Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Mißstände in der Kleider- und Wäscheindustrie es sich wesentlich um Hausarbeit und nicht um Fabrikarbeit handle." Dem gegenüber erklärte im Namen der nationalliberaleu Partei Freiherr Es ist unerläßlich -- wir bitten den Leser deshalb ausdrücklich um Nach¬ Der Reichstag wolle beschließen, die Verbündeten Regierungen aufzufordern: Reichstag, runde Legislaturperiode, vierte Session tW5/!Xi. Drucksachen Ur.
Die Mißstände in der Kleider- und Wäscheindustrie es sich wesentlich um Hausarbeit und nicht um Fabrikarbeit handle." Dem gegenüber erklärte im Namen der nationalliberaleu Partei Freiherr Es ist unerläßlich — wir bitten den Leser deshalb ausdrücklich um Nach¬ Der Reichstag wolle beschließen, die Verbündeten Regierungen aufzufordern: Reichstag, runde Legislaturperiode, vierte Session tW5/!Xi. Drucksachen Ur.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223940"/> <fw type="header" place="top"> Die Mißstände in der Kleider- und Wäscheindustrie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1086" prev="#ID_1085"> es sich wesentlich um Hausarbeit und nicht um Fabrikarbeit handle."<lb/> Er sei der Meinung, daß, wenn man die Hausarbeit aus der Welt schaffe,<lb/> „man auf der einen Seite nicht viel helfen und auf der andern Seite ganz<lb/> außerordentlich viel schaden würde." Er glaube nicht, daß es richtig und zu¬<lb/> treffend sei, daß man jeder Frau, die einige übrige Stunden habe, es unter¬<lb/> sagen solle, Arbeiten zu macheu, die einen Beitrag zu dem Lebensunterhalt ihrer<lb/> Familie bringen. Es scheine ihm das „eine grundsätzlich unmögliche For¬<lb/> derung zu sein, die nebenbei auch an den Thatsachen scheitern werde." Er sei<lb/> ferner überzeugt davon, daß wir nicht im Interesse unsrer Arbeiterinnen<lb/> handeln würden, wenn wir die Fabrikaufsicht, wie sie die Gewerbeordnung<lb/> wolle, Frauen übertrugen. Nach Lage der Konfektionsindustrie sei es ihm<lb/> endlich zweifelhaft, ob es möglich sein werde, das „System der Zwischcnmeister"<lb/> zu verlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1087"> Dem gegenüber erklärte im Namen der nationalliberaleu Partei Freiherr<lb/> Heyl zu Herrnsheim ausdrücklich, daß sie wohl der Überzeugung sei, daß<lb/> diese hausindustrielleu Mißstände thatsächlich durch die Gesetzgebung beseitigt<lb/> werden könnten. Die Partei habe deshalb einen Antrag ans ganz bestimmte<lb/> Gesetzesänderungen eingebracht, durch den ihre „Tendenz" gekennzeichnet werde.<lb/> Die Beseitigung des „Sweatertums" sei am besten dadurch möglich, daß<lb/> man die hausindustrielle Arbeit durch Bestimmungen beschränke und erschwere,<lb/> wodurch die „Einführung des Werkstättenbetricbs" herbeigeführt werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1088"> Es ist unerläßlich — wir bitten den Leser deshalb ausdrücklich um Nach¬<lb/> sicht —, diesen nationalliberalen Antrag, obgleich bisher mit ihm nicht viel mehr<lb/> geschehen ist, als daß er gestellt wurde, noch einmal durch seine wörtliche<lb/> Wiedergabe der an sich wohlverdienten und seinen Urhebern vielleicht er¬<lb/> wünschten Vergessenheit zu entreißen. Er lautete, wie folgt:*)</p><lb/> <p xml:id="ID_1089" next="#ID_1090"> Der Reichstag wolle beschließen, die Verbündeten Regierungen aufzufordern:<lb/> 1. die Ausdehnung der Bestimmungen der §Z 135 bis 139d der Gewerbeordnung<lb/> nach Maßgabe der in Z 154, Abs. 4 erteilten Ermächtigung auf die in der Haus¬<lb/> industrie und in den Werkstätten derselben beschäftigten gewerblichen Arbeiter der<lb/> Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche herbeizuführen; 2. eine Gesetzes¬<lb/> vorlage einzubringen, dnrch die für diese Gattung der gewerblichen Arbeiter der<lb/> Schlußsatz des Absatzes 4 des K 154 der Gewerbeordnung aufgehoben wird, d) die<lb/> Bestimmungen des § 120 a, der Gewerbeordnung hinsichtlich der Werkstätten und<lb/> Arbeitsräume, in denen oben bezeichnete Personen beschäftigt sind, derart ausgedehnt<lb/> werden, daß auch die Eigentümer dieser Werkstätten und Arbeitsräume sür deren<lb/> gesetzliche Einrichtung und Unterhaltung haftbar werden, c) dem 138 der Ge-<lb/> wervevrduuug die Bestimmung hinzugefügt wird, daß die in demselben vorgesehene<lb/> Anzeigepflicht auf jeden Arbeitsraum Anwendung findet, in dem Arbeiterinnen oder<lb/> jugendliche Arbeiter mit der Anfertigung von Kleidungsstücken der Konfektions¬<lb/> branche und von Waren der Wnschefabrilativn zum Zwecke des Verkaufs beschäftigt</p><lb/> <note xml:id="FID_46" place="foot"> Reichstag, runde Legislaturperiode, vierte Session tW5/!Xi. Drucksachen Ur.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
Die Mißstände in der Kleider- und Wäscheindustrie
es sich wesentlich um Hausarbeit und nicht um Fabrikarbeit handle."
Er sei der Meinung, daß, wenn man die Hausarbeit aus der Welt schaffe,
„man auf der einen Seite nicht viel helfen und auf der andern Seite ganz
außerordentlich viel schaden würde." Er glaube nicht, daß es richtig und zu¬
treffend sei, daß man jeder Frau, die einige übrige Stunden habe, es unter¬
sagen solle, Arbeiten zu macheu, die einen Beitrag zu dem Lebensunterhalt ihrer
Familie bringen. Es scheine ihm das „eine grundsätzlich unmögliche For¬
derung zu sein, die nebenbei auch an den Thatsachen scheitern werde." Er sei
ferner überzeugt davon, daß wir nicht im Interesse unsrer Arbeiterinnen
handeln würden, wenn wir die Fabrikaufsicht, wie sie die Gewerbeordnung
wolle, Frauen übertrugen. Nach Lage der Konfektionsindustrie sei es ihm
endlich zweifelhaft, ob es möglich sein werde, das „System der Zwischcnmeister"
zu verlassen.
Dem gegenüber erklärte im Namen der nationalliberaleu Partei Freiherr
Heyl zu Herrnsheim ausdrücklich, daß sie wohl der Überzeugung sei, daß
diese hausindustrielleu Mißstände thatsächlich durch die Gesetzgebung beseitigt
werden könnten. Die Partei habe deshalb einen Antrag ans ganz bestimmte
Gesetzesänderungen eingebracht, durch den ihre „Tendenz" gekennzeichnet werde.
Die Beseitigung des „Sweatertums" sei am besten dadurch möglich, daß
man die hausindustrielle Arbeit durch Bestimmungen beschränke und erschwere,
wodurch die „Einführung des Werkstättenbetricbs" herbeigeführt werde.
Es ist unerläßlich — wir bitten den Leser deshalb ausdrücklich um Nach¬
sicht —, diesen nationalliberalen Antrag, obgleich bisher mit ihm nicht viel mehr
geschehen ist, als daß er gestellt wurde, noch einmal durch seine wörtliche
Wiedergabe der an sich wohlverdienten und seinen Urhebern vielleicht er¬
wünschten Vergessenheit zu entreißen. Er lautete, wie folgt:*)
Der Reichstag wolle beschließen, die Verbündeten Regierungen aufzufordern:
1. die Ausdehnung der Bestimmungen der §Z 135 bis 139d der Gewerbeordnung
nach Maßgabe der in Z 154, Abs. 4 erteilten Ermächtigung auf die in der Haus¬
industrie und in den Werkstätten derselben beschäftigten gewerblichen Arbeiter der
Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche herbeizuführen; 2. eine Gesetzes¬
vorlage einzubringen, dnrch die für diese Gattung der gewerblichen Arbeiter der
Schlußsatz des Absatzes 4 des K 154 der Gewerbeordnung aufgehoben wird, d) die
Bestimmungen des § 120 a, der Gewerbeordnung hinsichtlich der Werkstätten und
Arbeitsräume, in denen oben bezeichnete Personen beschäftigt sind, derart ausgedehnt
werden, daß auch die Eigentümer dieser Werkstätten und Arbeitsräume sür deren
gesetzliche Einrichtung und Unterhaltung haftbar werden, c) dem 138 der Ge-
wervevrduuug die Bestimmung hinzugefügt wird, daß die in demselben vorgesehene
Anzeigepflicht auf jeden Arbeitsraum Anwendung findet, in dem Arbeiterinnen oder
jugendliche Arbeiter mit der Anfertigung von Kleidungsstücken der Konfektions¬
branche und von Waren der Wnschefabrilativn zum Zwecke des Verkaufs beschäftigt
Reichstag, runde Legislaturperiode, vierte Session tW5/!Xi. Drucksachen Ur.
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