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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts

Was sodann den von Preußen vorgeschlagnen Reichsgerichtsrat Meyn
angeht (der Herr ist so deutlich bezeichnet, daß er wohl erlauben wird, ihn
der Kürze halber beim Namen zu nennen), so muß Henrici selber zugeben, daß
er schon jetzt zu bessern Erwartungen für das Reichsgericht berechtigt, als ein
andrer (welcher?), der nicht "Verwaltungsbeamter," sondern lange genug höherer
Justizbeamter gewesen war, und das -- die Befähigung -- ist doch schließlich
die Hauptsache, aber nicht, wo und wie sich der Mann die Befähigung er¬
worben hat. Wenn sich trotzdem Henrici an Meyns Berufung so sehr stößt,
daß er ihm eine volle Seite widmet, so hätte er das Beispiel vielleicht besser
mit dem des einzigen von ihm namhaft gemachten Rintelen vertauscht. Rinteleu
war, soviel bekannt, in den fünfundzwanzig Jahren seit seiner Ernennung zum
Gerichtsassessor mit einer Unterbrechung von nur zwei Jahren, wo er als
Kreisrichter (uicht einmal, wie Meyn, vier Jahre lang als Amtsrichter unter
den neuen Justizgesetzen) thätig war, "Verwaltuugsbeamter" gewesen, hatte
größtenteils, wie Meyn, in Landeskultursachen, in den letzten Jahren in Forst¬
sachen "Verwendung gefunden," stand also bei seinem Eintritt ins Reichsgericht
der Rechtspflege der ordentlichen Gerichte weit ferner als Meyn. Auch seine
Berufung soll, nach Zeitungsnotizen aus jener Zeit, "verstimmt" und "beun¬
ruhigt" haben, und nachdem er ein Jahrzehnt beim Reichsgericht gestanden
hat, würde Henrici ja wohl anch an der Hand der mit ihm gemachten Er¬
fahrungen die Berechtigung der an eine solche Berufung sich knüpfenden Be¬
fürchtungen haben zeigen können. Übrigens dürfte, was Meyn angeht, darauf
aufmerksam zu machen sein, daß das Oberverwaltungsgericht eine dnrch seine
vom Reichsgericht nicht stets nach Gebühr beachtete Rechtsprechung besonders
hervorragende richterliche Behörde ist, daß auch die etatsmäßigen Mitglieder
der preußischen Generalkommissionen und des Ober-Landesknltnrgerichts richter¬
liche Beamte sind, und daß nach ihrer Zuständigkeit das Rechtsgebiet, mit
dem sich diese Behörden zu beschäftigen haben, so umfassend ist, daß ihre
Mitglieder -- abgesehen von den auf anderm, als dem Rechtsgebiete, von ihnen
geforderten Kenntnissen -- höchstens auf dem Gebiete des besondern Proze߬
rechts jener Behörden, nicht aber auf dem des materiellen Rechts als "Spezia-
listen" bezeichnet werden dürfen.") Wir möchten deshalb auch vermuten, daß,
wenn die Berufung Meyns an Nintelens Stelle einem Wunsche des fünften
Zivilsenats entsprochen haben sollte, dieser Wunsch bessere Gründe gehabt
haben werde, als den von Henrici als allein möglich angenommnen, daß man
jemand habe haben wollen, auf den die Sachen des Ober-Landesknltnrgerichts
als "recht zeitraubende und unbequeme" hätte abgeladen werden können.

Bis etwas besseres gefunden wird, möge es also bei der bisherigen Art



Übrigens sind auch wirkliche
Reichsgerichte geradezu unentbehrlich."Spezinlisten" in einer Reihe von Rechtsdisziplincn dem
Grenzboten I 18S7Ä>
Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts

Was sodann den von Preußen vorgeschlagnen Reichsgerichtsrat Meyn
angeht (der Herr ist so deutlich bezeichnet, daß er wohl erlauben wird, ihn
der Kürze halber beim Namen zu nennen), so muß Henrici selber zugeben, daß
er schon jetzt zu bessern Erwartungen für das Reichsgericht berechtigt, als ein
andrer (welcher?), der nicht „Verwaltungsbeamter," sondern lange genug höherer
Justizbeamter gewesen war, und das — die Befähigung — ist doch schließlich
die Hauptsache, aber nicht, wo und wie sich der Mann die Befähigung er¬
worben hat. Wenn sich trotzdem Henrici an Meyns Berufung so sehr stößt,
daß er ihm eine volle Seite widmet, so hätte er das Beispiel vielleicht besser
mit dem des einzigen von ihm namhaft gemachten Rintelen vertauscht. Rinteleu
war, soviel bekannt, in den fünfundzwanzig Jahren seit seiner Ernennung zum
Gerichtsassessor mit einer Unterbrechung von nur zwei Jahren, wo er als
Kreisrichter (uicht einmal, wie Meyn, vier Jahre lang als Amtsrichter unter
den neuen Justizgesetzen) thätig war, „Verwaltuugsbeamter" gewesen, hatte
größtenteils, wie Meyn, in Landeskultursachen, in den letzten Jahren in Forst¬
sachen „Verwendung gefunden," stand also bei seinem Eintritt ins Reichsgericht
der Rechtspflege der ordentlichen Gerichte weit ferner als Meyn. Auch seine
Berufung soll, nach Zeitungsnotizen aus jener Zeit, „verstimmt" und „beun¬
ruhigt" haben, und nachdem er ein Jahrzehnt beim Reichsgericht gestanden
hat, würde Henrici ja wohl anch an der Hand der mit ihm gemachten Er¬
fahrungen die Berechtigung der an eine solche Berufung sich knüpfenden Be¬
fürchtungen haben zeigen können. Übrigens dürfte, was Meyn angeht, darauf
aufmerksam zu machen sein, daß das Oberverwaltungsgericht eine dnrch seine
vom Reichsgericht nicht stets nach Gebühr beachtete Rechtsprechung besonders
hervorragende richterliche Behörde ist, daß auch die etatsmäßigen Mitglieder
der preußischen Generalkommissionen und des Ober-Landesknltnrgerichts richter¬
liche Beamte sind, und daß nach ihrer Zuständigkeit das Rechtsgebiet, mit
dem sich diese Behörden zu beschäftigen haben, so umfassend ist, daß ihre
Mitglieder — abgesehen von den auf anderm, als dem Rechtsgebiete, von ihnen
geforderten Kenntnissen — höchstens auf dem Gebiete des besondern Proze߬
rechts jener Behörden, nicht aber auf dem des materiellen Rechts als „Spezia-
listen" bezeichnet werden dürfen.") Wir möchten deshalb auch vermuten, daß,
wenn die Berufung Meyns an Nintelens Stelle einem Wunsche des fünften
Zivilsenats entsprochen haben sollte, dieser Wunsch bessere Gründe gehabt
haben werde, als den von Henrici als allein möglich angenommnen, daß man
jemand habe haben wollen, auf den die Sachen des Ober-Landesknltnrgerichts
als „recht zeitraubende und unbequeme" hätte abgeladen werden können.

Bis etwas besseres gefunden wird, möge es also bei der bisherigen Art



Übrigens sind auch wirkliche
Reichsgerichte geradezu unentbehrlich.„Spezinlisten" in einer Reihe von Rechtsdisziplincn dem
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[0233] Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts Was sodann den von Preußen vorgeschlagnen Reichsgerichtsrat Meyn angeht (der Herr ist so deutlich bezeichnet, daß er wohl erlauben wird, ihn der Kürze halber beim Namen zu nennen), so muß Henrici selber zugeben, daß er schon jetzt zu bessern Erwartungen für das Reichsgericht berechtigt, als ein andrer (welcher?), der nicht „Verwaltungsbeamter," sondern lange genug höherer Justizbeamter gewesen war, und das — die Befähigung — ist doch schließlich die Hauptsache, aber nicht, wo und wie sich der Mann die Befähigung er¬ worben hat. Wenn sich trotzdem Henrici an Meyns Berufung so sehr stößt, daß er ihm eine volle Seite widmet, so hätte er das Beispiel vielleicht besser mit dem des einzigen von ihm namhaft gemachten Rintelen vertauscht. Rinteleu war, soviel bekannt, in den fünfundzwanzig Jahren seit seiner Ernennung zum Gerichtsassessor mit einer Unterbrechung von nur zwei Jahren, wo er als Kreisrichter (uicht einmal, wie Meyn, vier Jahre lang als Amtsrichter unter den neuen Justizgesetzen) thätig war, „Verwaltuugsbeamter" gewesen, hatte größtenteils, wie Meyn, in Landeskultursachen, in den letzten Jahren in Forst¬ sachen „Verwendung gefunden," stand also bei seinem Eintritt ins Reichsgericht der Rechtspflege der ordentlichen Gerichte weit ferner als Meyn. Auch seine Berufung soll, nach Zeitungsnotizen aus jener Zeit, „verstimmt" und „beun¬ ruhigt" haben, und nachdem er ein Jahrzehnt beim Reichsgericht gestanden hat, würde Henrici ja wohl anch an der Hand der mit ihm gemachten Er¬ fahrungen die Berechtigung der an eine solche Berufung sich knüpfenden Be¬ fürchtungen haben zeigen können. Übrigens dürfte, was Meyn angeht, darauf aufmerksam zu machen sein, daß das Oberverwaltungsgericht eine dnrch seine vom Reichsgericht nicht stets nach Gebühr beachtete Rechtsprechung besonders hervorragende richterliche Behörde ist, daß auch die etatsmäßigen Mitglieder der preußischen Generalkommissionen und des Ober-Landesknltnrgerichts richter¬ liche Beamte sind, und daß nach ihrer Zuständigkeit das Rechtsgebiet, mit dem sich diese Behörden zu beschäftigen haben, so umfassend ist, daß ihre Mitglieder — abgesehen von den auf anderm, als dem Rechtsgebiete, von ihnen geforderten Kenntnissen — höchstens auf dem Gebiete des besondern Proze߬ rechts jener Behörden, nicht aber auf dem des materiellen Rechts als „Spezia- listen" bezeichnet werden dürfen.") Wir möchten deshalb auch vermuten, daß, wenn die Berufung Meyns an Nintelens Stelle einem Wunsche des fünften Zivilsenats entsprochen haben sollte, dieser Wunsch bessere Gründe gehabt haben werde, als den von Henrici als allein möglich angenommnen, daß man jemand habe haben wollen, auf den die Sachen des Ober-Landesknltnrgerichts als „recht zeitraubende und unbequeme" hätte abgeladen werden können. Bis etwas besseres gefunden wird, möge es also bei der bisherigen Art Übrigens sind auch wirkliche Reichsgerichte geradezu unentbehrlich.„Spezinlisten" in einer Reihe von Rechtsdisziplincn dem Grenzboten I 18S7Ä>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/233>, abgerufen am 26.06.2024.