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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Pan in Dresden und München

zum Prometheus," ein mickter männlicher Akt, und noch acht Kleinigkeiten.
Alles das ist jedenfalls nichts besondres. Dann aber wird es vollends
dünn. Paul Baum, "Landschaft, Hochätzung" ist eine Kinderei, die sogar
manches Kind unendlich viel besser macheu wurde, wenn auch nicht als "Hoch¬
ätzung." Pietschmaun, "Centaurenpaar" (Nadiruug) erinnert an Böcklin, nur
noch besonders stark karikirt. Lührig, "Freya und die Riesen" ist ein Ge¬
dränge von häßlichen Gesichtern, und Greiners "Golgatha" ist für jeden
Menschen von anständigem Geschmack einfach scheußlich; was gut daranist, ist
von Rembrandt. Die letzten zwei Kunstbeilagen sind "Originallithographien."
Der Pan pflegt seine Kunstblätter dem Leser ohne ein weiteres Wort der Er¬
klärung hinzuwerfen und ihn dann der Pein zu überlassen; höchstens bringt
er einen Aufsatz über die Gattung, zu der ein solches Stück gehört. So er¬
zählt uus bei dieser Gelegenheit ein hervorragender Kunstgelehrter von der
"Kunst des Steindrucks" im Stil höchster Begeisterung, mit Dornröschen be¬
ginnend und glücklich und zufrieden endend mit dem "Frühling einer neuen,
jugendstarken deutschen Kunst." Ja, wie schön liest sich das! Uns aber gehts
ungefähr wie den Hofleuten bei Fritz Reuter mit Reis und Pflaumen: "es
sind unsre besten Gerichte, man bloß wir kriegen sie nicht." Und Scherz bei¬
seite, was diese Kunst der "Jungen" in Dresden betrifft -- wir sind ja selbst
der Ansicht, daß das Alte zum Teil nicht viel wert war, und begreifen es
kaum noch, daß man z. B. diese hölzernen, maskenhaften Skulpturen der letzten
fünfzig Jahre für ernsthafte Kunstwerke hielt. Daß die Jungen statt dessen
wirkliches Leben suchen, darin thun sie recht. Aber was sie erreicht haben,
ist wahrlich noch nicht viel, und trotz alles Trvmpetengeschmetters, das die
Kunstwissenschaft in Dresden zu ihrem Preise veranstaltet -- wenn sie nichts
besseres bringen als bisher, so werden sie eines Tages ganz still aus der
Welt gegangen sein und noch viel weniger Spuren ihres Daseins hinterlassen
als ihre Vorgänger, von deren fertigen Werken man doch wenigstens etwas
sieht und sprechen kann. Und es will uns sür diese sorgsam gepflegte Kunst
nicht sehr rühmlich scheinen, daß der Pan, um die Vlößeu zu decken, die alte
spätromanische Skulptur in Freiberg und Naumburg und außerdem Lukas
Cranach zu Hilfe geholt hat,*) dessen "Ruhe auf der Flucht" aus dem Palast
Barberini (jetzt bei Fiedlers Erben) ohne alle Frage das Beste ist, was beide
PanHefte an Illustrationen enthalten.

Wir kommen nun nach München. Auch hier bekommen wir zuerst gute,
belehrende Aufsätze über die Entwicklung des Kunstlebens, über Courbets Auf¬
enthalt in München, der die Künstler bei ihrer Kostüm- und Prozessionsmalerei



") Warum hat man nicht noch einige von den knallbunt angestrichnen Gipsabgüssen des
Albertmwns beigegeben? Das wäre doch wenigstens etwas ganz absonderliches gewesen, was
man in keiner andern Stadt hat.
Pan in Dresden und München

zum Prometheus," ein mickter männlicher Akt, und noch acht Kleinigkeiten.
Alles das ist jedenfalls nichts besondres. Dann aber wird es vollends
dünn. Paul Baum, „Landschaft, Hochätzung" ist eine Kinderei, die sogar
manches Kind unendlich viel besser macheu wurde, wenn auch nicht als „Hoch¬
ätzung." Pietschmaun, „Centaurenpaar" (Nadiruug) erinnert an Böcklin, nur
noch besonders stark karikirt. Lührig, „Freya und die Riesen" ist ein Ge¬
dränge von häßlichen Gesichtern, und Greiners „Golgatha" ist für jeden
Menschen von anständigem Geschmack einfach scheußlich; was gut daranist, ist
von Rembrandt. Die letzten zwei Kunstbeilagen sind „Originallithographien."
Der Pan pflegt seine Kunstblätter dem Leser ohne ein weiteres Wort der Er¬
klärung hinzuwerfen und ihn dann der Pein zu überlassen; höchstens bringt
er einen Aufsatz über die Gattung, zu der ein solches Stück gehört. So er¬
zählt uus bei dieser Gelegenheit ein hervorragender Kunstgelehrter von der
„Kunst des Steindrucks" im Stil höchster Begeisterung, mit Dornröschen be¬
ginnend und glücklich und zufrieden endend mit dem „Frühling einer neuen,
jugendstarken deutschen Kunst." Ja, wie schön liest sich das! Uns aber gehts
ungefähr wie den Hofleuten bei Fritz Reuter mit Reis und Pflaumen: „es
sind unsre besten Gerichte, man bloß wir kriegen sie nicht." Und Scherz bei¬
seite, was diese Kunst der „Jungen" in Dresden betrifft — wir sind ja selbst
der Ansicht, daß das Alte zum Teil nicht viel wert war, und begreifen es
kaum noch, daß man z. B. diese hölzernen, maskenhaften Skulpturen der letzten
fünfzig Jahre für ernsthafte Kunstwerke hielt. Daß die Jungen statt dessen
wirkliches Leben suchen, darin thun sie recht. Aber was sie erreicht haben,
ist wahrlich noch nicht viel, und trotz alles Trvmpetengeschmetters, das die
Kunstwissenschaft in Dresden zu ihrem Preise veranstaltet — wenn sie nichts
besseres bringen als bisher, so werden sie eines Tages ganz still aus der
Welt gegangen sein und noch viel weniger Spuren ihres Daseins hinterlassen
als ihre Vorgänger, von deren fertigen Werken man doch wenigstens etwas
sieht und sprechen kann. Und es will uns sür diese sorgsam gepflegte Kunst
nicht sehr rühmlich scheinen, daß der Pan, um die Vlößeu zu decken, die alte
spätromanische Skulptur in Freiberg und Naumburg und außerdem Lukas
Cranach zu Hilfe geholt hat,*) dessen „Ruhe auf der Flucht" aus dem Palast
Barberini (jetzt bei Fiedlers Erben) ohne alle Frage das Beste ist, was beide
PanHefte an Illustrationen enthalten.

Wir kommen nun nach München. Auch hier bekommen wir zuerst gute,
belehrende Aufsätze über die Entwicklung des Kunstlebens, über Courbets Auf¬
enthalt in München, der die Künstler bei ihrer Kostüm- und Prozessionsmalerei



") Warum hat man nicht noch einige von den knallbunt angestrichnen Gipsabgüssen des
Albertmwns beigegeben? Das wäre doch wenigstens etwas ganz absonderliches gewesen, was
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/462>, abgerufen am 26.06.2024.