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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Der Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes

Auf den ersten EinWurf gehe ich hier nicht ein. Denn die Ferien sind
nicht der Lehrer, sondern der Schüler wegen gemacht. Gerade die Leute, die
sie den Lehrern am häufigsten vorhalten, würden sich wahrscheinlich am lautesten
beklagen und entrüstet von Übereifer reden, wenn man bei ihren Söhnen
anfangen wollte, das Maß der Freiheit einzuschränken.

Der zweite Punkt erscheint beachtenswerter. Es ist mit Sicherheit vor-
auszusehn, daß in allen künftigen Laudtagsverhaudlungen, die sich mit den
Einkünften des höhern Lehrerstandes befassen werden, diese Einwendung wieder¬
kehren wird. Es lohnt sich also wohl, ihre Berechtigung einmal zu unter¬
suchen. Denn in der Regel werden die Nebeneinnahmen der Lehrer bedeutend
überschätzt; ja nach manchen geheimnisvoll klingenden Andeutungen könnte es
fast scheinen, als ob man mit Schriftstellern, Pensionäre halten und Privat¬
stunden geben in kurzer Zeit weit größere Schätze sammeln könne, als vielleicht
der zufällig das Unterrichtsreferat führende Abgeordnete und Landrat jemals
in einer langen Reihe wohlabgeschlossener Terminverkäufe gesammelt hat.

Dem ist aber nicht so. Was zunächst die Schriftstellerei betrifft, so weiß
jeder, der, ohne "Kafsengröße" zu sein, die Feder führt, daß ihr keine Gold-
strvme entfließen. Nur wer das Geschick und das Glück hat, ein gut gehendes
Schulbuch zustande zu bringen, darf hoffen, von seinem Honorar etwas übrig
zu behalten. Wer aber bei wissenschaftlicher Arbeit auf einen erwähnenswerten
Lohn hofft, der täuscht sich. In der Regel deckt das Honorar kaum die Auf¬
wendungen für Bücher und Porti. Die Arbeit hat man meist umsonst gethan,
und den Lohn kann man nur in der Anerkennung finden, die der Arbeit zu
teil wird, wenn sie gut ist. Gewiß, es wird von den akademisch gebildeten
Lehrern viel geschriftstellert, und mit Recht. Denn sie sind als Lehrer dazu
berufen, nicht nur mit dem schlichten Wort, sondern auch mit der Feder zum
Volke zu reden. Und sie sind, was man bei dem ewigen Ausrufen und An¬
preisen der "neuen verbesserten Methoden" leicht vergißt, im letzten Grunde
doch Gelehrte, deren beste Habe in dem besteht, was sie gelernt haben. Sie
sollen darum auch ihr Wissen in den Dienst der Gesamtheit stellen, und sie
sind auch, das kann man ohne Unbescheidenheit sagen, seit dem Erstarken eines
höhern Lehrerstandes ein nicht unwichtiger "Faktor" in der Förderung der wissen¬
schaftlichen Bildung der Deutschen geworden. Aber zu Reichtum hat es durch
seine Feder wohl noch keiner gebracht, ja keinen zu Wohlstand. Die meisten,
die zur Feder greifen, müssen sich damit begnügen, den Musen gehuldigt zu
haben, und die Musen sind keine Erbtochter. Jedenfalls sollte man niemanden
damit abspeisen, zu sagen: Schreibe, um das, was dir der Staat giebt, zu
einem erträglichen Einkommen zu erhöhen.

Was das Pensionswesen anlangt, so muß zugegeben werden, daß das
Volk ein Interesse daran hat, daß sich geeignete Lehrerfamilien bereit
finden lassen, Söhne, die nach auswärts gethan werden müssen, bei sich auf-


Grenzboten I 1897 6,
Der Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes

Auf den ersten EinWurf gehe ich hier nicht ein. Denn die Ferien sind
nicht der Lehrer, sondern der Schüler wegen gemacht. Gerade die Leute, die
sie den Lehrern am häufigsten vorhalten, würden sich wahrscheinlich am lautesten
beklagen und entrüstet von Übereifer reden, wenn man bei ihren Söhnen
anfangen wollte, das Maß der Freiheit einzuschränken.

Der zweite Punkt erscheint beachtenswerter. Es ist mit Sicherheit vor-
auszusehn, daß in allen künftigen Laudtagsverhaudlungen, die sich mit den
Einkünften des höhern Lehrerstandes befassen werden, diese Einwendung wieder¬
kehren wird. Es lohnt sich also wohl, ihre Berechtigung einmal zu unter¬
suchen. Denn in der Regel werden die Nebeneinnahmen der Lehrer bedeutend
überschätzt; ja nach manchen geheimnisvoll klingenden Andeutungen könnte es
fast scheinen, als ob man mit Schriftstellern, Pensionäre halten und Privat¬
stunden geben in kurzer Zeit weit größere Schätze sammeln könne, als vielleicht
der zufällig das Unterrichtsreferat führende Abgeordnete und Landrat jemals
in einer langen Reihe wohlabgeschlossener Terminverkäufe gesammelt hat.

Dem ist aber nicht so. Was zunächst die Schriftstellerei betrifft, so weiß
jeder, der, ohne „Kafsengröße" zu sein, die Feder führt, daß ihr keine Gold-
strvme entfließen. Nur wer das Geschick und das Glück hat, ein gut gehendes
Schulbuch zustande zu bringen, darf hoffen, von seinem Honorar etwas übrig
zu behalten. Wer aber bei wissenschaftlicher Arbeit auf einen erwähnenswerten
Lohn hofft, der täuscht sich. In der Regel deckt das Honorar kaum die Auf¬
wendungen für Bücher und Porti. Die Arbeit hat man meist umsonst gethan,
und den Lohn kann man nur in der Anerkennung finden, die der Arbeit zu
teil wird, wenn sie gut ist. Gewiß, es wird von den akademisch gebildeten
Lehrern viel geschriftstellert, und mit Recht. Denn sie sind als Lehrer dazu
berufen, nicht nur mit dem schlichten Wort, sondern auch mit der Feder zum
Volke zu reden. Und sie sind, was man bei dem ewigen Ausrufen und An¬
preisen der „neuen verbesserten Methoden" leicht vergißt, im letzten Grunde
doch Gelehrte, deren beste Habe in dem besteht, was sie gelernt haben. Sie
sollen darum auch ihr Wissen in den Dienst der Gesamtheit stellen, und sie
sind auch, das kann man ohne Unbescheidenheit sagen, seit dem Erstarken eines
höhern Lehrerstandes ein nicht unwichtiger „Faktor" in der Förderung der wissen¬
schaftlichen Bildung der Deutschen geworden. Aber zu Reichtum hat es durch
seine Feder wohl noch keiner gebracht, ja keinen zu Wohlstand. Die meisten,
die zur Feder greifen, müssen sich damit begnügen, den Musen gehuldigt zu
haben, und die Musen sind keine Erbtochter. Jedenfalls sollte man niemanden
damit abspeisen, zu sagen: Schreibe, um das, was dir der Staat giebt, zu
einem erträglichen Einkommen zu erhöhen.

Was das Pensionswesen anlangt, so muß zugegeben werden, daß das
Volk ein Interesse daran hat, daß sich geeignete Lehrerfamilien bereit
finden lassen, Söhne, die nach auswärts gethan werden müssen, bei sich auf-


Grenzboten I 1897 6,
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[0489] Der Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes Auf den ersten EinWurf gehe ich hier nicht ein. Denn die Ferien sind nicht der Lehrer, sondern der Schüler wegen gemacht. Gerade die Leute, die sie den Lehrern am häufigsten vorhalten, würden sich wahrscheinlich am lautesten beklagen und entrüstet von Übereifer reden, wenn man bei ihren Söhnen anfangen wollte, das Maß der Freiheit einzuschränken. Der zweite Punkt erscheint beachtenswerter. Es ist mit Sicherheit vor- auszusehn, daß in allen künftigen Laudtagsverhaudlungen, die sich mit den Einkünften des höhern Lehrerstandes befassen werden, diese Einwendung wieder¬ kehren wird. Es lohnt sich also wohl, ihre Berechtigung einmal zu unter¬ suchen. Denn in der Regel werden die Nebeneinnahmen der Lehrer bedeutend überschätzt; ja nach manchen geheimnisvoll klingenden Andeutungen könnte es fast scheinen, als ob man mit Schriftstellern, Pensionäre halten und Privat¬ stunden geben in kurzer Zeit weit größere Schätze sammeln könne, als vielleicht der zufällig das Unterrichtsreferat führende Abgeordnete und Landrat jemals in einer langen Reihe wohlabgeschlossener Terminverkäufe gesammelt hat. Dem ist aber nicht so. Was zunächst die Schriftstellerei betrifft, so weiß jeder, der, ohne „Kafsengröße" zu sein, die Feder führt, daß ihr keine Gold- strvme entfließen. Nur wer das Geschick und das Glück hat, ein gut gehendes Schulbuch zustande zu bringen, darf hoffen, von seinem Honorar etwas übrig zu behalten. Wer aber bei wissenschaftlicher Arbeit auf einen erwähnenswerten Lohn hofft, der täuscht sich. In der Regel deckt das Honorar kaum die Auf¬ wendungen für Bücher und Porti. Die Arbeit hat man meist umsonst gethan, und den Lohn kann man nur in der Anerkennung finden, die der Arbeit zu teil wird, wenn sie gut ist. Gewiß, es wird von den akademisch gebildeten Lehrern viel geschriftstellert, und mit Recht. Denn sie sind als Lehrer dazu berufen, nicht nur mit dem schlichten Wort, sondern auch mit der Feder zum Volke zu reden. Und sie sind, was man bei dem ewigen Ausrufen und An¬ preisen der „neuen verbesserten Methoden" leicht vergißt, im letzten Grunde doch Gelehrte, deren beste Habe in dem besteht, was sie gelernt haben. Sie sollen darum auch ihr Wissen in den Dienst der Gesamtheit stellen, und sie sind auch, das kann man ohne Unbescheidenheit sagen, seit dem Erstarken eines höhern Lehrerstandes ein nicht unwichtiger „Faktor" in der Förderung der wissen¬ schaftlichen Bildung der Deutschen geworden. Aber zu Reichtum hat es durch seine Feder wohl noch keiner gebracht, ja keinen zu Wohlstand. Die meisten, die zur Feder greifen, müssen sich damit begnügen, den Musen gehuldigt zu haben, und die Musen sind keine Erbtochter. Jedenfalls sollte man niemanden damit abspeisen, zu sagen: Schreibe, um das, was dir der Staat giebt, zu einem erträglichen Einkommen zu erhöhen. Was das Pensionswesen anlangt, so muß zugegeben werden, daß das Volk ein Interesse daran hat, daß sich geeignete Lehrerfamilien bereit finden lassen, Söhne, die nach auswärts gethan werden müssen, bei sich auf- Grenzboten I 1897 6,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/489>, abgerufen am 26.09.2024.