viel Wahrheitsliebe der Kampf
gegen Transvaal geführt wird. Daß berechtigte Beschwerden vorhanden sind,
leugnet niemand, aber sie sind nicht so groß, daß sie solche Mittel rechtfertigten,
wie sie angewendet worden sind, und Goldgräber sind nicht immer Vertrauen
erweckende Leute. England wäre das letzte Land in der Welt, einem fremden
Haufen, der an dem Gedeihen des Landes keinen Anteil nimmt, sondern fort¬
geht, sobald er Geld gewonnen hat, politischen Einfluß zu gewähren. In den
Jahren der britischen Okkupation von Transvaal, 1877 bis 1880, ist es Eng¬
land uicht eingefallen, den Boeren eine Volksvertretung zu gewähren. Sie
wurden als eine rechtlose, unterworfne, unmündige Rasse behandelt. Kann
man sich wundern, daß Krüger den Engländern nicht traut und von englischer
Gerechtigkeit nicht mehr erwartet, als er mit der Flinte in der Faust erzwingen
und behaupten kann?

Um die Stimmberechtigung der Goldgräber von Johcmnisburg war es
aber Rhodes auch wenig zu thun. Es wollte das Land mit seinen Goldminen
haben. John Bull läßt sich von ein paar schönen Phrasen über Gerechtigkeit
auch für die ungerechteste Sache ködern. Daher wurde der schöne Bries ver¬
einbart, der Jmuesvn einlud, englische Frauen und Kinder vor der Abschlachtuug
durch deu grimmen Oven Paul zu schützen. Wenn die Bewegung in Johannis-
burg wirklich Grund gehabt hätte, die Erhebung wäre nicht ausgebrannt wie
ein feuchter Schwärmer. Es war geschickte Mache, aber eben nur Mache, die
nur Hütte gelingen können, wenn alle Teile des Komplotts genau zusammen¬
gepaßt hatten.

Rhodes leugnet nicht, daß er die Erhebung mit Geld unterstützt und den
Sturz der Transvaalregierung geplant hat; nur die Verantwortung für den
Zug Jamesons gerade zu der Zeit lehnt er ab, obwohl er vou Jamesons
Vorbereitungen uicht nur wußte, sondern sie selbst angeordnet hatte.

Nach allem, was wir von Rhodes wissen, ist das wohl glaublich. Auch
für den Matabelekrieg war er nicht unmittelbar verantwortlich. Er hatte
damals Jameson mit allem Nötigen versehen; aber als dieser um weitere An¬
weisung ersuchte, telegraphirte er kurz: Siehe Lukas 14, 31. Jameson schlug
nach und fand: „Oder welcher König will sich begeben in einen Streit wider
einen andern König und sitzt nicht zuvor und ratschlagt, ob er könne mit zehn¬
tausend begegnen dem, der über ihn kommt mit zwanzigtausend?" Rhodes
meinte: Du bist an Ort und Stelle, du mußt selbst schätzen, ob du mit deinen
Kräften imstande bist, die Matabele zu schlagen. Jameson verstand, sah. ging
und siegte. In gleicher Weise ließ Rhodes seinem Vertrauten in dem Zuge
gegen Transvaal freie Hand; aber die Mine versagte in Johannisburg,
Jameson war nur mangelhaft unterrichtet, er wagte und — verlor.

Über die Verwerflichkeit des ganzen Anschlags kann kein Zweifel sein, und
der Cynismus, den Rhodes vor dem Untersuchungsausschuß entwickelte, macht


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[0177] Lecil Rhodes soviel. Das genügt, um zu zeigen, mit wie viel Wahrheitsliebe der Kampf gegen Transvaal geführt wird. Daß berechtigte Beschwerden vorhanden sind, leugnet niemand, aber sie sind nicht so groß, daß sie solche Mittel rechtfertigten, wie sie angewendet worden sind, und Goldgräber sind nicht immer Vertrauen erweckende Leute. England wäre das letzte Land in der Welt, einem fremden Haufen, der an dem Gedeihen des Landes keinen Anteil nimmt, sondern fort¬ geht, sobald er Geld gewonnen hat, politischen Einfluß zu gewähren. In den Jahren der britischen Okkupation von Transvaal, 1877 bis 1880, ist es Eng¬ land uicht eingefallen, den Boeren eine Volksvertretung zu gewähren. Sie wurden als eine rechtlose, unterworfne, unmündige Rasse behandelt. Kann man sich wundern, daß Krüger den Engländern nicht traut und von englischer Gerechtigkeit nicht mehr erwartet, als er mit der Flinte in der Faust erzwingen und behaupten kann? Um die Stimmberechtigung der Goldgräber von Johcmnisburg war es aber Rhodes auch wenig zu thun. Es wollte das Land mit seinen Goldminen haben. John Bull läßt sich von ein paar schönen Phrasen über Gerechtigkeit auch für die ungerechteste Sache ködern. Daher wurde der schöne Bries ver¬ einbart, der Jmuesvn einlud, englische Frauen und Kinder vor der Abschlachtuug durch deu grimmen Oven Paul zu schützen. Wenn die Bewegung in Johannis- burg wirklich Grund gehabt hätte, die Erhebung wäre nicht ausgebrannt wie ein feuchter Schwärmer. Es war geschickte Mache, aber eben nur Mache, die nur Hütte gelingen können, wenn alle Teile des Komplotts genau zusammen¬ gepaßt hatten. Rhodes leugnet nicht, daß er die Erhebung mit Geld unterstützt und den Sturz der Transvaalregierung geplant hat; nur die Verantwortung für den Zug Jamesons gerade zu der Zeit lehnt er ab, obwohl er vou Jamesons Vorbereitungen uicht nur wußte, sondern sie selbst angeordnet hatte. Nach allem, was wir von Rhodes wissen, ist das wohl glaublich. Auch für den Matabelekrieg war er nicht unmittelbar verantwortlich. Er hatte damals Jameson mit allem Nötigen versehen; aber als dieser um weitere An¬ weisung ersuchte, telegraphirte er kurz: Siehe Lukas 14, 31. Jameson schlug nach und fand: „Oder welcher König will sich begeben in einen Streit wider einen andern König und sitzt nicht zuvor und ratschlagt, ob er könne mit zehn¬ tausend begegnen dem, der über ihn kommt mit zwanzigtausend?" Rhodes meinte: Du bist an Ort und Stelle, du mußt selbst schätzen, ob du mit deinen Kräften imstande bist, die Matabele zu schlagen. Jameson verstand, sah. ging und siegte. In gleicher Weise ließ Rhodes seinem Vertrauten in dem Zuge gegen Transvaal freie Hand; aber die Mine versagte in Johannisburg, Jameson war nur mangelhaft unterrichtet, er wagte und — verlor. Über die Verwerflichkeit des ganzen Anschlags kann kein Zweifel sein, und der Cynismus, den Rhodes vor dem Untersuchungsausschuß entwickelte, macht Grenzboten II 1897 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/177>, abgerufen am 23.07.2024.