Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Auscimmeichm>>z on>n äußerer und innerer Politik

und tückisch geworden, ein Abbild der Eigenschaften, in denen großenteils
noch bellte Iren und Großrussen in ihrer Heimat leben, während mit der
Hebung der deutsche" Bauern auch diese schlimmen Eigenschaften bei ihm ge¬
schwunden sind.

Schon aus diesem allgemeinsten und wesentlichsten Umriß erhellt, in welcher
Weise sich die Anpassung eines Volks an seine äußern politischen Verhältnisse
vollzieht, wie diese uicht nur auf die innern staatlichen, sondern auch auf die
bürgerliche!! Verhältnisse zurückwirken; ein etwas näheres Eingehen auf die
geschichtliche Entwicklung wird das noch mehr verdeutlichen und zeigen, wie
gerade auf dem Gebiet der Heereseinrichtungeu dieser Prozeß vor sich geht.

In einem naturalwirtschaftlichen Zeitalter, dem das Geld als allgemeines
Verkehrsmittel fehlt, können Verdienste um den Staat nur durch Verleihung
von Land belohnt, Würdenträger und Ämter nur in dieser Weise ausgestattet
werden. Unter den Karolingern wurde dieses bisher rein persönliche Verhältnis
zur Grundlage der Wehrverfassung gemacht, indem die Verleihung des Gutes
dinglich mit der Heerfolgepflicht in Verbindung gesetzt wurde. Diese Ver¬
bindung ist der Kernpunkt des Lehnsshstems. Sodann wurde die Verbindlichkeit
zur Heerfahrt nach dein Vermögen geordnet, wodurch sich eine Sonderung der
zu Pferde dienenden Reichern von den ärmer" Fußkämpseru vollzog.

Es lag natürlich im Interesse der großen Vasnlleu, daß sie unausgesetzt
nach Vermehrung ihrer Macht, sowie "ach deren Vererblichung strebten. Führte
dies schon zu einem fortwährenden Zerbröckeln des Königsbesitzes in einer Zeit
mangelhafte" Verkehrs und fehlender Zentralverwaltung, so hinderte andrerseits
die Überlegenheit örtlicher Verteidigung über die Mittel des Angriffs in den
meisten Fällen das Wiedereinbringen erlittener Verluste. Diese beiden Punkte
siud als wichtige Entwickluiigsrichtungen des Mittelalters schon oft hervor¬
gehoben morden. Weniger Beachtluig hat ein dritter Umstand gesunde", der fast
"och kräftiger in gleicher Richtung gewirkt hat. Die Verpflichtung zur Heeresfolge
war zeitlich beschränkt, die Bemessung der Zeit mochte auf deu Durchschnittsfall
einer gewisse" politische" Lage passen; im Grunde war sie, so berechtigt sie
vom Standpunkt der Interessen des Vasallen sein mochte, vom Standpunkt
der Staatsgewalt aus ein schwerer Übelstand, denn die Dauer des Kriegs
kann von dieser nicht einseitig bestimmt werden, sie liegt nicht in ihrer Hand.
Die Kriegspflicht ist nun ein Arbeitsvertrag geworden, bei dem der die Arbeit
leistende nur zu einem bestimmten Arbeitsmaß verpflichtet ist, während der
Arbeitgeber seine Anforderungen nach der Konjunktur richten muß, wie wir das
in moderner Sprache ausdrücken können. Droht der Arbeiter in schwierigen
Lagen mit Aufstand, so hat er die Veränderung des Vertrags zu seinen
Gunste" i" der Hand. I" naturalwirtschaftlicher Zeit kann eine augenblicklich
notwendige Mehrleistung aber wieder "ur durch Vermehrung der Besitztitel oder
Rechte oder mit dem Versprechen einer Verminderung der Anforderung für


Der Auscimmeichm>>z on>n äußerer und innerer Politik

und tückisch geworden, ein Abbild der Eigenschaften, in denen großenteils
noch bellte Iren und Großrussen in ihrer Heimat leben, während mit der
Hebung der deutsche» Bauern auch diese schlimmen Eigenschaften bei ihm ge¬
schwunden sind.

Schon aus diesem allgemeinsten und wesentlichsten Umriß erhellt, in welcher
Weise sich die Anpassung eines Volks an seine äußern politischen Verhältnisse
vollzieht, wie diese uicht nur auf die innern staatlichen, sondern auch auf die
bürgerliche!! Verhältnisse zurückwirken; ein etwas näheres Eingehen auf die
geschichtliche Entwicklung wird das noch mehr verdeutlichen und zeigen, wie
gerade auf dem Gebiet der Heereseinrichtungeu dieser Prozeß vor sich geht.

In einem naturalwirtschaftlichen Zeitalter, dem das Geld als allgemeines
Verkehrsmittel fehlt, können Verdienste um den Staat nur durch Verleihung
von Land belohnt, Würdenträger und Ämter nur in dieser Weise ausgestattet
werden. Unter den Karolingern wurde dieses bisher rein persönliche Verhältnis
zur Grundlage der Wehrverfassung gemacht, indem die Verleihung des Gutes
dinglich mit der Heerfolgepflicht in Verbindung gesetzt wurde. Diese Ver¬
bindung ist der Kernpunkt des Lehnsshstems. Sodann wurde die Verbindlichkeit
zur Heerfahrt nach dein Vermögen geordnet, wodurch sich eine Sonderung der
zu Pferde dienenden Reichern von den ärmer» Fußkämpseru vollzog.

Es lag natürlich im Interesse der großen Vasnlleu, daß sie unausgesetzt
nach Vermehrung ihrer Macht, sowie »ach deren Vererblichung strebten. Führte
dies schon zu einem fortwährenden Zerbröckeln des Königsbesitzes in einer Zeit
mangelhafte» Verkehrs und fehlender Zentralverwaltung, so hinderte andrerseits
die Überlegenheit örtlicher Verteidigung über die Mittel des Angriffs in den
meisten Fällen das Wiedereinbringen erlittener Verluste. Diese beiden Punkte
siud als wichtige Entwickluiigsrichtungen des Mittelalters schon oft hervor¬
gehoben morden. Weniger Beachtluig hat ein dritter Umstand gesunde», der fast
»och kräftiger in gleicher Richtung gewirkt hat. Die Verpflichtung zur Heeresfolge
war zeitlich beschränkt, die Bemessung der Zeit mochte auf deu Durchschnittsfall
einer gewisse» politische» Lage passen; im Grunde war sie, so berechtigt sie
vom Standpunkt der Interessen des Vasallen sein mochte, vom Standpunkt
der Staatsgewalt aus ein schwerer Übelstand, denn die Dauer des Kriegs
kann von dieser nicht einseitig bestimmt werden, sie liegt nicht in ihrer Hand.
Die Kriegspflicht ist nun ein Arbeitsvertrag geworden, bei dem der die Arbeit
leistende nur zu einem bestimmten Arbeitsmaß verpflichtet ist, während der
Arbeitgeber seine Anforderungen nach der Konjunktur richten muß, wie wir das
in moderner Sprache ausdrücken können. Droht der Arbeiter in schwierigen
Lagen mit Aufstand, so hat er die Veränderung des Vertrags zu seinen
Gunste» i» der Hand. I» naturalwirtschaftlicher Zeit kann eine augenblicklich
notwendige Mehrleistung aber wieder »ur durch Vermehrung der Besitztitel oder
Rechte oder mit dem Versprechen einer Verminderung der Anforderung für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224819"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Auscimmeichm&gt;&gt;z on&gt;n äußerer und innerer Politik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> und tückisch geworden, ein Abbild der Eigenschaften, in denen großenteils<lb/>
noch bellte Iren und Großrussen in ihrer Heimat leben, während mit der<lb/>
Hebung der deutsche» Bauern auch diese schlimmen Eigenschaften bei ihm ge¬<lb/>
schwunden sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1729"> Schon aus diesem allgemeinsten und wesentlichsten Umriß erhellt, in welcher<lb/>
Weise sich die Anpassung eines Volks an seine äußern politischen Verhältnisse<lb/>
vollzieht, wie diese uicht nur auf die innern staatlichen, sondern auch auf die<lb/>
bürgerliche!! Verhältnisse zurückwirken; ein etwas näheres Eingehen auf die<lb/>
geschichtliche Entwicklung wird das noch mehr verdeutlichen und zeigen, wie<lb/>
gerade auf dem Gebiet der Heereseinrichtungeu dieser Prozeß vor sich geht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1730"> In einem naturalwirtschaftlichen Zeitalter, dem das Geld als allgemeines<lb/>
Verkehrsmittel fehlt, können Verdienste um den Staat nur durch Verleihung<lb/>
von Land belohnt, Würdenträger und Ämter nur in dieser Weise ausgestattet<lb/>
werden. Unter den Karolingern wurde dieses bisher rein persönliche Verhältnis<lb/>
zur Grundlage der Wehrverfassung gemacht, indem die Verleihung des Gutes<lb/>
dinglich mit der Heerfolgepflicht in Verbindung gesetzt wurde. Diese Ver¬<lb/>
bindung ist der Kernpunkt des Lehnsshstems. Sodann wurde die Verbindlichkeit<lb/>
zur Heerfahrt nach dein Vermögen geordnet, wodurch sich eine Sonderung der<lb/>
zu Pferde dienenden Reichern von den ärmer» Fußkämpseru vollzog.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1731" next="#ID_1732"> Es lag natürlich im Interesse der großen Vasnlleu, daß sie unausgesetzt<lb/>
nach Vermehrung ihrer Macht, sowie »ach deren Vererblichung strebten. Führte<lb/>
dies schon zu einem fortwährenden Zerbröckeln des Königsbesitzes in einer Zeit<lb/>
mangelhafte» Verkehrs und fehlender Zentralverwaltung, so hinderte andrerseits<lb/>
die Überlegenheit örtlicher Verteidigung über die Mittel des Angriffs in den<lb/>
meisten Fällen das Wiedereinbringen erlittener Verluste. Diese beiden Punkte<lb/>
siud als wichtige Entwickluiigsrichtungen des Mittelalters schon oft hervor¬<lb/>
gehoben morden. Weniger Beachtluig hat ein dritter Umstand gesunde», der fast<lb/>
»och kräftiger in gleicher Richtung gewirkt hat. Die Verpflichtung zur Heeresfolge<lb/>
war zeitlich beschränkt, die Bemessung der Zeit mochte auf deu Durchschnittsfall<lb/>
einer gewisse» politische» Lage passen; im Grunde war sie, so berechtigt sie<lb/>
vom Standpunkt der Interessen des Vasallen sein mochte, vom Standpunkt<lb/>
der Staatsgewalt aus ein schwerer Übelstand, denn die Dauer des Kriegs<lb/>
kann von dieser nicht einseitig bestimmt werden, sie liegt nicht in ihrer Hand.<lb/>
Die Kriegspflicht ist nun ein Arbeitsvertrag geworden, bei dem der die Arbeit<lb/>
leistende nur zu einem bestimmten Arbeitsmaß verpflichtet ist, während der<lb/>
Arbeitgeber seine Anforderungen nach der Konjunktur richten muß, wie wir das<lb/>
in moderner Sprache ausdrücken können. Droht der Arbeiter in schwierigen<lb/>
Lagen mit Aufstand, so hat er die Veränderung des Vertrags zu seinen<lb/>
Gunste» i» der Hand. I» naturalwirtschaftlicher Zeit kann eine augenblicklich<lb/>
notwendige Mehrleistung aber wieder »ur durch Vermehrung der Besitztitel oder<lb/>
Rechte oder mit dem Versprechen einer Verminderung der Anforderung für</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0573] Der Auscimmeichm>>z on>n äußerer und innerer Politik und tückisch geworden, ein Abbild der Eigenschaften, in denen großenteils noch bellte Iren und Großrussen in ihrer Heimat leben, während mit der Hebung der deutsche» Bauern auch diese schlimmen Eigenschaften bei ihm ge¬ schwunden sind. Schon aus diesem allgemeinsten und wesentlichsten Umriß erhellt, in welcher Weise sich die Anpassung eines Volks an seine äußern politischen Verhältnisse vollzieht, wie diese uicht nur auf die innern staatlichen, sondern auch auf die bürgerliche!! Verhältnisse zurückwirken; ein etwas näheres Eingehen auf die geschichtliche Entwicklung wird das noch mehr verdeutlichen und zeigen, wie gerade auf dem Gebiet der Heereseinrichtungeu dieser Prozeß vor sich geht. In einem naturalwirtschaftlichen Zeitalter, dem das Geld als allgemeines Verkehrsmittel fehlt, können Verdienste um den Staat nur durch Verleihung von Land belohnt, Würdenträger und Ämter nur in dieser Weise ausgestattet werden. Unter den Karolingern wurde dieses bisher rein persönliche Verhältnis zur Grundlage der Wehrverfassung gemacht, indem die Verleihung des Gutes dinglich mit der Heerfolgepflicht in Verbindung gesetzt wurde. Diese Ver¬ bindung ist der Kernpunkt des Lehnsshstems. Sodann wurde die Verbindlichkeit zur Heerfahrt nach dein Vermögen geordnet, wodurch sich eine Sonderung der zu Pferde dienenden Reichern von den ärmer» Fußkämpseru vollzog. Es lag natürlich im Interesse der großen Vasnlleu, daß sie unausgesetzt nach Vermehrung ihrer Macht, sowie »ach deren Vererblichung strebten. Führte dies schon zu einem fortwährenden Zerbröckeln des Königsbesitzes in einer Zeit mangelhafte» Verkehrs und fehlender Zentralverwaltung, so hinderte andrerseits die Überlegenheit örtlicher Verteidigung über die Mittel des Angriffs in den meisten Fällen das Wiedereinbringen erlittener Verluste. Diese beiden Punkte siud als wichtige Entwickluiigsrichtungen des Mittelalters schon oft hervor¬ gehoben morden. Weniger Beachtluig hat ein dritter Umstand gesunde», der fast »och kräftiger in gleicher Richtung gewirkt hat. Die Verpflichtung zur Heeresfolge war zeitlich beschränkt, die Bemessung der Zeit mochte auf deu Durchschnittsfall einer gewisse» politische» Lage passen; im Grunde war sie, so berechtigt sie vom Standpunkt der Interessen des Vasallen sein mochte, vom Standpunkt der Staatsgewalt aus ein schwerer Übelstand, denn die Dauer des Kriegs kann von dieser nicht einseitig bestimmt werden, sie liegt nicht in ihrer Hand. Die Kriegspflicht ist nun ein Arbeitsvertrag geworden, bei dem der die Arbeit leistende nur zu einem bestimmten Arbeitsmaß verpflichtet ist, während der Arbeitgeber seine Anforderungen nach der Konjunktur richten muß, wie wir das in moderner Sprache ausdrücken können. Droht der Arbeiter in schwierigen Lagen mit Aufstand, so hat er die Veränderung des Vertrags zu seinen Gunste» i» der Hand. I» naturalwirtschaftlicher Zeit kann eine augenblicklich notwendige Mehrleistung aber wieder »ur durch Vermehrung der Besitztitel oder Rechte oder mit dem Versprechen einer Verminderung der Anforderung für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/573
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/573>, abgerufen am 29.06.2024.