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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte Sonntagsruhe der Postbeamten

diente freie Zeit nicht noch besonders mit der Bezeichnung "Sonntagsruhe."
Das ist der einzige Unterschied gegen früher. Bemerkt muß noch werden, daß
ganz freie Tage in der Regel nur auf einen vollen Nachtdienst folgen und
halb freie Tage durch eine vorhergegcmgne oder nachfolgende Arbeitszeit von
sieben- bis achtstündiger Dauer erkauft werden müssen.

Die Amtsvorsteher vertieften sich also in die Umarbeitung der Stunden¬
pläne, ein Geschäft, das um so mühseliger und zeitraubeuder ist, je mehr
Beamte und Unterbeamte einer Postanstalt zugeteilt sind. Aber es stellte sich
bald heraus, daß die von hoher Stelle ansgegangne Anordnung vielfach nicht
durchführbar war. Das gesamte Personal abwechselnd an den Sonntagen
dienstfrei zu machen, ist eben nur dann möglich, wenn von den feststehenden
Leistungen infolge der eintretenden Verkehrsbeschränknngen möglichst viele weg¬
fallen. Das ist leider nicht der Fall. Die Postschalter werden zwar in der Zeit
von nenn Uhr vormittags bis fünf Uhr nachmittags mit Unterbrechung einer für
die Annahme von Telegrammen bestimmten Stunde geschlossen, die Brief- und
Paketbestellung wird auf die Vormittage beschränkt, aber im Innern der Post¬
Häuser und auf den Bahnhöfen haftet der Betrieb weiter. Bei Postanstalten
geringern Geschäftsumfangs laßt sich daher an den Sonntagen nur selten eine
Ersparnis an Arbeitskräften erreichen, dagegen kann bei Postanstalten mit be-
deutenderen Verkehr, bei denen Wochentags an ein und derselben Dienststelle
mehrere Beamte gleichzeitig arbeiten, hie und da Sonntags eine Kraft ein¬
gezogen werden. Namentlich im Unterbeamtendienst fallen, wenn wir vom Bestell¬
personal absehen, Sonntags verhältnismüßig wenig feststehende Leistungen weg,
sodaß sich die Unterbeamten auch nicht annähernd in dem bestimmten Umfange
dienstfrei machen ließen. Das ungünstige Ergebnis mußte natürlich in den
einzureichenden Nachweisungen zum Ausdruck gebracht werden.

Nun entspann sich ein endloser Schriftwechsel zwischen den Obcrpost-
direktionen und den Ortspostanstalten. Mit mehr oder minder deutlich und
freundlich abgefaßten Begleitschreiben gelangten die Nachweisungen zum zweiten
und drittenmal an die Postanstalten zurück, die Dienstpläne wurden nochmals
und abermals durchgearbeitet, die Amtsvorsteher änderten, besserten und
künstelten in den Nachweisungen, soweit sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren
konnten. Aber wenn sich auch das Ergebnis -- ob in Wirklichkeit oder nur
scheinbar, bleibe dahingestellt -- etwas gebessert hatte, in vollem Umfange war
die Dienstbefreinng sür die Sonntage immer uoch nicht durchgeführt. Darauf
erhielt der Bezirkspostinspektor den Auftrag, die Sachlage zu prüfen, und erst
nachdem dieser bestätigt hatte, daß die Angaben der Amtsvorsteher zutreffend
seien, wurde die Einstellung eines oder mehrerer Aushelfer für die Sonntage
genehmigt. .

Leute, die sich der Postverwaltung nur für diesen Tag der Woche gegen
das übliche Entgelt von zwei Mark zur Verfügung stellen, sind im allgemeinen


Die sogenannte Sonntagsruhe der Postbeamten

diente freie Zeit nicht noch besonders mit der Bezeichnung „Sonntagsruhe."
Das ist der einzige Unterschied gegen früher. Bemerkt muß noch werden, daß
ganz freie Tage in der Regel nur auf einen vollen Nachtdienst folgen und
halb freie Tage durch eine vorhergegcmgne oder nachfolgende Arbeitszeit von
sieben- bis achtstündiger Dauer erkauft werden müssen.

Die Amtsvorsteher vertieften sich also in die Umarbeitung der Stunden¬
pläne, ein Geschäft, das um so mühseliger und zeitraubeuder ist, je mehr
Beamte und Unterbeamte einer Postanstalt zugeteilt sind. Aber es stellte sich
bald heraus, daß die von hoher Stelle ansgegangne Anordnung vielfach nicht
durchführbar war. Das gesamte Personal abwechselnd an den Sonntagen
dienstfrei zu machen, ist eben nur dann möglich, wenn von den feststehenden
Leistungen infolge der eintretenden Verkehrsbeschränknngen möglichst viele weg¬
fallen. Das ist leider nicht der Fall. Die Postschalter werden zwar in der Zeit
von nenn Uhr vormittags bis fünf Uhr nachmittags mit Unterbrechung einer für
die Annahme von Telegrammen bestimmten Stunde geschlossen, die Brief- und
Paketbestellung wird auf die Vormittage beschränkt, aber im Innern der Post¬
Häuser und auf den Bahnhöfen haftet der Betrieb weiter. Bei Postanstalten
geringern Geschäftsumfangs laßt sich daher an den Sonntagen nur selten eine
Ersparnis an Arbeitskräften erreichen, dagegen kann bei Postanstalten mit be-
deutenderen Verkehr, bei denen Wochentags an ein und derselben Dienststelle
mehrere Beamte gleichzeitig arbeiten, hie und da Sonntags eine Kraft ein¬
gezogen werden. Namentlich im Unterbeamtendienst fallen, wenn wir vom Bestell¬
personal absehen, Sonntags verhältnismüßig wenig feststehende Leistungen weg,
sodaß sich die Unterbeamten auch nicht annähernd in dem bestimmten Umfange
dienstfrei machen ließen. Das ungünstige Ergebnis mußte natürlich in den
einzureichenden Nachweisungen zum Ausdruck gebracht werden.

Nun entspann sich ein endloser Schriftwechsel zwischen den Obcrpost-
direktionen und den Ortspostanstalten. Mit mehr oder minder deutlich und
freundlich abgefaßten Begleitschreiben gelangten die Nachweisungen zum zweiten
und drittenmal an die Postanstalten zurück, die Dienstpläne wurden nochmals
und abermals durchgearbeitet, die Amtsvorsteher änderten, besserten und
künstelten in den Nachweisungen, soweit sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren
konnten. Aber wenn sich auch das Ergebnis — ob in Wirklichkeit oder nur
scheinbar, bleibe dahingestellt — etwas gebessert hatte, in vollem Umfange war
die Dienstbefreinng sür die Sonntage immer uoch nicht durchgeführt. Darauf
erhielt der Bezirkspostinspektor den Auftrag, die Sachlage zu prüfen, und erst
nachdem dieser bestätigt hatte, daß die Angaben der Amtsvorsteher zutreffend
seien, wurde die Einstellung eines oder mehrerer Aushelfer für die Sonntage
genehmigt. .

Leute, die sich der Postverwaltung nur für diesen Tag der Woche gegen
das übliche Entgelt von zwei Mark zur Verfügung stellen, sind im allgemeinen


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[0085] Die sogenannte Sonntagsruhe der Postbeamten diente freie Zeit nicht noch besonders mit der Bezeichnung „Sonntagsruhe." Das ist der einzige Unterschied gegen früher. Bemerkt muß noch werden, daß ganz freie Tage in der Regel nur auf einen vollen Nachtdienst folgen und halb freie Tage durch eine vorhergegcmgne oder nachfolgende Arbeitszeit von sieben- bis achtstündiger Dauer erkauft werden müssen. Die Amtsvorsteher vertieften sich also in die Umarbeitung der Stunden¬ pläne, ein Geschäft, das um so mühseliger und zeitraubeuder ist, je mehr Beamte und Unterbeamte einer Postanstalt zugeteilt sind. Aber es stellte sich bald heraus, daß die von hoher Stelle ansgegangne Anordnung vielfach nicht durchführbar war. Das gesamte Personal abwechselnd an den Sonntagen dienstfrei zu machen, ist eben nur dann möglich, wenn von den feststehenden Leistungen infolge der eintretenden Verkehrsbeschränknngen möglichst viele weg¬ fallen. Das ist leider nicht der Fall. Die Postschalter werden zwar in der Zeit von nenn Uhr vormittags bis fünf Uhr nachmittags mit Unterbrechung einer für die Annahme von Telegrammen bestimmten Stunde geschlossen, die Brief- und Paketbestellung wird auf die Vormittage beschränkt, aber im Innern der Post¬ Häuser und auf den Bahnhöfen haftet der Betrieb weiter. Bei Postanstalten geringern Geschäftsumfangs laßt sich daher an den Sonntagen nur selten eine Ersparnis an Arbeitskräften erreichen, dagegen kann bei Postanstalten mit be- deutenderen Verkehr, bei denen Wochentags an ein und derselben Dienststelle mehrere Beamte gleichzeitig arbeiten, hie und da Sonntags eine Kraft ein¬ gezogen werden. Namentlich im Unterbeamtendienst fallen, wenn wir vom Bestell¬ personal absehen, Sonntags verhältnismüßig wenig feststehende Leistungen weg, sodaß sich die Unterbeamten auch nicht annähernd in dem bestimmten Umfange dienstfrei machen ließen. Das ungünstige Ergebnis mußte natürlich in den einzureichenden Nachweisungen zum Ausdruck gebracht werden. Nun entspann sich ein endloser Schriftwechsel zwischen den Obcrpost- direktionen und den Ortspostanstalten. Mit mehr oder minder deutlich und freundlich abgefaßten Begleitschreiben gelangten die Nachweisungen zum zweiten und drittenmal an die Postanstalten zurück, die Dienstpläne wurden nochmals und abermals durchgearbeitet, die Amtsvorsteher änderten, besserten und künstelten in den Nachweisungen, soweit sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten. Aber wenn sich auch das Ergebnis — ob in Wirklichkeit oder nur scheinbar, bleibe dahingestellt — etwas gebessert hatte, in vollem Umfange war die Dienstbefreinng sür die Sonntage immer uoch nicht durchgeführt. Darauf erhielt der Bezirkspostinspektor den Auftrag, die Sachlage zu prüfen, und erst nachdem dieser bestätigt hatte, daß die Angaben der Amtsvorsteher zutreffend seien, wurde die Einstellung eines oder mehrerer Aushelfer für die Sonntage genehmigt. . Leute, die sich der Postverwaltung nur für diesen Tag der Woche gegen das übliche Entgelt von zwei Mark zur Verfügung stellen, sind im allgemeinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/85>, abgerufen am 18.06.2024.