Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Line Geschichte der Juden bekomme man ein störrisches Pferd, das scheut, das nicht zieht, das ausschlägt Beim Juden waltet nun freilich noch ein besondrer Umstand ob, den Im Eingänge sagten wir, statt seines dicken Buches, das schou darum (Schluß folgt) Line Geschichte der Juden bekomme man ein störrisches Pferd, das scheut, das nicht zieht, das ausschlägt Beim Juden waltet nun freilich noch ein besondrer Umstand ob, den Im Eingänge sagten wir, statt seines dicken Buches, das schou darum (Schluß folgt) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223811"/> <fw type="header" place="top"> Line Geschichte der Juden</fw><lb/> <p xml:id="ID_657" prev="#ID_656"> bekomme man ein störrisches Pferd, das scheut, das nicht zieht, das ausschlägt<lb/> und beißt. Wann werden sich die Meuscheupädagogeu, die Regierungen, die<lb/> Behörden, die Schulmeister endlich einmal zur Höhe jener vernünftigen<lb/> Humanität aufschwingen, auf der die Pferde-, Rindvieh- und Hundepädagogen<lb/> und sogar auch die Dresseure in den Menagerien schon seit langem stehen!</p><lb/> <p xml:id="ID_658"> Beim Juden waltet nun freilich noch ein besondrer Umstand ob, den<lb/> wir nicht anstehen geheimnisvoll zu nennen. In jener Schilderung des<lb/> jüdischen Volkscharakters, die die erwähnte Denkschrift der württembergischen<lb/> Negierung entwirft, heißt es unter anderm, der Jude stehe wie ein versteinertes<lb/> lebendes Bild ^so!j einer vergangenen Zeit unveränderlich unter den Christen<lb/> und werde dadurch widerlich. Nach Ansicht der gläubigen Christen erfüllen die<lb/> Juden eben dadurch ihre weltgeschichtliche Mission, daß sie als lebendige Zeugen<lb/> für die Wahrhaftigkeit der biblischen Offenbarung unverändert durch die Jahr¬<lb/> hunderte wandeln, und aus diesem Grunde haben die Päpste, freilich nicht<lb/> immer unbeeinflußt durch finanzielle Rücksichten, die Juden beschützt. Alle<lb/> andern Zeugnisse sind subjektiv und können keine allgemeine Giltigkeit bean-<lb/> spruchen: die beseligende Wirkung des göttlichen Wortes gilt eben nur für<lb/> den, der sie spürt, und seine versittlichende Wirkung wird durch das Leben<lb/> täglich aufs neue in Frage gestellt. Aber wenn vor viertehalb oder drittehalb<lb/> tausend Jahren — auf das eine Jahrtausend, das die moderne Bibelkritik<lb/> streicht, kommt nichts an — dem Judenvolke von seinem Führer gesagt worden<lb/> ist: du wirst vielen Völkern auf Wucher leihen und selbst von niemandem<lb/> bewuchert werden (5. Mose 15, 6), so kann dem Manne das doch nur der<lb/> Geist, der die Weltgeschichte macht, ins Ohr geflüstert haben. Und deswegen<lb/> glauben wir auch nicht, daß die christlichen Völker jemals die Juden los<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_659"> Im Eingänge sagten wir, statt seines dicken Buches, das schou darum<lb/> wenig Nutzen stiften wird, weil nicht viele die Geduld haben werden, es zu<lb/> lesen, hätte Nübling einige nützliche Monographien schreiben können, wir<lb/> denken da z. B. an Schriften über den Grundbesitz der Juden im Mittelalter,<lb/> über die Besteuerung der Jude»; vor allem aber eine über das kanonische<lb/> Zinsrecht, das mit der Judengeschichte so eng verflochten ist. Zu dieser<lb/> letzten hat Nübling nicht allein das Material, sondern auch das Zeug. Was<lb/> er über diesen Gegenstand sagt, ist das beste in seinem Buche; schade, daß er<lb/> es darin versteckt und verzettelt hat! Wir wollen ihm und unsern Lesern den<lb/> Gefallen erweisen, die Hauptsache davon herauszuklaubeu.</p><lb/> <p xml:id="ID_660"> (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0227]
Line Geschichte der Juden
bekomme man ein störrisches Pferd, das scheut, das nicht zieht, das ausschlägt
und beißt. Wann werden sich die Meuscheupädagogeu, die Regierungen, die
Behörden, die Schulmeister endlich einmal zur Höhe jener vernünftigen
Humanität aufschwingen, auf der die Pferde-, Rindvieh- und Hundepädagogen
und sogar auch die Dresseure in den Menagerien schon seit langem stehen!
Beim Juden waltet nun freilich noch ein besondrer Umstand ob, den
wir nicht anstehen geheimnisvoll zu nennen. In jener Schilderung des
jüdischen Volkscharakters, die die erwähnte Denkschrift der württembergischen
Negierung entwirft, heißt es unter anderm, der Jude stehe wie ein versteinertes
lebendes Bild ^so!j einer vergangenen Zeit unveränderlich unter den Christen
und werde dadurch widerlich. Nach Ansicht der gläubigen Christen erfüllen die
Juden eben dadurch ihre weltgeschichtliche Mission, daß sie als lebendige Zeugen
für die Wahrhaftigkeit der biblischen Offenbarung unverändert durch die Jahr¬
hunderte wandeln, und aus diesem Grunde haben die Päpste, freilich nicht
immer unbeeinflußt durch finanzielle Rücksichten, die Juden beschützt. Alle
andern Zeugnisse sind subjektiv und können keine allgemeine Giltigkeit bean-
spruchen: die beseligende Wirkung des göttlichen Wortes gilt eben nur für
den, der sie spürt, und seine versittlichende Wirkung wird durch das Leben
täglich aufs neue in Frage gestellt. Aber wenn vor viertehalb oder drittehalb
tausend Jahren — auf das eine Jahrtausend, das die moderne Bibelkritik
streicht, kommt nichts an — dem Judenvolke von seinem Führer gesagt worden
ist: du wirst vielen Völkern auf Wucher leihen und selbst von niemandem
bewuchert werden (5. Mose 15, 6), so kann dem Manne das doch nur der
Geist, der die Weltgeschichte macht, ins Ohr geflüstert haben. Und deswegen
glauben wir auch nicht, daß die christlichen Völker jemals die Juden los
werden.
Im Eingänge sagten wir, statt seines dicken Buches, das schou darum
wenig Nutzen stiften wird, weil nicht viele die Geduld haben werden, es zu
lesen, hätte Nübling einige nützliche Monographien schreiben können, wir
denken da z. B. an Schriften über den Grundbesitz der Juden im Mittelalter,
über die Besteuerung der Jude»; vor allem aber eine über das kanonische
Zinsrecht, das mit der Judengeschichte so eng verflochten ist. Zu dieser
letzten hat Nübling nicht allein das Material, sondern auch das Zeug. Was
er über diesen Gegenstand sagt, ist das beste in seinem Buche; schade, daß er
es darin versteckt und verzettelt hat! Wir wollen ihm und unsern Lesern den
Gefallen erweisen, die Hauptsache davon herauszuklaubeu.
(Schluß folgt)
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |