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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Der Friede von Abif Abeba und seine Folgen

längere glückwünschende Depesche unmittelbar an König Umberto I. gerichtet:
es ist nichts darüber bekannt geworden, daß dieser entsprechend geantwortet
hätte. Bei dem Kummer des Königs über die Entwicklung der afrikanischen
Dinge ist das auch unwahrscheinlich.

Artikel 9. Der gegenwärtige Friedensvertrcig ist in amharischer und franzö¬
sischer Sprache und zwar mit völlig gleichlautenden Text abgefaßt und in zwei
von beiden Parteien zu unterzeichnenden Exemplaren ausgefertigt, von denen das
eine in den Händen S. M. des Königs von Italien, das andre in den Händen
S. M. des Kaisers von Äthiopier bleibt.

Der Vertrag von Utschalli war in amharischer und italienischer Sprache
aufgestellt. Menelik machte bei seinem Widerstand gegen den Schntzherrschasts-
artikel geltend, daß die beiden Texte nicht mit einander übereinstimmten.

Aus den minder wichtigen Übereinkommen, betreffend die Freigebung der
Kriegsgefangnen, sei hier nur angeführt, daß sie ohne Lösegeld geschieht, daß
aber für die Verpflegung der Gefangnen seit dem 1. März 1896 eine von der
italienischen Regierung festzusetzende Entschädigungssumme zu zahlen ist. So
wurde diese peinliche Angelegenheit in einer für Italien am wenigsten ver¬
letzenden Weise geordnet. Daß nicht in geheimen Abmachungen der Ent¬
schädigungspreis von vornherein festgesetzt gewesen sei. hat 1)r. Nerazzini nach
seiner Rückkehr ausdrücklich versichert. Auch insoweit schonte Menelik das
italienische Nationalgefühl, als er dem königlichen Italien zuliebe und natür¬
lich auch, um ein wirksames Druckmittel nicht aus der Hand zu geben, dem
Papste die erhellte Freilassung der Gefangnen versagte. Vatikanische Quellen
suchten diesen Mißerfolg des päpstlichen Abgesandten Macarius mit Meueliks
Verstimmung wegen der Wegnahme der "Doelwyk" zu erklären. Das ist wenig
glaubhaft, denn Menelik wird sich deshalb nur geringe Sorge gemacht haben,
wie denn auch thatsächlich durch Spruch des Priseugerichts vom 8. Dezember
1896 Schiff und Ladung (45316 Mehrladegewehre und 5025832 Patronen)
mit Rücksicht auf deu Friedensschluß ihren Eignern zurückgegeben wurden.
Größere Wahrscheinlichkeit hat die im übrigen uukoutrollirbare Nachricht für
sich, daß der Zar einen gelinden Druck im Sinne des Friedens auf den Negus
ausgeübt habe. Die Hauptsache wird aber wohl der Geschicklichkeit Nerazziuis
zu verdanken sein.

Sehen wir uns nun die Folgeerscheinungen des Friedens von Abif Abeba
"n, so gewinnt es fast deu Anschein, als sei dort eine der seltnen Partien zu
Ende gespielt worden, bei denen es keinen Verlierer giebt. Freude und Be-
friedigung auf der ganzen Linie!

In Italien atmete man, als die Kunde von dem Friedensschluß anlangte,
wie von einem schweren Alp befreit auf, und es fehlte nicht viel, daß sich das
Land in jubelnden Kundgebungen ergangen hätte. Städte und Gemeinden
sandten Glückwunschtelegramme nach Rom, die Regierungsblätter lobten den


Der Friede von Abif Abeba und seine Folgen

längere glückwünschende Depesche unmittelbar an König Umberto I. gerichtet:
es ist nichts darüber bekannt geworden, daß dieser entsprechend geantwortet
hätte. Bei dem Kummer des Königs über die Entwicklung der afrikanischen
Dinge ist das auch unwahrscheinlich.

Artikel 9. Der gegenwärtige Friedensvertrcig ist in amharischer und franzö¬
sischer Sprache und zwar mit völlig gleichlautenden Text abgefaßt und in zwei
von beiden Parteien zu unterzeichnenden Exemplaren ausgefertigt, von denen das
eine in den Händen S. M. des Königs von Italien, das andre in den Händen
S. M. des Kaisers von Äthiopier bleibt.

Der Vertrag von Utschalli war in amharischer und italienischer Sprache
aufgestellt. Menelik machte bei seinem Widerstand gegen den Schntzherrschasts-
artikel geltend, daß die beiden Texte nicht mit einander übereinstimmten.

Aus den minder wichtigen Übereinkommen, betreffend die Freigebung der
Kriegsgefangnen, sei hier nur angeführt, daß sie ohne Lösegeld geschieht, daß
aber für die Verpflegung der Gefangnen seit dem 1. März 1896 eine von der
italienischen Regierung festzusetzende Entschädigungssumme zu zahlen ist. So
wurde diese peinliche Angelegenheit in einer für Italien am wenigsten ver¬
letzenden Weise geordnet. Daß nicht in geheimen Abmachungen der Ent¬
schädigungspreis von vornherein festgesetzt gewesen sei. hat 1)r. Nerazzini nach
seiner Rückkehr ausdrücklich versichert. Auch insoweit schonte Menelik das
italienische Nationalgefühl, als er dem königlichen Italien zuliebe und natür¬
lich auch, um ein wirksames Druckmittel nicht aus der Hand zu geben, dem
Papste die erhellte Freilassung der Gefangnen versagte. Vatikanische Quellen
suchten diesen Mißerfolg des päpstlichen Abgesandten Macarius mit Meueliks
Verstimmung wegen der Wegnahme der „Doelwyk" zu erklären. Das ist wenig
glaubhaft, denn Menelik wird sich deshalb nur geringe Sorge gemacht haben,
wie denn auch thatsächlich durch Spruch des Priseugerichts vom 8. Dezember
1896 Schiff und Ladung (45316 Mehrladegewehre und 5025832 Patronen)
mit Rücksicht auf deu Friedensschluß ihren Eignern zurückgegeben wurden.
Größere Wahrscheinlichkeit hat die im übrigen uukoutrollirbare Nachricht für
sich, daß der Zar einen gelinden Druck im Sinne des Friedens auf den Negus
ausgeübt habe. Die Hauptsache wird aber wohl der Geschicklichkeit Nerazziuis
zu verdanken sein.

Sehen wir uns nun die Folgeerscheinungen des Friedens von Abif Abeba
«n, so gewinnt es fast deu Anschein, als sei dort eine der seltnen Partien zu
Ende gespielt worden, bei denen es keinen Verlierer giebt. Freude und Be-
friedigung auf der ganzen Linie!

In Italien atmete man, als die Kunde von dem Friedensschluß anlangte,
wie von einem schweren Alp befreit auf, und es fehlte nicht viel, daß sich das
Land in jubelnden Kundgebungen ergangen hätte. Städte und Gemeinden
sandten Glückwunschtelegramme nach Rom, die Regierungsblätter lobten den


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[0279] Der Friede von Abif Abeba und seine Folgen längere glückwünschende Depesche unmittelbar an König Umberto I. gerichtet: es ist nichts darüber bekannt geworden, daß dieser entsprechend geantwortet hätte. Bei dem Kummer des Königs über die Entwicklung der afrikanischen Dinge ist das auch unwahrscheinlich. Artikel 9. Der gegenwärtige Friedensvertrcig ist in amharischer und franzö¬ sischer Sprache und zwar mit völlig gleichlautenden Text abgefaßt und in zwei von beiden Parteien zu unterzeichnenden Exemplaren ausgefertigt, von denen das eine in den Händen S. M. des Königs von Italien, das andre in den Händen S. M. des Kaisers von Äthiopier bleibt. Der Vertrag von Utschalli war in amharischer und italienischer Sprache aufgestellt. Menelik machte bei seinem Widerstand gegen den Schntzherrschasts- artikel geltend, daß die beiden Texte nicht mit einander übereinstimmten. Aus den minder wichtigen Übereinkommen, betreffend die Freigebung der Kriegsgefangnen, sei hier nur angeführt, daß sie ohne Lösegeld geschieht, daß aber für die Verpflegung der Gefangnen seit dem 1. März 1896 eine von der italienischen Regierung festzusetzende Entschädigungssumme zu zahlen ist. So wurde diese peinliche Angelegenheit in einer für Italien am wenigsten ver¬ letzenden Weise geordnet. Daß nicht in geheimen Abmachungen der Ent¬ schädigungspreis von vornherein festgesetzt gewesen sei. hat 1)r. Nerazzini nach seiner Rückkehr ausdrücklich versichert. Auch insoweit schonte Menelik das italienische Nationalgefühl, als er dem königlichen Italien zuliebe und natür¬ lich auch, um ein wirksames Druckmittel nicht aus der Hand zu geben, dem Papste die erhellte Freilassung der Gefangnen versagte. Vatikanische Quellen suchten diesen Mißerfolg des päpstlichen Abgesandten Macarius mit Meueliks Verstimmung wegen der Wegnahme der „Doelwyk" zu erklären. Das ist wenig glaubhaft, denn Menelik wird sich deshalb nur geringe Sorge gemacht haben, wie denn auch thatsächlich durch Spruch des Priseugerichts vom 8. Dezember 1896 Schiff und Ladung (45316 Mehrladegewehre und 5025832 Patronen) mit Rücksicht auf deu Friedensschluß ihren Eignern zurückgegeben wurden. Größere Wahrscheinlichkeit hat die im übrigen uukoutrollirbare Nachricht für sich, daß der Zar einen gelinden Druck im Sinne des Friedens auf den Negus ausgeübt habe. Die Hauptsache wird aber wohl der Geschicklichkeit Nerazziuis zu verdanken sein. Sehen wir uns nun die Folgeerscheinungen des Friedens von Abif Abeba «n, so gewinnt es fast deu Anschein, als sei dort eine der seltnen Partien zu Ende gespielt worden, bei denen es keinen Verlierer giebt. Freude und Be- friedigung auf der ganzen Linie! In Italien atmete man, als die Kunde von dem Friedensschluß anlangte, wie von einem schweren Alp befreit auf, und es fehlte nicht viel, daß sich das Land in jubelnden Kundgebungen ergangen hätte. Städte und Gemeinden sandten Glückwunschtelegramme nach Rom, die Regierungsblätter lobten den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/279>, abgerufen am 18.06.2024.