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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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par in Berlin

schließlich keiner mehr, ohne ein Kolleg über Kunstgeschichte gehört zu haben,
die Kunst genießen können. Man soll darum auch solche Spezialitäten nicht
höher anschlagen, als es sein muß.

Hiermit sind wir am Ende unsrer Kunstbetrachtung, und wir wollen mit
keinem Schlußurteil dem Eindruck des Lesers vorgreifen, ob es viel oder wenig
war, sondern nur noch mit einigen Worten der schönen Litteratur gedenken,
die in diesem PanHefte enthalten ist. Das Jnteressanteste wird ein Aufsatz
von Julius Hart sein über die Entwicklung der neuern Lyrik in Deutschland;
er ist fein und unterrichtend für jeden, der wissen will, wie sich unsre jüngsten
Lyriker ihre Stammbäume zurechtlegen und unsre alten Dichter fortzusetzen
oder zu ersetzen meinen. Wir haben das noch nicht so gewußt und nirgends
gelesen. Aber wir sagen nicht, daß wir die Auffassungen, heraldisch genommen,
richtig fänden, daß wir z. B. in den hier in diesem PanHefte gegebnen lyrischen
Beiträgen der berühmtesten Dichter, Richard Dehmel oder Arno Holz (die
(allerberühmtesten, Bierbaum und Hartleben, fehlen diesmal), die betreffende
geistige Abstammung nachempfinden könnten. Mit Johannes Schlafs Prosa¬
lyrik haben wir schon Bekanntschaft gemacht. Und der alte, prächtige Theodor
Fontane, dessen von Liebermann gezeichneter Porträtkopf recht fremdartig aus
dieser Gesellschaft herausschaue, schlägt sie unsers Bedünkens alle mit einem
hübschen Gedicht in Hans-Sachsversen, "Arm und Reich," aus dem wir ein
Paar Zeilen, die den Gang der Gedanken andeuten, mitteilen:

Die Grenzboten, die die gute Gewohnheit haben, auf guten deutschen
Ausdruck zu halten, möchten noch in dieser Richtung bemerken, daß "während
denen" (S. 50) grammatisch falsch ist, und daß ein Mann, selbst ein Kunst-
schriftsteller, der seinen Optimismus stark ausdrücken möchte, doch nicht "guter
Hoffnung" (S. 53) sein kann.




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par in Berlin

schließlich keiner mehr, ohne ein Kolleg über Kunstgeschichte gehört zu haben,
die Kunst genießen können. Man soll darum auch solche Spezialitäten nicht
höher anschlagen, als es sein muß.

Hiermit sind wir am Ende unsrer Kunstbetrachtung, und wir wollen mit
keinem Schlußurteil dem Eindruck des Lesers vorgreifen, ob es viel oder wenig
war, sondern nur noch mit einigen Worten der schönen Litteratur gedenken,
die in diesem PanHefte enthalten ist. Das Jnteressanteste wird ein Aufsatz
von Julius Hart sein über die Entwicklung der neuern Lyrik in Deutschland;
er ist fein und unterrichtend für jeden, der wissen will, wie sich unsre jüngsten
Lyriker ihre Stammbäume zurechtlegen und unsre alten Dichter fortzusetzen
oder zu ersetzen meinen. Wir haben das noch nicht so gewußt und nirgends
gelesen. Aber wir sagen nicht, daß wir die Auffassungen, heraldisch genommen,
richtig fänden, daß wir z. B. in den hier in diesem PanHefte gegebnen lyrischen
Beiträgen der berühmtesten Dichter, Richard Dehmel oder Arno Holz (die
(allerberühmtesten, Bierbaum und Hartleben, fehlen diesmal), die betreffende
geistige Abstammung nachempfinden könnten. Mit Johannes Schlafs Prosa¬
lyrik haben wir schon Bekanntschaft gemacht. Und der alte, prächtige Theodor
Fontane, dessen von Liebermann gezeichneter Porträtkopf recht fremdartig aus
dieser Gesellschaft herausschaue, schlägt sie unsers Bedünkens alle mit einem
hübschen Gedicht in Hans-Sachsversen, „Arm und Reich," aus dem wir ein
Paar Zeilen, die den Gang der Gedanken andeuten, mitteilen:

Die Grenzboten, die die gute Gewohnheit haben, auf guten deutschen
Ausdruck zu halten, möchten noch in dieser Richtung bemerken, daß „während
denen" (S. 50) grammatisch falsch ist, und daß ein Mann, selbst ein Kunst-
schriftsteller, der seinen Optimismus stark ausdrücken möchte, doch nicht „guter
Hoffnung" (S. 53) sein kann.




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[0393] par in Berlin schließlich keiner mehr, ohne ein Kolleg über Kunstgeschichte gehört zu haben, die Kunst genießen können. Man soll darum auch solche Spezialitäten nicht höher anschlagen, als es sein muß. Hiermit sind wir am Ende unsrer Kunstbetrachtung, und wir wollen mit keinem Schlußurteil dem Eindruck des Lesers vorgreifen, ob es viel oder wenig war, sondern nur noch mit einigen Worten der schönen Litteratur gedenken, die in diesem PanHefte enthalten ist. Das Jnteressanteste wird ein Aufsatz von Julius Hart sein über die Entwicklung der neuern Lyrik in Deutschland; er ist fein und unterrichtend für jeden, der wissen will, wie sich unsre jüngsten Lyriker ihre Stammbäume zurechtlegen und unsre alten Dichter fortzusetzen oder zu ersetzen meinen. Wir haben das noch nicht so gewußt und nirgends gelesen. Aber wir sagen nicht, daß wir die Auffassungen, heraldisch genommen, richtig fänden, daß wir z. B. in den hier in diesem PanHefte gegebnen lyrischen Beiträgen der berühmtesten Dichter, Richard Dehmel oder Arno Holz (die (allerberühmtesten, Bierbaum und Hartleben, fehlen diesmal), die betreffende geistige Abstammung nachempfinden könnten. Mit Johannes Schlafs Prosa¬ lyrik haben wir schon Bekanntschaft gemacht. Und der alte, prächtige Theodor Fontane, dessen von Liebermann gezeichneter Porträtkopf recht fremdartig aus dieser Gesellschaft herausschaue, schlägt sie unsers Bedünkens alle mit einem hübschen Gedicht in Hans-Sachsversen, „Arm und Reich," aus dem wir ein Paar Zeilen, die den Gang der Gedanken andeuten, mitteilen: Die Grenzboten, die die gute Gewohnheit haben, auf guten deutschen Ausdruck zu halten, möchten noch in dieser Richtung bemerken, daß „während denen" (S. 50) grammatisch falsch ist, und daß ein Mann, selbst ein Kunst- schriftsteller, der seinen Optimismus stark ausdrücken möchte, doch nicht „guter Hoffnung" (S. 53) sein kann. Grenzboten IV I8Wl!>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/393>, abgerufen am 06.01.2025.