Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Prozeßführung armer Leute sie hier in Betracht kommt, folgenden Wortlaut hat: "Der Justizminister sieht Darauf liest der aufsichtführende Amtsrichter noch die beiden in den Da also die ganze Bestimmung nicht paßt, wird er es auch unterlassen, Die Prozeßführung armer Leute sie hier in Betracht kommt, folgenden Wortlaut hat: „Der Justizminister sieht Darauf liest der aufsichtführende Amtsrichter noch die beiden in den Da also die ganze Bestimmung nicht paßt, wird er es auch unterlassen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224071"/> <fw type="header" place="top"> Die Prozeßführung armer Leute</fw><lb/> <p xml:id="ID_1434" prev="#ID_1433"> sie hier in Betracht kommt, folgenden Wortlaut hat: „Der Justizminister sieht<lb/> sich veranlaßt, die genaue Befolgung der in den Reskripten vom 25. Januar<lb/> und 8. April 1836 (Kamptz Jahrbücher Band 50, S. 491 und 492) ent¬<lb/> haltenen Bestimmungen den sämtlichen Gerichtsbehörden in Erinnerung zu<lb/> bringen. Wenn bei einem Gerichte Referendarien angestellt sind, welche ab¬<lb/> wesenden Parteien zu Bevollmächtigten vorgeschlagen werden können, so läßt<lb/> es sich in keiner Art rechtfertigen, statt derselben Subalternbeamte abwesenden<lb/> Parteien zu Bevollmächtigten zu bestellen. Nur in Ermanglung von Re¬<lb/> ferendarien können in Bagatellsachen, wenn durch die Zuziehung auswärtiger<lb/> Nechtsanwülte die Kosten mit dem Streitobjekt in ein offenbares Mißverhältnis<lb/> treten würden, oder wenn einer andern Partei ein Assistent von Amts wegen<lb/> bestellt werden muß, andre am Orte befindliche Personen, welche nach dem<lb/> Stande ihrer Bildung dazu geeignet sind, namentlich Beamte andrer'Be¬<lb/> hörden, und nur erst in Ermanglung auch solcher Personen die Subaltern¬<lb/> beamten des Gerichts abwesenden Parteien zu Bevollmächtigten bestellt werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1435"> Darauf liest der aufsichtführende Amtsrichter noch die beiden in den<lb/> Kamptzschen Jahrbüchern an dem oben angegebnen Orte abgedruckten Reskripte<lb/> uach und findet, daß in diesen die Bestellung von Subnlternbcamten der<lb/> Gerichtsbehörden zu Bevollmächtigte!, von auswärtigen Parteien ausdrücklich<lb/> verboten ist. In dem spätern Reskript vom Jahre 1840 ist das aber unter<lb/> gewissen Voraussetzungen für zulässig erklärt worden. Der Amtsrichter muß<lb/> also prüfen, ob diese Voraussetzungen bei der ihm zur Entscheidung vorliegenden<lb/> Sache zutreffen. Zunächst muß er sich fragen: handelt es sich um eine<lb/> Bagatellsache? Unter diesen Sachen sind nach den zur Zeit des Erlasses der<lb/> allgemeinen Verfügung vom Jahre 1840 geltenden Bestimmungen solche zu<lb/> verstehen, die einen Gegenstand im Werte bis zu 150 Mark betreffen. Handelt<lb/> es sich nicht um eine solche Sache, so kann er nach dem Reskript keinen<lb/> Subalternbeamten zum Bevollmächtigten bestellen. Handelt es sich um eine<lb/> solche Sache, so hat er weiter zu prüfen, ob die eine oder die andre der beiden<lb/> oben angegebnen Bedingungen vorliegen. Die erste Bedingung: „wenn durch<lb/> die Zuziehung auswärtiger Rechtsanwälte die Kosten mit dem Streitobjekt in<lb/> ein offenbares Mißverhältnis treten würden" trifft nicht zu, denn die Partei<lb/> will und kaun einen auswärtigen Nechtscmwnlt nicht zuziehen. Die zweite<lb/> Bedingung: „wenn einer armen Partei ein Assistent von Amts wegen bestellt<lb/> werden muß" trifft auch nicht zu, denn ein Assistent im Sinne der damaligen<lb/> Gesetzgebung unterstützt die anwesende Partei in den Terminen (s 14 1^ der<lb/> allgemeinen Gerichtsordnung), einen solchen Assistenten will die Partei aber<lb/> nicht haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1436" next="#ID_1437"> Da also die ganze Bestimmung nicht paßt, wird er es auch unterlassen,<lb/> sich an andre am Orte befindliche Personen, die dem Stande ihrer Bildung<lb/> uach zu einer Vertretung der armen Partei geeignet wären, namentlich an Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
Die Prozeßführung armer Leute
sie hier in Betracht kommt, folgenden Wortlaut hat: „Der Justizminister sieht
sich veranlaßt, die genaue Befolgung der in den Reskripten vom 25. Januar
und 8. April 1836 (Kamptz Jahrbücher Band 50, S. 491 und 492) ent¬
haltenen Bestimmungen den sämtlichen Gerichtsbehörden in Erinnerung zu
bringen. Wenn bei einem Gerichte Referendarien angestellt sind, welche ab¬
wesenden Parteien zu Bevollmächtigten vorgeschlagen werden können, so läßt
es sich in keiner Art rechtfertigen, statt derselben Subalternbeamte abwesenden
Parteien zu Bevollmächtigten zu bestellen. Nur in Ermanglung von Re¬
ferendarien können in Bagatellsachen, wenn durch die Zuziehung auswärtiger
Nechtsanwülte die Kosten mit dem Streitobjekt in ein offenbares Mißverhältnis
treten würden, oder wenn einer andern Partei ein Assistent von Amts wegen
bestellt werden muß, andre am Orte befindliche Personen, welche nach dem
Stande ihrer Bildung dazu geeignet sind, namentlich Beamte andrer'Be¬
hörden, und nur erst in Ermanglung auch solcher Personen die Subaltern¬
beamten des Gerichts abwesenden Parteien zu Bevollmächtigten bestellt werden."
Darauf liest der aufsichtführende Amtsrichter noch die beiden in den
Kamptzschen Jahrbüchern an dem oben angegebnen Orte abgedruckten Reskripte
uach und findet, daß in diesen die Bestellung von Subnlternbcamten der
Gerichtsbehörden zu Bevollmächtigte!, von auswärtigen Parteien ausdrücklich
verboten ist. In dem spätern Reskript vom Jahre 1840 ist das aber unter
gewissen Voraussetzungen für zulässig erklärt worden. Der Amtsrichter muß
also prüfen, ob diese Voraussetzungen bei der ihm zur Entscheidung vorliegenden
Sache zutreffen. Zunächst muß er sich fragen: handelt es sich um eine
Bagatellsache? Unter diesen Sachen sind nach den zur Zeit des Erlasses der
allgemeinen Verfügung vom Jahre 1840 geltenden Bestimmungen solche zu
verstehen, die einen Gegenstand im Werte bis zu 150 Mark betreffen. Handelt
es sich nicht um eine solche Sache, so kann er nach dem Reskript keinen
Subalternbeamten zum Bevollmächtigten bestellen. Handelt es sich um eine
solche Sache, so hat er weiter zu prüfen, ob die eine oder die andre der beiden
oben angegebnen Bedingungen vorliegen. Die erste Bedingung: „wenn durch
die Zuziehung auswärtiger Rechtsanwälte die Kosten mit dem Streitobjekt in
ein offenbares Mißverhältnis treten würden" trifft nicht zu, denn die Partei
will und kaun einen auswärtigen Nechtscmwnlt nicht zuziehen. Die zweite
Bedingung: „wenn einer armen Partei ein Assistent von Amts wegen bestellt
werden muß" trifft auch nicht zu, denn ein Assistent im Sinne der damaligen
Gesetzgebung unterstützt die anwesende Partei in den Terminen (s 14 1^ der
allgemeinen Gerichtsordnung), einen solchen Assistenten will die Partei aber
nicht haben.
Da also die ganze Bestimmung nicht paßt, wird er es auch unterlassen,
sich an andre am Orte befindliche Personen, die dem Stande ihrer Bildung
uach zu einer Vertretung der armen Partei geeignet wären, namentlich an Be-
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