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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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wie alte Erinnerungen anmuten und stimmen, sondern wissenschaftlicher Dar¬
steller seiner Gegenstände, er ist ein scharfer Norddeutscher mit den kalten
Tönen des Berliner Humors, kein Farbendichter. Das Kolorit hat bei ihm
zwar eine große unterstützende Bedeutung, aber keinen selbständigen Wert,
keine eigne, in den Tönen liegende Harmonie, woraus sich auch seine Vor¬
liebe für die scharf charakterisirende, deckende Gouachefarbe erklärt, die den
Lokalton, aber nicht die Tönung und Abstimmung giebt. Auch der Umstand
will erwogen sein, daß uns seine Studien einen größern Genuß zu bereiten
Pflegen, als die fertigen Bilder, und daß sich Menzels Talent vielleicht am
allergrößten in der einfachen Bleistiftzeichnung zeigt. Der Pan bringt drei
solcher Zeichnungen, darunter eine ganz vorzügliche, worauf sich eine ältere
Dame höhern Standes mit vornehm gelangweiltem Gesichtsausdruck den Fächer¬
schlag für ein Hoffest einzuüben scheint, eine echt Menzelsche Studie für ein
Prunkbild, den Fächer daneben noch einmal besonders gegeben, mit sorgfältiger
Betonung des hochadlichen Handgelenks.

Bald nach den großen "Ehrungen," die der größte Künstler Berlins erfuhr,
feierte die weniger berühmte, aber vielbesprochne Akademie der Künste das
Fest zur Erinnerung an ihr zweihundertjähriges Bestehen. Im Anschluß daran
bringt Vode in der schlichten Form historischer Erinnerungen an den Stifter,
an Friedrich den Großen und an Friedrich Wilhelm III. den Nachweis, daß
^ am besten wäre, man machte aus dem großen, kostbaren Institut eine gute
-Zeichen- und Malschule ohne weitere Unterscheidungen und Spezialitäten. Denn
wohin soll man mit all den Malern, die sich hier zu Landschaftern, Porträ-
Wen, Tiermalern usw. ausbilden wollen, von denen aber nur fünf bis sieben
Prozent aller Aufgenommnen etwas ordentliches erreichen. Die andern hätten
wenigstens tüchtige Kunsthandwerker oder Zeichenlehrer werden können, statt
dessen sind sie Maler, können nicht zeichnen, haben keine Aufträge und vermehren
^e Schar der Unzufriednen. Es ist zum Schaden der Sache, daß man das
^unsthaudwerk von der hohen Kunst getrennt und besondern Anstalten über¬
wiesen hat. Der Künstler findet nicht mehr den Weg ins Handwerk, und die
^uft zwischen Kunst und Handwerk erscheint größer, als sie dem Wesen nach
^se- Bekanntlich hat es von jeher Männer gegeben, die die Kunstakademien für
überflüssig oder gar schädlich hielten, und in der Geschichte dürfte mau kaum
^uim Punkt anzeigen können, wo ihr Bestehen die Kunst in ihren Hervor¬
bringungen gefördert hätte. Was für Malerproletariat läuft vollends in den
Städten umher, wo die kleinern, zusammengeschrumpften Akademien oder
Kunstschulen bestehen! Wenn ein so bedeutender Kenner alles dessen, was Kunst
heißt, mit dem an Blick und an umfassenden Wissen wenigstens in Deutschland
zweiter verglichen werden kann, in klarer, ruhiger Darlegung solche Er¬
fahrungen und Bedenken lant werden läßt, so ist das ein sicheres Zeichen,
aß es dort an dem berührten Punkte nicht einen, sondern wahrscheinlich sehr


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wie alte Erinnerungen anmuten und stimmen, sondern wissenschaftlicher Dar¬
steller seiner Gegenstände, er ist ein scharfer Norddeutscher mit den kalten
Tönen des Berliner Humors, kein Farbendichter. Das Kolorit hat bei ihm
zwar eine große unterstützende Bedeutung, aber keinen selbständigen Wert,
keine eigne, in den Tönen liegende Harmonie, woraus sich auch seine Vor¬
liebe für die scharf charakterisirende, deckende Gouachefarbe erklärt, die den
Lokalton, aber nicht die Tönung und Abstimmung giebt. Auch der Umstand
will erwogen sein, daß uns seine Studien einen größern Genuß zu bereiten
Pflegen, als die fertigen Bilder, und daß sich Menzels Talent vielleicht am
allergrößten in der einfachen Bleistiftzeichnung zeigt. Der Pan bringt drei
solcher Zeichnungen, darunter eine ganz vorzügliche, worauf sich eine ältere
Dame höhern Standes mit vornehm gelangweiltem Gesichtsausdruck den Fächer¬
schlag für ein Hoffest einzuüben scheint, eine echt Menzelsche Studie für ein
Prunkbild, den Fächer daneben noch einmal besonders gegeben, mit sorgfältiger
Betonung des hochadlichen Handgelenks.

Bald nach den großen „Ehrungen," die der größte Künstler Berlins erfuhr,
feierte die weniger berühmte, aber vielbesprochne Akademie der Künste das
Fest zur Erinnerung an ihr zweihundertjähriges Bestehen. Im Anschluß daran
bringt Vode in der schlichten Form historischer Erinnerungen an den Stifter,
an Friedrich den Großen und an Friedrich Wilhelm III. den Nachweis, daß
^ am besten wäre, man machte aus dem großen, kostbaren Institut eine gute
-Zeichen- und Malschule ohne weitere Unterscheidungen und Spezialitäten. Denn
wohin soll man mit all den Malern, die sich hier zu Landschaftern, Porträ-
Wen, Tiermalern usw. ausbilden wollen, von denen aber nur fünf bis sieben
Prozent aller Aufgenommnen etwas ordentliches erreichen. Die andern hätten
wenigstens tüchtige Kunsthandwerker oder Zeichenlehrer werden können, statt
dessen sind sie Maler, können nicht zeichnen, haben keine Aufträge und vermehren
^e Schar der Unzufriednen. Es ist zum Schaden der Sache, daß man das
^unsthaudwerk von der hohen Kunst getrennt und besondern Anstalten über¬
wiesen hat. Der Künstler findet nicht mehr den Weg ins Handwerk, und die
^uft zwischen Kunst und Handwerk erscheint größer, als sie dem Wesen nach
^se- Bekanntlich hat es von jeher Männer gegeben, die die Kunstakademien für
überflüssig oder gar schädlich hielten, und in der Geschichte dürfte mau kaum
^uim Punkt anzeigen können, wo ihr Bestehen die Kunst in ihren Hervor¬
bringungen gefördert hätte. Was für Malerproletariat läuft vollends in den
Städten umher, wo die kleinern, zusammengeschrumpften Akademien oder
Kunstschulen bestehen! Wenn ein so bedeutender Kenner alles dessen, was Kunst
heißt, mit dem an Blick und an umfassenden Wissen wenigstens in Deutschland
zweiter verglichen werden kann, in klarer, ruhiger Darlegung solche Er¬
fahrungen und Bedenken lant werden läßt, so ist das ein sicheres Zeichen,
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[0387] j?an in Berlin wie alte Erinnerungen anmuten und stimmen, sondern wissenschaftlicher Dar¬ steller seiner Gegenstände, er ist ein scharfer Norddeutscher mit den kalten Tönen des Berliner Humors, kein Farbendichter. Das Kolorit hat bei ihm zwar eine große unterstützende Bedeutung, aber keinen selbständigen Wert, keine eigne, in den Tönen liegende Harmonie, woraus sich auch seine Vor¬ liebe für die scharf charakterisirende, deckende Gouachefarbe erklärt, die den Lokalton, aber nicht die Tönung und Abstimmung giebt. Auch der Umstand will erwogen sein, daß uns seine Studien einen größern Genuß zu bereiten Pflegen, als die fertigen Bilder, und daß sich Menzels Talent vielleicht am allergrößten in der einfachen Bleistiftzeichnung zeigt. Der Pan bringt drei solcher Zeichnungen, darunter eine ganz vorzügliche, worauf sich eine ältere Dame höhern Standes mit vornehm gelangweiltem Gesichtsausdruck den Fächer¬ schlag für ein Hoffest einzuüben scheint, eine echt Menzelsche Studie für ein Prunkbild, den Fächer daneben noch einmal besonders gegeben, mit sorgfältiger Betonung des hochadlichen Handgelenks. Bald nach den großen „Ehrungen," die der größte Künstler Berlins erfuhr, feierte die weniger berühmte, aber vielbesprochne Akademie der Künste das Fest zur Erinnerung an ihr zweihundertjähriges Bestehen. Im Anschluß daran bringt Vode in der schlichten Form historischer Erinnerungen an den Stifter, an Friedrich den Großen und an Friedrich Wilhelm III. den Nachweis, daß ^ am besten wäre, man machte aus dem großen, kostbaren Institut eine gute -Zeichen- und Malschule ohne weitere Unterscheidungen und Spezialitäten. Denn wohin soll man mit all den Malern, die sich hier zu Landschaftern, Porträ- Wen, Tiermalern usw. ausbilden wollen, von denen aber nur fünf bis sieben Prozent aller Aufgenommnen etwas ordentliches erreichen. Die andern hätten wenigstens tüchtige Kunsthandwerker oder Zeichenlehrer werden können, statt dessen sind sie Maler, können nicht zeichnen, haben keine Aufträge und vermehren ^e Schar der Unzufriednen. Es ist zum Schaden der Sache, daß man das ^unsthaudwerk von der hohen Kunst getrennt und besondern Anstalten über¬ wiesen hat. Der Künstler findet nicht mehr den Weg ins Handwerk, und die ^uft zwischen Kunst und Handwerk erscheint größer, als sie dem Wesen nach ^se- Bekanntlich hat es von jeher Männer gegeben, die die Kunstakademien für überflüssig oder gar schädlich hielten, und in der Geschichte dürfte mau kaum ^uim Punkt anzeigen können, wo ihr Bestehen die Kunst in ihren Hervor¬ bringungen gefördert hätte. Was für Malerproletariat läuft vollends in den Städten umher, wo die kleinern, zusammengeschrumpften Akademien oder Kunstschulen bestehen! Wenn ein so bedeutender Kenner alles dessen, was Kunst heißt, mit dem an Blick und an umfassenden Wissen wenigstens in Deutschland zweiter verglichen werden kann, in klarer, ruhiger Darlegung solche Er¬ fahrungen und Bedenken lant werden läßt, so ist das ein sicheres Zeichen, aß es dort an dem berührten Punkte nicht einen, sondern wahrscheinlich sehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/387>, abgerufen am 06.01.2025.