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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Entstehung des Staatsschuldenwesens und der Börsen

Zinses wurde ihm gleich bei Auszahlung des Darlehens abgezogen. Der Zins¬
fuß für Fürstencmleihen stand stets über dem Börsenzinsfuß. Konnte doch der
Fürst bei dem damaligen Zustande des Steuerwesens keine andre Sicherheit
bieten als sein Wort, Pfänder, die der Gläubiger selbst uuter Hindernissen zu
Gelde zu machen hatte, und die Hoffnung auf sein Kriegsglück. Nur der fran¬
zösische König war in der Lage, seine Unterthanen zu besteuern, und in Frank¬
reich zuerst wurde der Finanzminister aus einem Unterhändler mit Geldleuten
ihr Herr. (Weil xs,rei der Kunstausdruck für ein Finanzgeschäft war, wurden
seine Geldleute seine Partisane genannt, und da sie eine politische Rolle spielten,
so nahm das Wort xartis^u allmählich seine heutige Bedeutung an.) Indes
ist es ja bekannt, wie die finanzielle Allmacht der französischen Krone das
Land zuletzt in einen allgemeinen Bankrott gestürzt und einem ihrer Träger den
Kopf gekostet hat.

Ganz anders verlief die Sache in deu frei gewordnen Niederlanden. "Wer
dem achtzigjähriger glorreichen Freiheitskämpfe der kleinen Niederlande gegen
das Weltreich Spanien gerechte Bewunderung zollt, darf nicht vergessen, daß
davon ein guter Teil dem niederländischen Staatskredit gebührt. Die Stand-
haftigkeit des Volkes und das Genie der Orcmier in allen Ehren; aber auf
die Länge der Zeit hätten sie nicht ausgereicht, um den Sieg zu erringen,
und noch weit mehr als irgendwo sonst gilt hier der Spruch: xecmuis, nervus
bslli." Die niederländische Seemacht brachte allerdings mehr ein, als sie kostete,
aber die Landheere kosteten Geld, und die um Bundesgenossen zu zahlenden
Subsidien kosteten noch mehr. Der Kredit des winzigen Staates aber ward
keinen Augenblick erschüttert; auch in den schlimmsten Lagen hielt er seinen
Gläubigern Wort, und der Zinsfuß seiner Anleihen sank bis auf vier Prozent.
Wie brachte er dieses Wunder fertig? Zunächst dadurch, daß das Volk rast¬
los, auch im Kriege, Geld verdiente. Der Handel führte den Kaufleuten solche
Reichtümer zu, daß sie den Gemeinden und den Staaten ihre überflüssigen
Gelder anboten und die Anleihen nicht zurückgezahlt habe" mochten, auch
wenn der Schuldner dazu bereit war. Dann durch ihre Verfassung, die der
der mittelalterlichen Städte entsprach, die ebenfalls schon Kredit gehabt hatten,
während die Fürsten niemals welchen hatten. "Die Republik der Niederlande
war ja ein vorzugsweise aus Städten bestehendes Gemeinwesen. Ihr Kredit
beruhte zunächst auf dem der einzelnen Provinzen, dieser wieder auf dem der
Städte. Jede Stadt und jede Provinz bildete eine Korporation, deren Mit¬
glieder, die Bürger, für ihr Gedeihen solidarisch mit einander verbunden waren,
wenn sie auch nicht mehr wie die Stadtbürger in früherer Zeit mit ihrer
Person und mit ihrer gesamten Habe für die Schulden der Gemeinschaft
hafteten." Den Holländern folgten die Engländer nach. Dreihundert Jahre
nach der Zeit, wo die italienischen Städter schon Virtuosen des Gewerbes, des
Handels und des Geldgeschäfts gewesen waren, unter Elisabeth, waren sie noch


Die Entstehung des Staatsschuldenwesens und der Börsen

Zinses wurde ihm gleich bei Auszahlung des Darlehens abgezogen. Der Zins¬
fuß für Fürstencmleihen stand stets über dem Börsenzinsfuß. Konnte doch der
Fürst bei dem damaligen Zustande des Steuerwesens keine andre Sicherheit
bieten als sein Wort, Pfänder, die der Gläubiger selbst uuter Hindernissen zu
Gelde zu machen hatte, und die Hoffnung auf sein Kriegsglück. Nur der fran¬
zösische König war in der Lage, seine Unterthanen zu besteuern, und in Frank¬
reich zuerst wurde der Finanzminister aus einem Unterhändler mit Geldleuten
ihr Herr. (Weil xs,rei der Kunstausdruck für ein Finanzgeschäft war, wurden
seine Geldleute seine Partisane genannt, und da sie eine politische Rolle spielten,
so nahm das Wort xartis^u allmählich seine heutige Bedeutung an.) Indes
ist es ja bekannt, wie die finanzielle Allmacht der französischen Krone das
Land zuletzt in einen allgemeinen Bankrott gestürzt und einem ihrer Träger den
Kopf gekostet hat.

Ganz anders verlief die Sache in deu frei gewordnen Niederlanden. „Wer
dem achtzigjähriger glorreichen Freiheitskämpfe der kleinen Niederlande gegen
das Weltreich Spanien gerechte Bewunderung zollt, darf nicht vergessen, daß
davon ein guter Teil dem niederländischen Staatskredit gebührt. Die Stand-
haftigkeit des Volkes und das Genie der Orcmier in allen Ehren; aber auf
die Länge der Zeit hätten sie nicht ausgereicht, um den Sieg zu erringen,
und noch weit mehr als irgendwo sonst gilt hier der Spruch: xecmuis, nervus
bslli." Die niederländische Seemacht brachte allerdings mehr ein, als sie kostete,
aber die Landheere kosteten Geld, und die um Bundesgenossen zu zahlenden
Subsidien kosteten noch mehr. Der Kredit des winzigen Staates aber ward
keinen Augenblick erschüttert; auch in den schlimmsten Lagen hielt er seinen
Gläubigern Wort, und der Zinsfuß seiner Anleihen sank bis auf vier Prozent.
Wie brachte er dieses Wunder fertig? Zunächst dadurch, daß das Volk rast¬
los, auch im Kriege, Geld verdiente. Der Handel führte den Kaufleuten solche
Reichtümer zu, daß sie den Gemeinden und den Staaten ihre überflüssigen
Gelder anboten und die Anleihen nicht zurückgezahlt habe» mochten, auch
wenn der Schuldner dazu bereit war. Dann durch ihre Verfassung, die der
der mittelalterlichen Städte entsprach, die ebenfalls schon Kredit gehabt hatten,
während die Fürsten niemals welchen hatten. „Die Republik der Niederlande
war ja ein vorzugsweise aus Städten bestehendes Gemeinwesen. Ihr Kredit
beruhte zunächst auf dem der einzelnen Provinzen, dieser wieder auf dem der
Städte. Jede Stadt und jede Provinz bildete eine Korporation, deren Mit¬
glieder, die Bürger, für ihr Gedeihen solidarisch mit einander verbunden waren,
wenn sie auch nicht mehr wie die Stadtbürger in früherer Zeit mit ihrer
Person und mit ihrer gesamten Habe für die Schulden der Gemeinschaft
hafteten." Den Holländern folgten die Engländer nach. Dreihundert Jahre
nach der Zeit, wo die italienischen Städter schon Virtuosen des Gewerbes, des
Handels und des Geldgeschäfts gewesen waren, unter Elisabeth, waren sie noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/285>, abgerufen am 18.06.2024.