Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Juristische Rcindbemerkmigen zum Fall Kotze Verdacht gegen Herrn v. Kotze forteilt wie eine fixe Idee beherrschte? Man Fassen wir nur einmal kurz den Kreis der mit der Sache befaßten Per¬ Daß seine dienstlichen Vorgesetzten Herrn v. Kotze schon vor Ein¬ Wir kommen nun zu dem Gerichtsherren, dem nach 8 77 der Militär¬ Juristische Rcindbemerkmigen zum Fall Kotze Verdacht gegen Herrn v. Kotze forteilt wie eine fixe Idee beherrschte? Man Fassen wir nur einmal kurz den Kreis der mit der Sache befaßten Per¬ Daß seine dienstlichen Vorgesetzten Herrn v. Kotze schon vor Ein¬ Wir kommen nun zu dem Gerichtsherren, dem nach 8 77 der Militär¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223660"/> <fw type="header" place="top"> Juristische Rcindbemerkmigen zum Fall Kotze</fw><lb/> <p xml:id="ID_210" prev="#ID_209"> Verdacht gegen Herrn v. Kotze forteilt wie eine fixe Idee beherrschte? Man<lb/> würde, wenn man Friedmann folgen wollte, wohl oder übel glauben müssen,<lb/> daß Herr v. Schrader mit der Energie seines Hasses alle Welt unter den Bann<lb/> einer hypnotischen Suggestion gezwungen habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_211"> Fassen wir nur einmal kurz den Kreis der mit der Sache befaßten Per¬<lb/> sonen ins Auge, die nach Friedmanns Erzählung im Lnnfe der Untersuchung<lb/> von der Schuld des Verdächtigten mehr oder minder fest überzeugt gewesen<lb/> sind. Ich will hierbei nicht bloß von Herrn v. Schrader, sondern auch vou<lb/> den sämtlichen übrigen Beleidigten absehen, die durch die Stellung von<lb/> Strafmitrügen immerhin ein gewisses Interesse an der Verfolgung des An¬<lb/> geschuldigten bethätigt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_212"> Daß seine dienstlichen Vorgesetzten Herrn v. Kotze schon vor Ein¬<lb/> leitung der gerichtlichen Untersuchung als so schwer belastet ansahen, daß sie<lb/> wenigstens ein disziplinares Einschreiten für unerläßlich hielten, und daß sich<lb/> Fürst Stolberg verpflichtet fühlte, diese Überzeugung in amtlichen Vortrage<lb/> dem Kaiser gegenüber auszusprechen, berichtet Friedmann ausführlich. Ich<lb/> habe diese Dinge schon oben in anderm Zusammenhange berührt. An diese<lb/> Gruppe, die von den nächsten Vorgesetzten des Herrn v. Kotze und zugleich<lb/> den höchsten Beamten der Hvfverwaltnng gebildet wird, schließen sich un¬<lb/> mittelbar die mit der Sache befaßten Militärjnstizbecunten an, unter ihnen vor<lb/> allem Herr Heinrich, der als Auditeur den bei weiten« größten Teil der Unter¬<lb/> suchung geleitet hat. Er ist es, über dessen Haupt Friedmann nicht müde<lb/> wird die vollsten Schalen seines Zornes und seines Spottes auszugießen, weil<lb/> er seine Überzeugung von der Schuld des Herrn v. Kotze nicht ohne weiteres<lb/> aufzugeben vermochte.</p><lb/> <p xml:id="ID_213"> Wir kommen nun zu dem Gerichtsherren, dem nach 8 77 der Militär¬<lb/> strafgerichtsordnung als dem Vorstände des Militärgerichts bei allen Verfü¬<lb/> gungen die Leitung und Entscheidung obliegt. Auch die Person des Gericht-<lb/> Herrn hat im Laufe der Untersuchung gewechselt; an die Stelle des Generals<lb/> v. Pape ist nachmals der General Prinz von Hohenzollern getreten. Von<lb/> diesem bemerkt Friedmann, daß er von Anfang an ans seiner tiefen und un¬<lb/> erschütterlichen Überzeugung von der Schuld des Zeremonicnmeisters kein Hehl<lb/> gemacht habe. Auf die Stellung, die General v. Pape zur Sache einge¬<lb/> nommen hat, werde ich später zurückkommen, indem ich znnüchst noch die Liste<lb/> der Personen, die den Verdacht gegen Herrn v. Kotze lange Zeit hindurch<lb/> für wohlbegründet hielten, dadurch vervollständige, daß ich ihr den Namen<lb/> des Oberstaatsanwalts Drescher, des ersten Staatsanwalts beim Landgericht<lb/> Berlin I, hinzufüge. Auf diesen, wie ans Herrn Heinrich scheint Friedmann<lb/> einen besondern Groll zu haben. Herr Drescher ist ihm, wie Friedmann selbst<lb/> erwähnt, persönlich nicht besonders gewogen gewesen, und Friedmann benutzt<lb/> nun diese Gelegenheit dazu, ein wenig mit ihm abzurechnen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Juristische Rcindbemerkmigen zum Fall Kotze
Verdacht gegen Herrn v. Kotze forteilt wie eine fixe Idee beherrschte? Man
würde, wenn man Friedmann folgen wollte, wohl oder übel glauben müssen,
daß Herr v. Schrader mit der Energie seines Hasses alle Welt unter den Bann
einer hypnotischen Suggestion gezwungen habe.
Fassen wir nur einmal kurz den Kreis der mit der Sache befaßten Per¬
sonen ins Auge, die nach Friedmanns Erzählung im Lnnfe der Untersuchung
von der Schuld des Verdächtigten mehr oder minder fest überzeugt gewesen
sind. Ich will hierbei nicht bloß von Herrn v. Schrader, sondern auch vou
den sämtlichen übrigen Beleidigten absehen, die durch die Stellung von
Strafmitrügen immerhin ein gewisses Interesse an der Verfolgung des An¬
geschuldigten bethätigt haben.
Daß seine dienstlichen Vorgesetzten Herrn v. Kotze schon vor Ein¬
leitung der gerichtlichen Untersuchung als so schwer belastet ansahen, daß sie
wenigstens ein disziplinares Einschreiten für unerläßlich hielten, und daß sich
Fürst Stolberg verpflichtet fühlte, diese Überzeugung in amtlichen Vortrage
dem Kaiser gegenüber auszusprechen, berichtet Friedmann ausführlich. Ich
habe diese Dinge schon oben in anderm Zusammenhange berührt. An diese
Gruppe, die von den nächsten Vorgesetzten des Herrn v. Kotze und zugleich
den höchsten Beamten der Hvfverwaltnng gebildet wird, schließen sich un¬
mittelbar die mit der Sache befaßten Militärjnstizbecunten an, unter ihnen vor
allem Herr Heinrich, der als Auditeur den bei weiten« größten Teil der Unter¬
suchung geleitet hat. Er ist es, über dessen Haupt Friedmann nicht müde
wird die vollsten Schalen seines Zornes und seines Spottes auszugießen, weil
er seine Überzeugung von der Schuld des Herrn v. Kotze nicht ohne weiteres
aufzugeben vermochte.
Wir kommen nun zu dem Gerichtsherren, dem nach 8 77 der Militär¬
strafgerichtsordnung als dem Vorstände des Militärgerichts bei allen Verfü¬
gungen die Leitung und Entscheidung obliegt. Auch die Person des Gericht-
Herrn hat im Laufe der Untersuchung gewechselt; an die Stelle des Generals
v. Pape ist nachmals der General Prinz von Hohenzollern getreten. Von
diesem bemerkt Friedmann, daß er von Anfang an ans seiner tiefen und un¬
erschütterlichen Überzeugung von der Schuld des Zeremonicnmeisters kein Hehl
gemacht habe. Auf die Stellung, die General v. Pape zur Sache einge¬
nommen hat, werde ich später zurückkommen, indem ich znnüchst noch die Liste
der Personen, die den Verdacht gegen Herrn v. Kotze lange Zeit hindurch
für wohlbegründet hielten, dadurch vervollständige, daß ich ihr den Namen
des Oberstaatsanwalts Drescher, des ersten Staatsanwalts beim Landgericht
Berlin I, hinzufüge. Auf diesen, wie ans Herrn Heinrich scheint Friedmann
einen besondern Groll zu haben. Herr Drescher ist ihm, wie Friedmann selbst
erwähnt, persönlich nicht besonders gewogen gewesen, und Friedmann benutzt
nun diese Gelegenheit dazu, ein wenig mit ihm abzurechnen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |