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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Dynastie der Saids in Sansibar

beschloß er, seine Residenz von Maskat nach dieser Jnselstadt zu verlegen. In
Maskat hatte sein Geschlecht wenig Aussicht, eine große Stellung zu erringen.
Fortwährende Kämpfe mit den äußern Feinden seiner Herrschaft, den Persern,
und den innern, den arabischen Adelsgeschlechtern, die den Imam nur als
xrimuL inde-r xares dulden wollten, veranlaßten ihn 1840, nach Sansibar
überzusiedeln. Erkannte doch der kriegerisch wie politisch gleich hervorragende
Herrscher sehr wohl, wie günstig die Aussichten für sein Haus waren, ein
großes festländisches Reich in Ostafrika, mit dem Mittelpunkt in Sansibar, zu
gründen. Er hat seinen Plan mit Ruhe, aber mit Nachdruck verfolgt.
Persönlich bei seinem Volke sehr beliebt, wußte er sich bei seinen ewig un¬
zufriednen Großen infolge seiner politischen Überlegenheit Achtung zu verschaffen.
Auch die Engländer, die unter feiner Regierung ihre "Humanitäts"bestrebungen
ins Werk zu setzen begannen, erreichten von ihm nur sehr wenig. 1853 machte
er eine Reise nach Maskat, um Regierungsgeschüfte zu besorgen, und blieb
drei Jahre dort. Ende des Jahres 1856 wurde in Sansibar gemeldet, eine
Anzahl Schiffe mit roter Flagge nahe sich dem Hafen. Die Stadt rüstete
sich zum Empfang ihres zurückkehrenden Sultans; sein ältester Sohn, Said
Medjit, fuhr ihm entgegen. Aber der Abend brach herein, und des Sultans
Schiffe waren noch nicht eingelaufen. Erst am nächsten Morgen erschienen
sie auf der Reede -- mit schwarzen Trauerflaggen an den Masten: Said
Said war einer Verwundung erlegen. In der Nacht aber hatte sich in aller
Stille ein kleiner Staatsstreich vollzogen. Als der erbberechtigte Sohn, Said
Medjit, in einem kleinen Boot nach langer Irrfahrt das Schiff seines Vaters
erreichte, wurde ihm eine große Überraschung zu teil. Einer seiner Brüder,
Said Bargasch, hatte den Leichnam seines Vaters in eine Kiste gepackt, war
mit ihr nach Sansibar gefahren und hatte dort sofort den Sultanspalast so¬
wie das Haus seines Bruders besetzen lassen, um sich der Herrschaft zu be¬
mächtigen. Nach dem Koran hätte die Leiche dem Meere übergeben werden
müssen. Said Bargasch aber hatte sie mit nach Sansibar genommen, weil
es arabische Sitte ist, die Erbfolge an der Leiche des Fürsten zu regeln, und
er glaubte sich mit dem Besitz der Leiche auch den Besitz des Thrones gesichert
zu haben. Nun hatte Said Medjit ein Zufall, nämlich widriger Wind, ge¬
hindert, an Bord zu kommen, als Said Vargasch noch da war. So entging
er der Gefangenschaft und erklärte sich am nächsten Morgen unter Zustimmung
des Volkes zum unabhängigen Herrscher von Sansibar. Sein Bruder Suvni
bestieg den Thron von Maskat.

Die Regierung Said Medjids war sehr unruhig. Die verschiedensten
Widerwärtigkeiten stellten sich ihm entgegen. Sein Bruder Suöni feindete ihn
um, weil er Anspruch auf Sansibar zu haben meinte. Said Medjit wußte
sich aber zu behaupten, nur eine jährliche Entschädigung von 40000 Maria-
Theresiathalern gestand er ihm zu, die er aber später nicht mehr bezahlte. Um


Die Dynastie der Saids in Sansibar

beschloß er, seine Residenz von Maskat nach dieser Jnselstadt zu verlegen. In
Maskat hatte sein Geschlecht wenig Aussicht, eine große Stellung zu erringen.
Fortwährende Kämpfe mit den äußern Feinden seiner Herrschaft, den Persern,
und den innern, den arabischen Adelsgeschlechtern, die den Imam nur als
xrimuL inde-r xares dulden wollten, veranlaßten ihn 1840, nach Sansibar
überzusiedeln. Erkannte doch der kriegerisch wie politisch gleich hervorragende
Herrscher sehr wohl, wie günstig die Aussichten für sein Haus waren, ein
großes festländisches Reich in Ostafrika, mit dem Mittelpunkt in Sansibar, zu
gründen. Er hat seinen Plan mit Ruhe, aber mit Nachdruck verfolgt.
Persönlich bei seinem Volke sehr beliebt, wußte er sich bei seinen ewig un¬
zufriednen Großen infolge seiner politischen Überlegenheit Achtung zu verschaffen.
Auch die Engländer, die unter feiner Regierung ihre „Humanitäts"bestrebungen
ins Werk zu setzen begannen, erreichten von ihm nur sehr wenig. 1853 machte
er eine Reise nach Maskat, um Regierungsgeschüfte zu besorgen, und blieb
drei Jahre dort. Ende des Jahres 1856 wurde in Sansibar gemeldet, eine
Anzahl Schiffe mit roter Flagge nahe sich dem Hafen. Die Stadt rüstete
sich zum Empfang ihres zurückkehrenden Sultans; sein ältester Sohn, Said
Medjit, fuhr ihm entgegen. Aber der Abend brach herein, und des Sultans
Schiffe waren noch nicht eingelaufen. Erst am nächsten Morgen erschienen
sie auf der Reede — mit schwarzen Trauerflaggen an den Masten: Said
Said war einer Verwundung erlegen. In der Nacht aber hatte sich in aller
Stille ein kleiner Staatsstreich vollzogen. Als der erbberechtigte Sohn, Said
Medjit, in einem kleinen Boot nach langer Irrfahrt das Schiff seines Vaters
erreichte, wurde ihm eine große Überraschung zu teil. Einer seiner Brüder,
Said Bargasch, hatte den Leichnam seines Vaters in eine Kiste gepackt, war
mit ihr nach Sansibar gefahren und hatte dort sofort den Sultanspalast so¬
wie das Haus seines Bruders besetzen lassen, um sich der Herrschaft zu be¬
mächtigen. Nach dem Koran hätte die Leiche dem Meere übergeben werden
müssen. Said Bargasch aber hatte sie mit nach Sansibar genommen, weil
es arabische Sitte ist, die Erbfolge an der Leiche des Fürsten zu regeln, und
er glaubte sich mit dem Besitz der Leiche auch den Besitz des Thrones gesichert
zu haben. Nun hatte Said Medjit ein Zufall, nämlich widriger Wind, ge¬
hindert, an Bord zu kommen, als Said Vargasch noch da war. So entging
er der Gefangenschaft und erklärte sich am nächsten Morgen unter Zustimmung
des Volkes zum unabhängigen Herrscher von Sansibar. Sein Bruder Suvni
bestieg den Thron von Maskat.

Die Regierung Said Medjids war sehr unruhig. Die verschiedensten
Widerwärtigkeiten stellten sich ihm entgegen. Sein Bruder Suöni feindete ihn
um, weil er Anspruch auf Sansibar zu haben meinte. Said Medjit wußte
sich aber zu behaupten, nur eine jährliche Entschädigung von 40000 Maria-
Theresiathalern gestand er ihm zu, die er aber später nicht mehr bezahlte. Um


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[0368] Die Dynastie der Saids in Sansibar beschloß er, seine Residenz von Maskat nach dieser Jnselstadt zu verlegen. In Maskat hatte sein Geschlecht wenig Aussicht, eine große Stellung zu erringen. Fortwährende Kämpfe mit den äußern Feinden seiner Herrschaft, den Persern, und den innern, den arabischen Adelsgeschlechtern, die den Imam nur als xrimuL inde-r xares dulden wollten, veranlaßten ihn 1840, nach Sansibar überzusiedeln. Erkannte doch der kriegerisch wie politisch gleich hervorragende Herrscher sehr wohl, wie günstig die Aussichten für sein Haus waren, ein großes festländisches Reich in Ostafrika, mit dem Mittelpunkt in Sansibar, zu gründen. Er hat seinen Plan mit Ruhe, aber mit Nachdruck verfolgt. Persönlich bei seinem Volke sehr beliebt, wußte er sich bei seinen ewig un¬ zufriednen Großen infolge seiner politischen Überlegenheit Achtung zu verschaffen. Auch die Engländer, die unter feiner Regierung ihre „Humanitäts"bestrebungen ins Werk zu setzen begannen, erreichten von ihm nur sehr wenig. 1853 machte er eine Reise nach Maskat, um Regierungsgeschüfte zu besorgen, und blieb drei Jahre dort. Ende des Jahres 1856 wurde in Sansibar gemeldet, eine Anzahl Schiffe mit roter Flagge nahe sich dem Hafen. Die Stadt rüstete sich zum Empfang ihres zurückkehrenden Sultans; sein ältester Sohn, Said Medjit, fuhr ihm entgegen. Aber der Abend brach herein, und des Sultans Schiffe waren noch nicht eingelaufen. Erst am nächsten Morgen erschienen sie auf der Reede — mit schwarzen Trauerflaggen an den Masten: Said Said war einer Verwundung erlegen. In der Nacht aber hatte sich in aller Stille ein kleiner Staatsstreich vollzogen. Als der erbberechtigte Sohn, Said Medjit, in einem kleinen Boot nach langer Irrfahrt das Schiff seines Vaters erreichte, wurde ihm eine große Überraschung zu teil. Einer seiner Brüder, Said Bargasch, hatte den Leichnam seines Vaters in eine Kiste gepackt, war mit ihr nach Sansibar gefahren und hatte dort sofort den Sultanspalast so¬ wie das Haus seines Bruders besetzen lassen, um sich der Herrschaft zu be¬ mächtigen. Nach dem Koran hätte die Leiche dem Meere übergeben werden müssen. Said Bargasch aber hatte sie mit nach Sansibar genommen, weil es arabische Sitte ist, die Erbfolge an der Leiche des Fürsten zu regeln, und er glaubte sich mit dem Besitz der Leiche auch den Besitz des Thrones gesichert zu haben. Nun hatte Said Medjit ein Zufall, nämlich widriger Wind, ge¬ hindert, an Bord zu kommen, als Said Vargasch noch da war. So entging er der Gefangenschaft und erklärte sich am nächsten Morgen unter Zustimmung des Volkes zum unabhängigen Herrscher von Sansibar. Sein Bruder Suvni bestieg den Thron von Maskat. Die Regierung Said Medjids war sehr unruhig. Die verschiedensten Widerwärtigkeiten stellten sich ihm entgegen. Sein Bruder Suöni feindete ihn um, weil er Anspruch auf Sansibar zu haben meinte. Said Medjit wußte sich aber zu behaupten, nur eine jährliche Entschädigung von 40000 Maria- Theresiathalern gestand er ihm zu, die er aber später nicht mehr bezahlte. Um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/368>, abgerufen am 08.01.2025.