Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Uoinpetenzerweiterung der Amtsgerichte die Verschlechterung der Anwaltschaft immer weiter um sich greifen. Dieser Die "freie Advokatur" teilt mit allen politischen Schlagwörtern das Die Uoinpetenzerweiterung der Amtsgerichte die Verschlechterung der Anwaltschaft immer weiter um sich greifen. Dieser Die „freie Advokatur" teilt mit allen politischen Schlagwörtern das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0552" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224136"/> <fw type="header" place="top"> Die Uoinpetenzerweiterung der Amtsgerichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_1657" prev="#ID_1656"> die Verschlechterung der Anwaltschaft immer weiter um sich greifen. Dieser<lb/> Rückgang würde aber wesentlich gefördert werden durch eine Erweiterung der<lb/> Zuständigkeit der Amtsgerichte, wenn nicht gleichzeitig Maßregeln zum Schutz<lb/> des Anwaltstandes ergriffen werden. Die geplante Erweiterung und vollends<lb/> die ebenfalls ins Auge gefaßte Einrichtung. wonach alle Klagen ohne Unter¬<lb/> schied des Streitwertes zunächst ohne Anwaltszwang an einen Einzelrichter<lb/> gelangen sollen, würde die Thätigkeit des Urwalds auf einem großen Teil<lb/> seines bisherigen Arbeitsfeldes lahmlegen. Sie würde ihm gerade die Mandate<lb/> entziehen, die für eine geringe Mühwaltung oft große Gebühren bringen,<lb/> und die die notwendige Kompensation bewirken für die zahlreichen Fälle, wo<lb/> eine bedeutende Mühwaltung zu unverhältnismäßig geringen Gebührenein¬<lb/> nahmen führt. So wird die „Ausgewinnung" von Versäumnisurteilen keines¬<lb/> wegs mißbräuchlich hoch bezahlt; ihre Bezahlung hat in der Gesamteinnahme<lb/> des Nechtscmwalts die Aufgabe, ihn für manches langwierige und mühevolle<lb/> Mandat, dessen angemessene Bezahlung in gar keinem Verhältnis zum Streit¬<lb/> wert stehen würde, verfügbar zu machen. Die Erweiterung der amts¬<lb/> gerichtlichen Zuständigkeit wird nun gerade solche ausgleichende Mandate)<lb/> der „Selbstvertretung" der Parteien oder richtiger ihrer Vertretung durch<lb/> Winkelkonsulenten zugänglich machen; die dem Anwalt verbleibenden thatsächlich<lb/> verwickelten oder rechtlich schwierigen Fülle gewähren ihm allein keinen Lebens¬<lb/> unterhalt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1658" next="#ID_1659"> Die „freie Advokatur" teilt mit allen politischen Schlagwörtern das<lb/> Schicksal, an Klarheit einzubüßen, was sie an einschmeichelnden Wortklang ge¬<lb/> wonnen hat. Die freie Advokatur ist eine politische Forderung. Ihr Zweck<lb/> ist, zu gewährleisten, daß die politische Opposition, und wer ihr angehört,<lb/> ebenso hilfsbereite Verteidiger und Verfechter ihrer Interessen finde, wie die<lb/> regierungsfreundlichen Parteien und ihre Angehörigen. Soll der politisch mi߬<lb/> liebige Staatsbürger und die politisch mißliebige Sache nicht bloß auf einige<lb/> besonders hochherzige Männer angewiesen sein, sondern auf eine ebenso bereite<lb/> und ebenso kraftvolle Nechtsverfolgnng und Verteidigung rechnen können, wie<lb/> ihre staatlich begünstigte Gegnerin, so bedarf es einer Anwaltschaft, die mög¬<lb/> lichst unabhängig ist von der Staatsgewalt. Die Forderung der freien<lb/> Advokatur verfolgt denselben Zweck wie die Forderung der Unabhängigkeit des<lb/> Richterstandes. Um dem Richter jede Versuchung abzuschneiden, eine politisch<lb/> mißliebige Person oder Sache ungünstiger zu behandeln als eine, die die Staats¬<lb/> gewalt unter ihre Obhut nimmt, soll er keinerlei Gefahr ausgesetzt sein, wegen<lb/> mißliebiger Urteilssprüche persönlichen Nachteil zu leiden. Zu demselben Zweck<lb/> soll dem Rechtsanwalt jede Versuchung abgeschnitten werden, eine politisch<lb/> mißliebige Person oder Sache abzuweisen oder sie minder kraftvoll oder minder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0552]
Die Uoinpetenzerweiterung der Amtsgerichte
die Verschlechterung der Anwaltschaft immer weiter um sich greifen. Dieser
Rückgang würde aber wesentlich gefördert werden durch eine Erweiterung der
Zuständigkeit der Amtsgerichte, wenn nicht gleichzeitig Maßregeln zum Schutz
des Anwaltstandes ergriffen werden. Die geplante Erweiterung und vollends
die ebenfalls ins Auge gefaßte Einrichtung. wonach alle Klagen ohne Unter¬
schied des Streitwertes zunächst ohne Anwaltszwang an einen Einzelrichter
gelangen sollen, würde die Thätigkeit des Urwalds auf einem großen Teil
seines bisherigen Arbeitsfeldes lahmlegen. Sie würde ihm gerade die Mandate
entziehen, die für eine geringe Mühwaltung oft große Gebühren bringen,
und die die notwendige Kompensation bewirken für die zahlreichen Fälle, wo
eine bedeutende Mühwaltung zu unverhältnismäßig geringen Gebührenein¬
nahmen führt. So wird die „Ausgewinnung" von Versäumnisurteilen keines¬
wegs mißbräuchlich hoch bezahlt; ihre Bezahlung hat in der Gesamteinnahme
des Nechtscmwalts die Aufgabe, ihn für manches langwierige und mühevolle
Mandat, dessen angemessene Bezahlung in gar keinem Verhältnis zum Streit¬
wert stehen würde, verfügbar zu machen. Die Erweiterung der amts¬
gerichtlichen Zuständigkeit wird nun gerade solche ausgleichende Mandate)
der „Selbstvertretung" der Parteien oder richtiger ihrer Vertretung durch
Winkelkonsulenten zugänglich machen; die dem Anwalt verbleibenden thatsächlich
verwickelten oder rechtlich schwierigen Fülle gewähren ihm allein keinen Lebens¬
unterhalt.
Die „freie Advokatur" teilt mit allen politischen Schlagwörtern das
Schicksal, an Klarheit einzubüßen, was sie an einschmeichelnden Wortklang ge¬
wonnen hat. Die freie Advokatur ist eine politische Forderung. Ihr Zweck
ist, zu gewährleisten, daß die politische Opposition, und wer ihr angehört,
ebenso hilfsbereite Verteidiger und Verfechter ihrer Interessen finde, wie die
regierungsfreundlichen Parteien und ihre Angehörigen. Soll der politisch mi߬
liebige Staatsbürger und die politisch mißliebige Sache nicht bloß auf einige
besonders hochherzige Männer angewiesen sein, sondern auf eine ebenso bereite
und ebenso kraftvolle Nechtsverfolgnng und Verteidigung rechnen können, wie
ihre staatlich begünstigte Gegnerin, so bedarf es einer Anwaltschaft, die mög¬
lichst unabhängig ist von der Staatsgewalt. Die Forderung der freien
Advokatur verfolgt denselben Zweck wie die Forderung der Unabhängigkeit des
Richterstandes. Um dem Richter jede Versuchung abzuschneiden, eine politisch
mißliebige Person oder Sache ungünstiger zu behandeln als eine, die die Staats¬
gewalt unter ihre Obhut nimmt, soll er keinerlei Gefahr ausgesetzt sein, wegen
mißliebiger Urteilssprüche persönlichen Nachteil zu leiden. Zu demselben Zweck
soll dem Rechtsanwalt jede Versuchung abgeschnitten werden, eine politisch
mißliebige Person oder Sache abzuweisen oder sie minder kraftvoll oder minder
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