Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches aber wenn sie sich c>is wahrhaft erlöste mit einem ewigen Inhalt erfülle und damit So Werden wir, obgleich Eucken das auf S. 193 abzulehnen scheint, auf die Un- Wo sich Eucken herabläßt, konkret zu werden, erfreut er durch gesunde An¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches aber wenn sie sich c>is wahrhaft erlöste mit einem ewigen Inhalt erfülle und damit So Werden wir, obgleich Eucken das auf S. 193 abzulehnen scheint, auf die Un- Wo sich Eucken herabläßt, konkret zu werden, erfreut er durch gesunde An¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0540" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224124"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1628" prev="#ID_1627"> aber wenn sie sich c>is wahrhaft erlöste mit einem ewigen Inhalt erfülle und damit<lb/> am göttlichen Leben teilnehme, werde sie wesenhaft und lebe in jener Welt fort.<lb/> Eine vergängliche Seele ist eben nichts wesenhaftes, und wenn mit dem Untergange<lb/> unsers Planeten alles geistige Leben erlischt, so ist es ganz gleichartig, ob die<lb/> Seelen der untergegangnen Menschen Hnmboldtsches oder Eckensteherwissen, erhabnen<lb/> oder Philistercharakter, Genie oder Tölpelhaftigkeit beherbergt haben. Tennyson singt:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1629"> So Werden wir, obgleich Eucken das auf S. 193 abzulehnen scheint, auf die Un-<lb/> stcrblichkeitsfrage als die Kernfrage der Philosophie geführt. Wenigstens die Rich¬<lb/> tung wollen wir andeuten, in der uns die Lösung, soweit eine solche auf Erden<lb/> möglich ist, zu liegen scheint. Die Körperwelt ist eine Zurüstung, dazu bestimmt,<lb/> die Seelen mit geistigem Inhalt zu erfüllen, weshalb eine Scheidung des Leib¬<lb/> lichen und Geistigen gar nicht möglich und die griechische Ansicht von der Huma¬<lb/> nität als der harmonischen Einheit beider die richtige ist. Nicht abweisbar, aber<lb/> im irdischen Leben nicht lösbar sind die Fragen: ob die Seele von Anfang an<lb/> etwas wesenhaftcs sei oder mit wachsendem Geistesleben erst entstehe, und wie der<lb/> Seele ein jenseitiges Leben werde ermöglicht werden, ob durch eine neue Leiblichkeit,<lb/> worauf die christliche Auferstehungslehre hinweist, oder dadurch, daß der gewonnene<lb/> geistige Inhalt die Fähigkeit erlangt, abgelöst von seinem bisherigen leiblichen Gefäß<lb/> fortzubestehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1630"> Wo sich Eucken herabläßt, konkret zu werden, erfreut er durch gesunde An¬<lb/> schauungen und treffende Charakteristiken. Wir führen ein paar Beispiele um.<lb/> „Entweder muß der Fortgang der Kultur das Leben immer abhängiger, ver¬<lb/> wickelter, seelenloser, nichtiger machen, oder es giebt eine geistige Ursprünglichkeit,<lb/> die den Verlust in Gewinn verwandelt und das Leben jenem Vernichtungsprozeß<lb/> entzieht" is. 137). „Nicht minder notwendig wie die Arbeit ist ein Kampf gegen<lb/> die Arbeit, eine Befreiung von ihrer erdrückenden und entseelenden Macht" (S. 145).<lb/> „Sache der Philosophie ist es keineswegs, gegenüber dem Weltall den National-<lb/> liberalen zu spielen, alles Angenehme möglichst hervorzukehren, das Unbequeme und<lb/> Peinliche hingegen aus den Augen zu rücken" (S. 249). Die Religion darf „nicht<lb/> das Ganze des Lebens sein, sondern muß sich bescheiden, innerhalb eines größern<lb/> Ganzen zu wirken" (S. 322). Als eine wohlthätige Wirkung der modernen Kultur<lb/> bezeichnet er S. 353 die Umsetzung des ungestüme» Verlangens in fruchtbare Arbeit.<lb/> Aber trotz einzelner wohlthätigen Leistungen bleibe diese Kultur doch im ganzen<lb/> unzulänglich, unbefriedigend und stecke voller Widersprüche. „Die Empfindung<lb/> schwerster Erschütterung der Kultur, ja einer Unzulänglichkeit aller bloßen Kultur<lb/> hindert uus nicht an einem selbstgefälligen Kulturdünkel. In den Opfern, die die<lb/> moderne Gesellschaft dem Individuum auferlegt, wird bei diesem eine ideale Ge¬<lb/> sinnung und eine unbedingte Wertschätzung idealer Güter wie selbstverständlich voraus¬<lb/> gesetzt — deuten wir nur an die Wehrpflicht mit ihren Forderungen der Tapferkeit<lb/> und Ehre —, aber die wissenschaftliche Gestaltung eiuer dem entsprechenden Welt¬<lb/> anschauung wird als eine Verirrung abgelehnt, ja verspottet. Für eine Freiheit im<lb/> Grunde des Lebens ist kein Platz, und wer nicht dem Determinismus huldigt,<lb/> scheint hinter der Zeit zurückgeblieben, aber auf praktisch-politischem Gebiet halten<lb/> wir mit aller Kraft an der Freiheit fest und verehren sie wie ein hohes Gut"<lb/> (S. 371).</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0540]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
aber wenn sie sich c>is wahrhaft erlöste mit einem ewigen Inhalt erfülle und damit
am göttlichen Leben teilnehme, werde sie wesenhaft und lebe in jener Welt fort.
Eine vergängliche Seele ist eben nichts wesenhaftes, und wenn mit dem Untergange
unsers Planeten alles geistige Leben erlischt, so ist es ganz gleichartig, ob die
Seelen der untergegangnen Menschen Hnmboldtsches oder Eckensteherwissen, erhabnen
oder Philistercharakter, Genie oder Tölpelhaftigkeit beherbergt haben. Tennyson singt:
So Werden wir, obgleich Eucken das auf S. 193 abzulehnen scheint, auf die Un-
stcrblichkeitsfrage als die Kernfrage der Philosophie geführt. Wenigstens die Rich¬
tung wollen wir andeuten, in der uns die Lösung, soweit eine solche auf Erden
möglich ist, zu liegen scheint. Die Körperwelt ist eine Zurüstung, dazu bestimmt,
die Seelen mit geistigem Inhalt zu erfüllen, weshalb eine Scheidung des Leib¬
lichen und Geistigen gar nicht möglich und die griechische Ansicht von der Huma¬
nität als der harmonischen Einheit beider die richtige ist. Nicht abweisbar, aber
im irdischen Leben nicht lösbar sind die Fragen: ob die Seele von Anfang an
etwas wesenhaftcs sei oder mit wachsendem Geistesleben erst entstehe, und wie der
Seele ein jenseitiges Leben werde ermöglicht werden, ob durch eine neue Leiblichkeit,
worauf die christliche Auferstehungslehre hinweist, oder dadurch, daß der gewonnene
geistige Inhalt die Fähigkeit erlangt, abgelöst von seinem bisherigen leiblichen Gefäß
fortzubestehen.
Wo sich Eucken herabläßt, konkret zu werden, erfreut er durch gesunde An¬
schauungen und treffende Charakteristiken. Wir führen ein paar Beispiele um.
„Entweder muß der Fortgang der Kultur das Leben immer abhängiger, ver¬
wickelter, seelenloser, nichtiger machen, oder es giebt eine geistige Ursprünglichkeit,
die den Verlust in Gewinn verwandelt und das Leben jenem Vernichtungsprozeß
entzieht" is. 137). „Nicht minder notwendig wie die Arbeit ist ein Kampf gegen
die Arbeit, eine Befreiung von ihrer erdrückenden und entseelenden Macht" (S. 145).
„Sache der Philosophie ist es keineswegs, gegenüber dem Weltall den National-
liberalen zu spielen, alles Angenehme möglichst hervorzukehren, das Unbequeme und
Peinliche hingegen aus den Augen zu rücken" (S. 249). Die Religion darf „nicht
das Ganze des Lebens sein, sondern muß sich bescheiden, innerhalb eines größern
Ganzen zu wirken" (S. 322). Als eine wohlthätige Wirkung der modernen Kultur
bezeichnet er S. 353 die Umsetzung des ungestüme» Verlangens in fruchtbare Arbeit.
Aber trotz einzelner wohlthätigen Leistungen bleibe diese Kultur doch im ganzen
unzulänglich, unbefriedigend und stecke voller Widersprüche. „Die Empfindung
schwerster Erschütterung der Kultur, ja einer Unzulänglichkeit aller bloßen Kultur
hindert uus nicht an einem selbstgefälligen Kulturdünkel. In den Opfern, die die
moderne Gesellschaft dem Individuum auferlegt, wird bei diesem eine ideale Ge¬
sinnung und eine unbedingte Wertschätzung idealer Güter wie selbstverständlich voraus¬
gesetzt — deuten wir nur an die Wehrpflicht mit ihren Forderungen der Tapferkeit
und Ehre —, aber die wissenschaftliche Gestaltung eiuer dem entsprechenden Welt¬
anschauung wird als eine Verirrung abgelehnt, ja verspottet. Für eine Freiheit im
Grunde des Lebens ist kein Platz, und wer nicht dem Determinismus huldigt,
scheint hinter der Zeit zurückgeblieben, aber auf praktisch-politischem Gebiet halten
wir mit aller Kraft an der Freiheit fest und verehren sie wie ein hohes Gut"
(S. 371).
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