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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Der deutsch-französische Litterarvertrag

S. 261: vier Preußische Dragoner erbrechen die Kellerpforte ihres Quartier¬
wirtes und trinken in fünf Tagen sechzig Flaschen Wein aus.

S, 262: ein preußischer Offizier sagt, der Friede sei zu früh geschlossen
worden, "Frankreich hat noch nicht genug gelitten, es ist noch nicht genügend ruinirt."

S. 269: die Preußen verbrennen eine ganze Familie, vier Kinder, Vater und
Mutter (in Moziöres).

S. 287: die alte Fabel, die Preußen hätten Se. Cloud zerstört, "eine Hand¬
lung, die kaltblütig überlegt und unbarmherzig ausgeführt wurde." "Bismnrck hat
das Schloß zerstört, die Stadt geplündert und alles verbrannt." "Er hat Gewicht
darauf gelegt, diesen Akt des Politischen, historischen und philosophischen Wanda¬
lismus zu begehen." "Darüber hat sich besonders auch jener protestantische Pastor
gefreut, der am 18. Januar in Versailles, in der AÄsriö ass Alaess, am Tage
der Krönung (Äo!) des Kaisers Wilhelm, im Namen der Religion die Zerstörung
von Paris verlangt hatte. Mau muß den Namen dieses guten Priesters für die
Geschichte aufbewahre". Er hieß Rogge, Hofprediger und Militärgeistlicher. Den
Arm gen Paris ausgestreckt, hatte er sein Usus kölök über das moderne Babylon
ausgerufen. Der König Wilhelm ist ein frommer Mann und gelehrig für die
Stimme der Religion; aber Paris zerstören, er hat es nicht gekonnt oder nicht
gewagt. Er wollte aber doch etwas thun, um dem Hofprediger gefällig zu sein,
und an dem Tage, als Jules Favre in Versailles die Kapitulation von Paris
verhandelte, hat der König Wilhelm zu Herrn von Moltke gesagt: "Wir wollen
uns beeilen, denn der Krieg geht zu Ende, laßt uns Se. Cloud verbrennen, ohne
auch nur eine Minute zu verlieren." Und Se. Cloud brannte, die Stimme der
Religion war erhört."

S. 283 werden die Deutschen "Schweine" genannt (oodions).

Man sieht aus diesem Beispiele, wie nötig es war, wenn man das Buch
im Unterricht verwerten wollte -- und dazu liegt nach seinem übrigen Inhalt
viel Anlaß vor --, es bedeutend'zu kürzen. Und so walten bei den meisten
andern französischen Büchern Rücksichten vor, die die Benutzung der Original¬
ausgabe im Unterrichte verbieten.

Worauf es mir ankam, das war, auf die Gefahr aufmerksam zu machen,
die durch das Vorgehen der französischen Verlagsbuchhändler zweifellos für
den französischen Unterricht und damit für die deutsche Schule heraufbeschworen
ist. Es kann uns ja das uicht berühren, daß etwa das geschäftliche Interesse
einer Reihe von deutschen Verlagsbuchhandlungen geschädigt werden konnte;
wohl aber hat die Sache ihre wichtige pädagogische Seite: es gilt, die Schule
vor der Möglichkeit einer schweren Schädigung zu schützen.




Der deutsch-französische Litterarvertrag

S. 261: vier Preußische Dragoner erbrechen die Kellerpforte ihres Quartier¬
wirtes und trinken in fünf Tagen sechzig Flaschen Wein aus.

S, 262: ein preußischer Offizier sagt, der Friede sei zu früh geschlossen
worden, „Frankreich hat noch nicht genug gelitten, es ist noch nicht genügend ruinirt."

S. 269: die Preußen verbrennen eine ganze Familie, vier Kinder, Vater und
Mutter (in Moziöres).

S. 287: die alte Fabel, die Preußen hätten Se. Cloud zerstört, „eine Hand¬
lung, die kaltblütig überlegt und unbarmherzig ausgeführt wurde." „Bismnrck hat
das Schloß zerstört, die Stadt geplündert und alles verbrannt." „Er hat Gewicht
darauf gelegt, diesen Akt des Politischen, historischen und philosophischen Wanda¬
lismus zu begehen." „Darüber hat sich besonders auch jener protestantische Pastor
gefreut, der am 18. Januar in Versailles, in der AÄsriö ass Alaess, am Tage
der Krönung (Äo!) des Kaisers Wilhelm, im Namen der Religion die Zerstörung
von Paris verlangt hatte. Mau muß den Namen dieses guten Priesters für die
Geschichte aufbewahre». Er hieß Rogge, Hofprediger und Militärgeistlicher. Den
Arm gen Paris ausgestreckt, hatte er sein Usus kölök über das moderne Babylon
ausgerufen. Der König Wilhelm ist ein frommer Mann und gelehrig für die
Stimme der Religion; aber Paris zerstören, er hat es nicht gekonnt oder nicht
gewagt. Er wollte aber doch etwas thun, um dem Hofprediger gefällig zu sein,
und an dem Tage, als Jules Favre in Versailles die Kapitulation von Paris
verhandelte, hat der König Wilhelm zu Herrn von Moltke gesagt: »Wir wollen
uns beeilen, denn der Krieg geht zu Ende, laßt uns Se. Cloud verbrennen, ohne
auch nur eine Minute zu verlieren.« Und Se. Cloud brannte, die Stimme der
Religion war erhört."

S. 283 werden die Deutschen „Schweine" genannt (oodions).

Man sieht aus diesem Beispiele, wie nötig es war, wenn man das Buch
im Unterricht verwerten wollte — und dazu liegt nach seinem übrigen Inhalt
viel Anlaß vor —, es bedeutend'zu kürzen. Und so walten bei den meisten
andern französischen Büchern Rücksichten vor, die die Benutzung der Original¬
ausgabe im Unterrichte verbieten.

Worauf es mir ankam, das war, auf die Gefahr aufmerksam zu machen,
die durch das Vorgehen der französischen Verlagsbuchhändler zweifellos für
den französischen Unterricht und damit für die deutsche Schule heraufbeschworen
ist. Es kann uns ja das uicht berühren, daß etwa das geschäftliche Interesse
einer Reihe von deutschen Verlagsbuchhandlungen geschädigt werden konnte;
wohl aber hat die Sache ihre wichtige pädagogische Seite: es gilt, die Schule
vor der Möglichkeit einer schweren Schädigung zu schützen.




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[0643] Der deutsch-französische Litterarvertrag S. 261: vier Preußische Dragoner erbrechen die Kellerpforte ihres Quartier¬ wirtes und trinken in fünf Tagen sechzig Flaschen Wein aus. S, 262: ein preußischer Offizier sagt, der Friede sei zu früh geschlossen worden, „Frankreich hat noch nicht genug gelitten, es ist noch nicht genügend ruinirt." S. 269: die Preußen verbrennen eine ganze Familie, vier Kinder, Vater und Mutter (in Moziöres). S. 287: die alte Fabel, die Preußen hätten Se. Cloud zerstört, „eine Hand¬ lung, die kaltblütig überlegt und unbarmherzig ausgeführt wurde." „Bismnrck hat das Schloß zerstört, die Stadt geplündert und alles verbrannt." „Er hat Gewicht darauf gelegt, diesen Akt des Politischen, historischen und philosophischen Wanda¬ lismus zu begehen." „Darüber hat sich besonders auch jener protestantische Pastor gefreut, der am 18. Januar in Versailles, in der AÄsriö ass Alaess, am Tage der Krönung (Äo!) des Kaisers Wilhelm, im Namen der Religion die Zerstörung von Paris verlangt hatte. Mau muß den Namen dieses guten Priesters für die Geschichte aufbewahre». Er hieß Rogge, Hofprediger und Militärgeistlicher. Den Arm gen Paris ausgestreckt, hatte er sein Usus kölök über das moderne Babylon ausgerufen. Der König Wilhelm ist ein frommer Mann und gelehrig für die Stimme der Religion; aber Paris zerstören, er hat es nicht gekonnt oder nicht gewagt. Er wollte aber doch etwas thun, um dem Hofprediger gefällig zu sein, und an dem Tage, als Jules Favre in Versailles die Kapitulation von Paris verhandelte, hat der König Wilhelm zu Herrn von Moltke gesagt: »Wir wollen uns beeilen, denn der Krieg geht zu Ende, laßt uns Se. Cloud verbrennen, ohne auch nur eine Minute zu verlieren.« Und Se. Cloud brannte, die Stimme der Religion war erhört." S. 283 werden die Deutschen „Schweine" genannt (oodions). Man sieht aus diesem Beispiele, wie nötig es war, wenn man das Buch im Unterricht verwerten wollte — und dazu liegt nach seinem übrigen Inhalt viel Anlaß vor —, es bedeutend'zu kürzen. Und so walten bei den meisten andern französischen Büchern Rücksichten vor, die die Benutzung der Original¬ ausgabe im Unterrichte verbieten. Worauf es mir ankam, das war, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die durch das Vorgehen der französischen Verlagsbuchhändler zweifellos für den französischen Unterricht und damit für die deutsche Schule heraufbeschworen ist. Es kann uns ja das uicht berühren, daß etwa das geschäftliche Interesse einer Reihe von deutschen Verlagsbuchhandlungen geschädigt werden konnte; wohl aber hat die Sache ihre wichtige pädagogische Seite: es gilt, die Schule vor der Möglichkeit einer schweren Schädigung zu schützen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/643>, abgerufen am 06.01.2025.