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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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gegriffen, trat Klara vor meiner Rückkunft reich Leipzig eine Reise an ohne ihren
Vciter, jedoch keineswegs ohne dessen Einwilligung. Im Augenblick ist sie in Paris.
Wir fingen nun an einzusehen, daß mit Hrn. W. in gütlicher Weise nicht aus¬
zukommen war, und dachten schon an die ernstesten Schritte, als er zu unserer
Überraschung vor einigen Wochen Klara'n schriftlich seine Einwilligung schickte, aber
unter folgenden Bedingungen, wegen der Sie, mein verehrter Herr, nicht unrecht
von mir denken mögen; die Bedingungen waren:

1. ) daß wir, fo lange er lebte, nicht in Sachsen leben sollten, daß ich mir
aber trotzdem auswärts eben so viel erwerben müßte, als mir eine hier von mir
redigirte Musikalische Zeitung einbringt;

2. ) daß er Klaras Vermögen an sich behalten, mit 4 verzinsen und erst nach
fünf Jahre" auszahlen wolle;

3. ) daß ich die Berechnung meines Einkommens, wie ich sie ihm im September
1837 vorgelegt, gerichtlich beglaubigen lassen und einem von ihm bestimmten Advo-
caten übergeben solle;

4. ) daß ich um keine mündliche oder schriftliche Unterredung mit ihm eher
ansuche, als er selbst sie wünscht;

ö.) daß Klara nie Anspruch macheu soll, etwas von ihm nach feinem Tode
zu erben;

6.) daß wir uns schon zu Michaelis verehelichen müßten.

Auf diese Bedingungen (die letzte ausgenommen) konnten wir natürlich nicht
eingehen, und entschlossen uus daher, den Weg Rechtens gegen ihn zu ergreifen (so).

Um nichts unversucht zu lassen, überwand ich mich aber auf Klaras Bitte,
noch einmal an ihn in versöhnenden Ton zu schreiben, worauf er mir durch seine
Frau antworten ließ, "er wolle mit mir in keiner Beziehung stehen."

Gestern nun kam eine von Klara unterzeichnete, in deu gehörigen Formen,
auch mit der Unterschrift der sächsischen Gesandtschaft recognoscirte Vollmacht aus
Paris, die Ew. Wohlgebore" vorzulegen ich mir möglichst noch heute erlaube"
werde, mit der Bitte, meiner so treuen Braut nach Ihren besten Kräften beistehen
!u wollen.

Wir wünschten die Sache möglichst schnell beendigt, erst noch auf gütlichem
Weg, wenn Sie rathen und durch eine Besprechung mit Hrn. Wieck etwas zu er¬
reichen hoffen, dann aber durch eine Eingabe an das Appellationsgericht, das
uns den Consens nicht verweigern kann, dn unser Einkommen hinlänglich ge¬
sichert ist.

Doch darüber mündlich; haben Sie die Güte, mir (so) durch meinen Boten
wissen zu lassen, wann ich Sie noch heute sprechen kaun. Sie haben, mein ver¬
briefter Herr, diesmal einen schönen Zweck zu erreichen, den, zwei lange Jahre
bon einander Getrennte wieder zu vereinigen; möchten Sie Sich unsrer (so) kräftig
annehmen. Wir haben Vertrauen zu Ihnen, und brauchen Sie wohl kaum zu
^dem, daß über Alles noch das strengste Stillschweigen beobachtet werden möge.
^. Mit Hochachtung und der Bitte um Ihre freundliche Theilnahme empfehle ich

Ä)"en meine Braut, wie mich selbst


Ihrenergebensten
Robert Schumann
Redacteur der Neuen Zeitschrift
für Musik.

Rothes Collegium: Hinterhaus
1 Trepp, bei Na,c1. Dovrisut.


gegriffen, trat Klara vor meiner Rückkunft reich Leipzig eine Reise an ohne ihren
Vciter, jedoch keineswegs ohne dessen Einwilligung. Im Augenblick ist sie in Paris.
Wir fingen nun an einzusehen, daß mit Hrn. W. in gütlicher Weise nicht aus¬
zukommen war, und dachten schon an die ernstesten Schritte, als er zu unserer
Überraschung vor einigen Wochen Klara'n schriftlich seine Einwilligung schickte, aber
unter folgenden Bedingungen, wegen der Sie, mein verehrter Herr, nicht unrecht
von mir denken mögen; die Bedingungen waren:

1. ) daß wir, fo lange er lebte, nicht in Sachsen leben sollten, daß ich mir
aber trotzdem auswärts eben so viel erwerben müßte, als mir eine hier von mir
redigirte Musikalische Zeitung einbringt;

2. ) daß er Klaras Vermögen an sich behalten, mit 4 verzinsen und erst nach
fünf Jahre» auszahlen wolle;

3. ) daß ich die Berechnung meines Einkommens, wie ich sie ihm im September
1837 vorgelegt, gerichtlich beglaubigen lassen und einem von ihm bestimmten Advo-
caten übergeben solle;

4. ) daß ich um keine mündliche oder schriftliche Unterredung mit ihm eher
ansuche, als er selbst sie wünscht;

ö.) daß Klara nie Anspruch macheu soll, etwas von ihm nach feinem Tode
zu erben;

6.) daß wir uns schon zu Michaelis verehelichen müßten.

Auf diese Bedingungen (die letzte ausgenommen) konnten wir natürlich nicht
eingehen, und entschlossen uus daher, den Weg Rechtens gegen ihn zu ergreifen (so).

Um nichts unversucht zu lassen, überwand ich mich aber auf Klaras Bitte,
noch einmal an ihn in versöhnenden Ton zu schreiben, worauf er mir durch seine
Frau antworten ließ, „er wolle mit mir in keiner Beziehung stehen."

Gestern nun kam eine von Klara unterzeichnete, in deu gehörigen Formen,
auch mit der Unterschrift der sächsischen Gesandtschaft recognoscirte Vollmacht aus
Paris, die Ew. Wohlgebore» vorzulegen ich mir möglichst noch heute erlaube»
werde, mit der Bitte, meiner so treuen Braut nach Ihren besten Kräften beistehen
!u wollen.

Wir wünschten die Sache möglichst schnell beendigt, erst noch auf gütlichem
Weg, wenn Sie rathen und durch eine Besprechung mit Hrn. Wieck etwas zu er¬
reichen hoffen, dann aber durch eine Eingabe an das Appellationsgericht, das
uns den Consens nicht verweigern kann, dn unser Einkommen hinlänglich ge¬
sichert ist.

Doch darüber mündlich; haben Sie die Güte, mir (so) durch meinen Boten
wissen zu lassen, wann ich Sie noch heute sprechen kaun. Sie haben, mein ver¬
briefter Herr, diesmal einen schönen Zweck zu erreichen, den, zwei lange Jahre
bon einander Getrennte wieder zu vereinigen; möchten Sie Sich unsrer (so) kräftig
annehmen. Wir haben Vertrauen zu Ihnen, und brauchen Sie wohl kaum zu
^dem, daß über Alles noch das strengste Stillschweigen beobachtet werden möge.
^. Mit Hochachtung und der Bitte um Ihre freundliche Theilnahme empfehle ich

Ä)»en meine Braut, wie mich selbst


Ihrenergebensten
Robert Schumann
Redacteur der Neuen Zeitschrift
für Musik.

Rothes Collegium: Hinterhaus
1 Trepp, bei Na,c1. Dovrisut.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/517>, abgerufen am 08.01.2025.