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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Der Postzeitungstarif

worden sind; namentlich können die Zahlen nicht aus der alljährlich er¬
scheinenden "Statistik der Neichspost- und Telegraphenverwaltung" entnommen
werden, da sich diese bezüglich des Zeitungswesens hauptsächlich auf die Mit¬
teilung der Zahl der durch die Reichspostanstalten Vertriebnen Zeituugs-
exemplcire beschränkt, aber Angaben über die Preise der Zeitungen, ihre Er¬
scheinungsweise und das Gewicht ihrer Nummern vermissen läßt. Jedenfalls
wird die Umgestaltung des Zeitungstarifs von wesentlichem Einfluß auf die
Höhe der Zeitungspreise sein; es wird also durch die geplante Maßregel das
Interesse der Zeitungsverleger und des Publikums in gleicher Weise berührt.
Daher dürfte den Lesern dieser Zeitschrift ein kurzer Überblick über die Ge¬
schichte des preußisch-deutschen Zeitnngstcirifs und über die in den wichtigsten
außerdeutschen Ländern bestehenden Zeitungsgebührenordnungen erwünscht sein,
sowie eine Erörterung darüber, auf welche" allgemeinen Grundlagen der neue
deutsche Tarif aufzubauen sein wird.

Noch zu Anfang unsers Jahrhunderts war von einem geordneten Tarif¬
wesen im Bereiche der verschiednen deutschen PostVerwaltungen nicht die Rede;
selbst die am besten geleitete, die preußische Postverwaltung, hatte noch keine
Regelung der Posttaxen für die verschiednen Arten von Sendungen erreicht.
Die Transportgebührcn für Briefe und Packete wurden damals nur nach dem
Laufe der Posten, nach der Veförderungszeit, nach der Beschaffenheit der Wege
und nach sonstigen gerade als maßgebend erachteten Umständen bestimmt. Die¬
selbe Willkür herrschte in Bezug auf die Erhebung der Gebühren für die
Zeitungsbesorgung. Die PostVerwaltung glaubte um so weniger Veranlassung
zu haben, hier ordnend einzugreifen, als den Postmeistern von Alters her das
Recht eingeräumt war, die bei ihnen vom Publikum bestellten Zeitungen von
den Verlegern portofrei zu beziehen und die für ihre Mühewaltung erhobne
"Provision," d. h. einen Zuschlag zu dem den Verlegern zu entrichtenden
Einkaufspreise, als ein ihnen persönlich zustehendes "Aeeidenz" einzunehmen.
Im Laufe der Zeit hatte sich jedoch die Regel gebildet, daß für die Ver¬
mittelung des Zeitungsbezuges zweierlei Gebühren erhoben wurden, und zwar:
1. der Rabatt, eine von dem Verleger an den Postmeister des Verlagsortes
als Entschädigung für die von diesem zu besorgende Korrespondenz, Einziehung
und Ablieferung der Abonnementsgeldcr, Verpackung der zu versendenden
Zeitungen usw. zu zahlende Summe. Dieser Rabatt wurde zwischen dem
Verleger und dem Postmeister frei vereinbart und meistens nach bestimmten
Prozentsätzen des Verkaufspreises des betreffenden Blattes berechnet; manchmal
stieg er bis auf fünfundzwanzig Prozent. 2. Die Provision, die in einem
Zuschlage zu dem Verkaufspreise bestand, also von dem Zeitungsbcsteller zu
tragen war. Diese Gebühr fiel zum Teil dem Postmeister am Verlagsorte zu,
also neben dem Rabatt, zum Teil dem am Absatzorte. (Vgl. Archiv für Post
und Telegraphie, Jahrgang 1884, S. 239 f.)


Der Postzeitungstarif

worden sind; namentlich können die Zahlen nicht aus der alljährlich er¬
scheinenden „Statistik der Neichspost- und Telegraphenverwaltung" entnommen
werden, da sich diese bezüglich des Zeitungswesens hauptsächlich auf die Mit¬
teilung der Zahl der durch die Reichspostanstalten Vertriebnen Zeituugs-
exemplcire beschränkt, aber Angaben über die Preise der Zeitungen, ihre Er¬
scheinungsweise und das Gewicht ihrer Nummern vermissen läßt. Jedenfalls
wird die Umgestaltung des Zeitungstarifs von wesentlichem Einfluß auf die
Höhe der Zeitungspreise sein; es wird also durch die geplante Maßregel das
Interesse der Zeitungsverleger und des Publikums in gleicher Weise berührt.
Daher dürfte den Lesern dieser Zeitschrift ein kurzer Überblick über die Ge¬
schichte des preußisch-deutschen Zeitnngstcirifs und über die in den wichtigsten
außerdeutschen Ländern bestehenden Zeitungsgebührenordnungen erwünscht sein,
sowie eine Erörterung darüber, auf welche« allgemeinen Grundlagen der neue
deutsche Tarif aufzubauen sein wird.

Noch zu Anfang unsers Jahrhunderts war von einem geordneten Tarif¬
wesen im Bereiche der verschiednen deutschen PostVerwaltungen nicht die Rede;
selbst die am besten geleitete, die preußische Postverwaltung, hatte noch keine
Regelung der Posttaxen für die verschiednen Arten von Sendungen erreicht.
Die Transportgebührcn für Briefe und Packete wurden damals nur nach dem
Laufe der Posten, nach der Veförderungszeit, nach der Beschaffenheit der Wege
und nach sonstigen gerade als maßgebend erachteten Umständen bestimmt. Die¬
selbe Willkür herrschte in Bezug auf die Erhebung der Gebühren für die
Zeitungsbesorgung. Die PostVerwaltung glaubte um so weniger Veranlassung
zu haben, hier ordnend einzugreifen, als den Postmeistern von Alters her das
Recht eingeräumt war, die bei ihnen vom Publikum bestellten Zeitungen von
den Verlegern portofrei zu beziehen und die für ihre Mühewaltung erhobne
„Provision," d. h. einen Zuschlag zu dem den Verlegern zu entrichtenden
Einkaufspreise, als ein ihnen persönlich zustehendes „Aeeidenz" einzunehmen.
Im Laufe der Zeit hatte sich jedoch die Regel gebildet, daß für die Ver¬
mittelung des Zeitungsbezuges zweierlei Gebühren erhoben wurden, und zwar:
1. der Rabatt, eine von dem Verleger an den Postmeister des Verlagsortes
als Entschädigung für die von diesem zu besorgende Korrespondenz, Einziehung
und Ablieferung der Abonnementsgeldcr, Verpackung der zu versendenden
Zeitungen usw. zu zahlende Summe. Dieser Rabatt wurde zwischen dem
Verleger und dem Postmeister frei vereinbart und meistens nach bestimmten
Prozentsätzen des Verkaufspreises des betreffenden Blattes berechnet; manchmal
stieg er bis auf fünfundzwanzig Prozent. 2. Die Provision, die in einem
Zuschlage zu dem Verkaufspreise bestand, also von dem Zeitungsbcsteller zu
tragen war. Diese Gebühr fiel zum Teil dem Postmeister am Verlagsorte zu,
also neben dem Rabatt, zum Teil dem am Absatzorte. (Vgl. Archiv für Post
und Telegraphie, Jahrgang 1884, S. 239 f.)


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[0324] Der Postzeitungstarif worden sind; namentlich können die Zahlen nicht aus der alljährlich er¬ scheinenden „Statistik der Neichspost- und Telegraphenverwaltung" entnommen werden, da sich diese bezüglich des Zeitungswesens hauptsächlich auf die Mit¬ teilung der Zahl der durch die Reichspostanstalten Vertriebnen Zeituugs- exemplcire beschränkt, aber Angaben über die Preise der Zeitungen, ihre Er¬ scheinungsweise und das Gewicht ihrer Nummern vermissen läßt. Jedenfalls wird die Umgestaltung des Zeitungstarifs von wesentlichem Einfluß auf die Höhe der Zeitungspreise sein; es wird also durch die geplante Maßregel das Interesse der Zeitungsverleger und des Publikums in gleicher Weise berührt. Daher dürfte den Lesern dieser Zeitschrift ein kurzer Überblick über die Ge¬ schichte des preußisch-deutschen Zeitnngstcirifs und über die in den wichtigsten außerdeutschen Ländern bestehenden Zeitungsgebührenordnungen erwünscht sein, sowie eine Erörterung darüber, auf welche« allgemeinen Grundlagen der neue deutsche Tarif aufzubauen sein wird. Noch zu Anfang unsers Jahrhunderts war von einem geordneten Tarif¬ wesen im Bereiche der verschiednen deutschen PostVerwaltungen nicht die Rede; selbst die am besten geleitete, die preußische Postverwaltung, hatte noch keine Regelung der Posttaxen für die verschiednen Arten von Sendungen erreicht. Die Transportgebührcn für Briefe und Packete wurden damals nur nach dem Laufe der Posten, nach der Veförderungszeit, nach der Beschaffenheit der Wege und nach sonstigen gerade als maßgebend erachteten Umständen bestimmt. Die¬ selbe Willkür herrschte in Bezug auf die Erhebung der Gebühren für die Zeitungsbesorgung. Die PostVerwaltung glaubte um so weniger Veranlassung zu haben, hier ordnend einzugreifen, als den Postmeistern von Alters her das Recht eingeräumt war, die bei ihnen vom Publikum bestellten Zeitungen von den Verlegern portofrei zu beziehen und die für ihre Mühewaltung erhobne „Provision," d. h. einen Zuschlag zu dem den Verlegern zu entrichtenden Einkaufspreise, als ein ihnen persönlich zustehendes „Aeeidenz" einzunehmen. Im Laufe der Zeit hatte sich jedoch die Regel gebildet, daß für die Ver¬ mittelung des Zeitungsbezuges zweierlei Gebühren erhoben wurden, und zwar: 1. der Rabatt, eine von dem Verleger an den Postmeister des Verlagsortes als Entschädigung für die von diesem zu besorgende Korrespondenz, Einziehung und Ablieferung der Abonnementsgeldcr, Verpackung der zu versendenden Zeitungen usw. zu zahlende Summe. Dieser Rabatt wurde zwischen dem Verleger und dem Postmeister frei vereinbart und meistens nach bestimmten Prozentsätzen des Verkaufspreises des betreffenden Blattes berechnet; manchmal stieg er bis auf fünfundzwanzig Prozent. 2. Die Provision, die in einem Zuschlage zu dem Verkaufspreise bestand, also von dem Zeitungsbcsteller zu tragen war. Diese Gebühr fiel zum Teil dem Postmeister am Verlagsorte zu, also neben dem Rabatt, zum Teil dem am Absatzorte. (Vgl. Archiv für Post und Telegraphie, Jahrgang 1884, S. 239 f.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/324>, abgerufen am 06.01.2025.