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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Postdainpferlmien

sprechende Gesetz wurde am 6. April 1885 von Kaiser Wilhelm I. unter der
Gegenzeichnung des Fürsten Bismarck vollzogen.

In dem Verdingungsverfahren, das nun vom Reichskanzler unter einer
Anzahl leistungsfähiger Reedereien ausgeschrieben wurde, trug der norddeutsche
Lloyd in Bremen, dessen Angebot das günstigste war, den Sieg davon. Ans
Grund dieses Angebots wurde zwischen dem Reichskanzler und dem Vorsitzenden
des Verwaltungsrates des Norddeutschen Lloyds, Konsul H. H. Meyer in
Bremen, am 3. und 4. Juli 1885 ein Vertrag abgeschlossen, dessen wichtigste
Bestimmungen folgende sind. Auf den Hauptlinien, sowie auf der japanischen
und australischen Zweiglinie haben die Fahrten in Zcitnbständen von je vier
Wochen stattzufinden. Der Fahrplan ist vom Reichskanzler zu genehmigen.
Die Dampfer haben die Post an den fahrplanmäßig hierzu zu bestimmenden
Häfen aufzunehmen und abzuliefern. Von den Schiffen sind bestimmte Fahr¬
geschwindigkeiten einzuhalten. Für die ostasiatische und australische Hauptlinie
sind mindestens je fünf Dampfer einzustellen. Die Schiffe dürfen in ihrer
Bauart und Einrichtung denen andrer Nationen nicht nachstehen. Sie müssen
auf deutschen Werften und möglichst ans deutschem Material gebaut werden.
Die Post ist unentgeltlich zu befördern. Die Fracht- und Personentarife unter¬
liegen der Genehmigung des Reichskanzlers. Die Schiffsmannschaften müssen
deutsche Reichsangehörige sein. Im Falle einer Mobilmachung der Marine
steht es dem Reichskanzler frei, die Dampfer gegen Erstattung ihres vollen
Werth anzukaufen oder gegen Vergütung sonst in Anspruch zu nehmen; ein
Verkauf oder eine Vermietung an eine fremde Macht darf nur mit Genehmigung
des Reichskanzlers geschehen. Die regelmäßigen Fahrten müssen innerhalb von
zwölf Monaten nach Vollziehung des Vertrages beginnen. Dieser erstreckt sich
auf fünfzehn Jahre, vom Tage des Antritts der ersten Fahrt ab gerechnet. Die
dem Norddeutschen Lloyd zustehende Vergütung beträgt jährlich 4400000 Mark.

So hatte denn das große Werk seine gesetz- und vertragsmäßige Grund¬
lage erlangt; nun konnte zu seiner Ausführung geschritten werden.

Von vornherein trat die wirtschaftliche Bedeutung der Sache klar zu Tage,
Der norddeutsche Lloyd sah sich veranlaßt, zur Bestreitung der durch das
neue Unternehmen erwachsenden Kosten sein Grundkapital um 10 Millionen
Mark zu vergrößern und außerdem .eine vicrprozentige Anleihe in gleicher
Höhe aufzunehmen. Dann ließ er, sofort bei dem "Vulkan" in Stettin sechs
Dampfer erbauen, von denen drei für die Hauptlinien und drei für die An¬
schlußlinien bestimmt waren. Bis dahin waren Dampfer solcher Größe auf
deutschen Werften noch nie gebaut worden; nur englische Werften waren im¬
stande gewesen, derartige Dampfer herzustellen. Vom Jahre 1885 ab nahm
Deutschland auch auf dem Gebiete des Schiffbauwesens, den Wettbewerb mit
England und zwar mit solchem Erfolg auf, daß im Frühjahre 1896 von den
berufensten Kritikern auf diesem Gebiete, von den Mitgliedern der Institution


Grenzboten I 1897 !>
Unsre Postdainpferlmien

sprechende Gesetz wurde am 6. April 1885 von Kaiser Wilhelm I. unter der
Gegenzeichnung des Fürsten Bismarck vollzogen.

In dem Verdingungsverfahren, das nun vom Reichskanzler unter einer
Anzahl leistungsfähiger Reedereien ausgeschrieben wurde, trug der norddeutsche
Lloyd in Bremen, dessen Angebot das günstigste war, den Sieg davon. Ans
Grund dieses Angebots wurde zwischen dem Reichskanzler und dem Vorsitzenden
des Verwaltungsrates des Norddeutschen Lloyds, Konsul H. H. Meyer in
Bremen, am 3. und 4. Juli 1885 ein Vertrag abgeschlossen, dessen wichtigste
Bestimmungen folgende sind. Auf den Hauptlinien, sowie auf der japanischen
und australischen Zweiglinie haben die Fahrten in Zcitnbständen von je vier
Wochen stattzufinden. Der Fahrplan ist vom Reichskanzler zu genehmigen.
Die Dampfer haben die Post an den fahrplanmäßig hierzu zu bestimmenden
Häfen aufzunehmen und abzuliefern. Von den Schiffen sind bestimmte Fahr¬
geschwindigkeiten einzuhalten. Für die ostasiatische und australische Hauptlinie
sind mindestens je fünf Dampfer einzustellen. Die Schiffe dürfen in ihrer
Bauart und Einrichtung denen andrer Nationen nicht nachstehen. Sie müssen
auf deutschen Werften und möglichst ans deutschem Material gebaut werden.
Die Post ist unentgeltlich zu befördern. Die Fracht- und Personentarife unter¬
liegen der Genehmigung des Reichskanzlers. Die Schiffsmannschaften müssen
deutsche Reichsangehörige sein. Im Falle einer Mobilmachung der Marine
steht es dem Reichskanzler frei, die Dampfer gegen Erstattung ihres vollen
Werth anzukaufen oder gegen Vergütung sonst in Anspruch zu nehmen; ein
Verkauf oder eine Vermietung an eine fremde Macht darf nur mit Genehmigung
des Reichskanzlers geschehen. Die regelmäßigen Fahrten müssen innerhalb von
zwölf Monaten nach Vollziehung des Vertrages beginnen. Dieser erstreckt sich
auf fünfzehn Jahre, vom Tage des Antritts der ersten Fahrt ab gerechnet. Die
dem Norddeutschen Lloyd zustehende Vergütung beträgt jährlich 4400000 Mark.

So hatte denn das große Werk seine gesetz- und vertragsmäßige Grund¬
lage erlangt; nun konnte zu seiner Ausführung geschritten werden.

Von vornherein trat die wirtschaftliche Bedeutung der Sache klar zu Tage,
Der norddeutsche Lloyd sah sich veranlaßt, zur Bestreitung der durch das
neue Unternehmen erwachsenden Kosten sein Grundkapital um 10 Millionen
Mark zu vergrößern und außerdem .eine vicrprozentige Anleihe in gleicher
Höhe aufzunehmen. Dann ließ er, sofort bei dem „Vulkan" in Stettin sechs
Dampfer erbauen, von denen drei für die Hauptlinien und drei für die An¬
schlußlinien bestimmt waren. Bis dahin waren Dampfer solcher Größe auf
deutschen Werften noch nie gebaut worden; nur englische Werften waren im¬
stande gewesen, derartige Dampfer herzustellen. Vom Jahre 1885 ab nahm
Deutschland auch auf dem Gebiete des Schiffbauwesens, den Wettbewerb mit
England und zwar mit solchem Erfolg auf, daß im Frühjahre 1896 von den
berufensten Kritikern auf diesem Gebiete, von den Mitgliedern der Institution


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/73>, abgerufen am 18.06.2024.