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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Aarl V. und die Fugger

dem Makel des Wuchers behaftet, und war es doch eine juristisch zweifel¬
hafte Sache, ob der Erbe verpflichtet sei, die Schulden seines Vorfahren zu
zahlen.

Aus alledem ergab sich eine Reihe schwerer Übelstände, eine übermäßige
Verschuldung der Fürsten, infolge dessen Verpfändung der Einkünfte, heillose
Unordnung der Finanzen, Korruption des ganzen öffentlichen Lebens, Auf-
saugung des Volks und Abhängigkeit der Fürsten, sowie der gesamten Politik
von den Geldleuten.

Jedermann weiß, daß die Fugger auf die Geschichte des sechzehnten Jahr¬
hunderts eiuen großen Einfluß geübt haben; wie groß dieser Einfluß in
Wirklichkeit gewesen ist, und daß jede große politische Frage im Grunde eine
Geldfrage war, das wird erst dnrch das Ehrenbcrgsche Buch zur vollen Klar¬
heit gebracht.

Die Fugger waren ursprünglich Weber, sie wandten sich jedoch später
dem Handel zu und gewannen damit das Kapital, mit dem sie das Geldge¬
schäft eröffnete". Das Besondre ihres Verfahrens war, daß sie ihre Geschäfte
in großem Stile mit Fürsten und Ländern machten- Der das Kaufhaus zum
Weltgeschäft machte, war Jakob Fugger, ein Mann "hohen Verstandes," der
einen weiten, klaren Blick und eine außerordentliche Fähigkeit im Disponiren
hatte. Die ersten Geschäfte neuen Stils machte er in Verbindung mit
Antonio de Cavallis, indem er dem Erzherzog Siegmund von Tirol unter
Bürgschaft der vornehmsten Gewerke der Schwazer Silbergruben 23000 Gulden
vorstreckte. Die Schuld wuchs bald auf 150000 Gulden, wofür den Gläubigern
bis zur Rückzahlung die ganze Ausbeute der Schwazer Silberbergwerke über¬
wiesen wurde. Später machten sie Geschäfte mit Kaiser Maximilian, der ein
schlechter Wirtschafter war und immer in solchen Geldnöten steckte, daß es
ihm bisweilen an dem nötigsten Unterhalt fehlte. Dein Brandenburger Albrecht
verhalf Fugger zum Erzbistum Mainz, indem er ihm 21000 Dukaten zum
Kaufe des Palliums vorstreckte. Hierfür verpfändete dieser seine Einnahme, die
er ans dem Generalkommissariat des päpstlichen Jubelablasses erwartete. Mit
dem Ablaßprediger Tetzel reiste stets ein Vertreter des Fugger, der einen der
beiden Schlüssel zum Ablaßkasten in den Händen hatte. War der Kasten voll,
so wurde gezählt. Die eine Hälfte kam nach Rom, die andre erhielten die
Fugger zur Tilgung der Schuld. Das war weder etwas neues uoch auch
vom geschäftlichen Standpunkte aus etwas verwerfliches. Neu war nur das
unerwartete Ereignis, daß sich die Deutschen den Mißbrauch ihrer Gewissens-
uöte nicht länger gefallen lassen wollten.

Ebenso verhalf Fugger Karl V. zur Kaiserkrone. 1517 versah Karl seinen
Gesandten Conrteville mit 94000 Gulden in Wechseln auf die Fugger zur
Bestechung der Kurfürsten. Kaiser Maximilian kannte seine Kurfürsten besser
und schrieb an Karl, die Gelder müßten sofort bar ausgezahlt werden, auch


Aarl V. und die Fugger

dem Makel des Wuchers behaftet, und war es doch eine juristisch zweifel¬
hafte Sache, ob der Erbe verpflichtet sei, die Schulden seines Vorfahren zu
zahlen.

Aus alledem ergab sich eine Reihe schwerer Übelstände, eine übermäßige
Verschuldung der Fürsten, infolge dessen Verpfändung der Einkünfte, heillose
Unordnung der Finanzen, Korruption des ganzen öffentlichen Lebens, Auf-
saugung des Volks und Abhängigkeit der Fürsten, sowie der gesamten Politik
von den Geldleuten.

Jedermann weiß, daß die Fugger auf die Geschichte des sechzehnten Jahr¬
hunderts eiuen großen Einfluß geübt haben; wie groß dieser Einfluß in
Wirklichkeit gewesen ist, und daß jede große politische Frage im Grunde eine
Geldfrage war, das wird erst dnrch das Ehrenbcrgsche Buch zur vollen Klar¬
heit gebracht.

Die Fugger waren ursprünglich Weber, sie wandten sich jedoch später
dem Handel zu und gewannen damit das Kapital, mit dem sie das Geldge¬
schäft eröffnete». Das Besondre ihres Verfahrens war, daß sie ihre Geschäfte
in großem Stile mit Fürsten und Ländern machten- Der das Kaufhaus zum
Weltgeschäft machte, war Jakob Fugger, ein Mann „hohen Verstandes," der
einen weiten, klaren Blick und eine außerordentliche Fähigkeit im Disponiren
hatte. Die ersten Geschäfte neuen Stils machte er in Verbindung mit
Antonio de Cavallis, indem er dem Erzherzog Siegmund von Tirol unter
Bürgschaft der vornehmsten Gewerke der Schwazer Silbergruben 23000 Gulden
vorstreckte. Die Schuld wuchs bald auf 150000 Gulden, wofür den Gläubigern
bis zur Rückzahlung die ganze Ausbeute der Schwazer Silberbergwerke über¬
wiesen wurde. Später machten sie Geschäfte mit Kaiser Maximilian, der ein
schlechter Wirtschafter war und immer in solchen Geldnöten steckte, daß es
ihm bisweilen an dem nötigsten Unterhalt fehlte. Dein Brandenburger Albrecht
verhalf Fugger zum Erzbistum Mainz, indem er ihm 21000 Dukaten zum
Kaufe des Palliums vorstreckte. Hierfür verpfändete dieser seine Einnahme, die
er ans dem Generalkommissariat des päpstlichen Jubelablasses erwartete. Mit
dem Ablaßprediger Tetzel reiste stets ein Vertreter des Fugger, der einen der
beiden Schlüssel zum Ablaßkasten in den Händen hatte. War der Kasten voll,
so wurde gezählt. Die eine Hälfte kam nach Rom, die andre erhielten die
Fugger zur Tilgung der Schuld. Das war weder etwas neues uoch auch
vom geschäftlichen Standpunkte aus etwas verwerfliches. Neu war nur das
unerwartete Ereignis, daß sich die Deutschen den Mißbrauch ihrer Gewissens-
uöte nicht länger gefallen lassen wollten.

Ebenso verhalf Fugger Karl V. zur Kaiserkrone. 1517 versah Karl seinen
Gesandten Conrteville mit 94000 Gulden in Wechseln auf die Fugger zur
Bestechung der Kurfürsten. Kaiser Maximilian kannte seine Kurfürsten besser
und schrieb an Karl, die Gelder müßten sofort bar ausgezahlt werden, auch


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[0530] Aarl V. und die Fugger dem Makel des Wuchers behaftet, und war es doch eine juristisch zweifel¬ hafte Sache, ob der Erbe verpflichtet sei, die Schulden seines Vorfahren zu zahlen. Aus alledem ergab sich eine Reihe schwerer Übelstände, eine übermäßige Verschuldung der Fürsten, infolge dessen Verpfändung der Einkünfte, heillose Unordnung der Finanzen, Korruption des ganzen öffentlichen Lebens, Auf- saugung des Volks und Abhängigkeit der Fürsten, sowie der gesamten Politik von den Geldleuten. Jedermann weiß, daß die Fugger auf die Geschichte des sechzehnten Jahr¬ hunderts eiuen großen Einfluß geübt haben; wie groß dieser Einfluß in Wirklichkeit gewesen ist, und daß jede große politische Frage im Grunde eine Geldfrage war, das wird erst dnrch das Ehrenbcrgsche Buch zur vollen Klar¬ heit gebracht. Die Fugger waren ursprünglich Weber, sie wandten sich jedoch später dem Handel zu und gewannen damit das Kapital, mit dem sie das Geldge¬ schäft eröffnete». Das Besondre ihres Verfahrens war, daß sie ihre Geschäfte in großem Stile mit Fürsten und Ländern machten- Der das Kaufhaus zum Weltgeschäft machte, war Jakob Fugger, ein Mann „hohen Verstandes," der einen weiten, klaren Blick und eine außerordentliche Fähigkeit im Disponiren hatte. Die ersten Geschäfte neuen Stils machte er in Verbindung mit Antonio de Cavallis, indem er dem Erzherzog Siegmund von Tirol unter Bürgschaft der vornehmsten Gewerke der Schwazer Silbergruben 23000 Gulden vorstreckte. Die Schuld wuchs bald auf 150000 Gulden, wofür den Gläubigern bis zur Rückzahlung die ganze Ausbeute der Schwazer Silberbergwerke über¬ wiesen wurde. Später machten sie Geschäfte mit Kaiser Maximilian, der ein schlechter Wirtschafter war und immer in solchen Geldnöten steckte, daß es ihm bisweilen an dem nötigsten Unterhalt fehlte. Dein Brandenburger Albrecht verhalf Fugger zum Erzbistum Mainz, indem er ihm 21000 Dukaten zum Kaufe des Palliums vorstreckte. Hierfür verpfändete dieser seine Einnahme, die er ans dem Generalkommissariat des päpstlichen Jubelablasses erwartete. Mit dem Ablaßprediger Tetzel reiste stets ein Vertreter des Fugger, der einen der beiden Schlüssel zum Ablaßkasten in den Händen hatte. War der Kasten voll, so wurde gezählt. Die eine Hälfte kam nach Rom, die andre erhielten die Fugger zur Tilgung der Schuld. Das war weder etwas neues uoch auch vom geschäftlichen Standpunkte aus etwas verwerfliches. Neu war nur das unerwartete Ereignis, daß sich die Deutschen den Mißbrauch ihrer Gewissens- uöte nicht länger gefallen lassen wollten. Ebenso verhalf Fugger Karl V. zur Kaiserkrone. 1517 versah Karl seinen Gesandten Conrteville mit 94000 Gulden in Wechseln auf die Fugger zur Bestechung der Kurfürsten. Kaiser Maximilian kannte seine Kurfürsten besser und schrieb an Karl, die Gelder müßten sofort bar ausgezahlt werden, auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/530>, abgerufen am 29.06.2024.