Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren den gerügten Fehler. Personalien sollen zwar mit sachlicher Rücksichtslosigkeit, Noch schroffer ist die Behandlung des Anwaltstandes. Seine Mitglieder Nicht minder verletzend wirkt die Verbindung der Assessorenfrage mit Diese Ausführung steht mit dem EntWurfe selbst in Widerspruch. Der Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren den gerügten Fehler. Personalien sollen zwar mit sachlicher Rücksichtslosigkeit, Noch schroffer ist die Behandlung des Anwaltstandes. Seine Mitglieder Nicht minder verletzend wirkt die Verbindung der Assessorenfrage mit Diese Ausführung steht mit dem EntWurfe selbst in Widerspruch. Der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223766"/> <fw type="header" place="top"> Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren</fw><lb/> <p xml:id="ID_523" prev="#ID_522"> den gerügten Fehler. Personalien sollen zwar mit sachlicher Rücksichtslosigkeit,<lb/> aber immerhin persönlich schonend behandelt werden. Dieser Grundsatz ist im preu¬<lb/> ßischen Zivildienst stets gewahrt worden; jetzt will ihn der Assessorenparagraph<lb/> gründlich durchbrechen. Nach seiner Bestimmung kann es künftig vorkommen,<lb/> daß von sechs Leuten, die die Prüfung gleich gut bestanden haben, drei die<lb/> Ernennung zum Gerichtsassessor, die andern drei nur ein Zeugnis über die<lb/> bestcmdne Prüfung ins Haus geschickt bekommen, und daß von nun an die<lb/> letzten drei von den drei ersten und von allen Juristen als „minderwertig"<lb/> und des Mangels an Takt verdächtig betrachtet werden. Oder wenn es nach<lb/> einem vom Justizminister gebilligten Vorschlage ginge, würde die Prüfungs¬<lb/> kommission den sechs Kandidaten persönlich verkünden: die Herren haben<lb/> sämtlich vorschriftsmäßig bestanden, aber nur den Herren A, B und C ist die<lb/> Anwartschaft auf das Nichtcrcimt zugesprochen worden. Die Begründung<lb/> würde durch ein Achselzucken des Präsidenten ausgedrückt werden, und die<lb/> sechs Herren, die bis dahin Kollegen waren und sich unterschiedslos als solche<lb/> betrachteten, würden sich im Vorzimmer trennen, die einen mit dem Gefühl<lb/> der Freude und mit einem verbindlichen Abschiedsgruße gegenüber den nun<lb/> unter ihnen stehenden andern, die andern ohne Freude über den Prttfungs-<lb/> erfvlg, aber aufs tiefste verletzt durch die ihnen soeben zugefügte Beleidigung<lb/> und mit der sorgenden Frage im Herzen: Was nun? Ja, was nun, nachdem<lb/> ich achtundzwanzig bis dreißig Jahre alt geworden bin?</p><lb/> <p xml:id="ID_524"> Noch schroffer ist die Behandlung des Anwaltstandes. Seine Mitglieder<lb/> sollen die gleiche wissenschaftliche Befähigung nachweisen wie die Richter, aber<lb/> man giebt es ihnen schriftlich, daß sie der „Ausschuß" sind, den man wegen<lb/> Mangels an Takt und persönlicher Gewandtheit im Nichterstcinde nicht brauchen<lb/> kann. Seine Anwärter, denen der Entwurf die Befugnis giebt, sich „Assessor"<lb/> zu nennen, könnten sich zum Unterschiede von den Gerichts-, Regierungs-,<lb/> Magistrats- und Polizeiasfcssoren vielleicht passend „Justizausschußassessoren"<lb/> nennen. Und das bietet man einem Anwaltstande, der sich gegenüber dem<lb/> Ansturm der freien Advokatur im allgemeinen viel besser und höher gehalten<lb/> hat, als zu erwarten war.</p><lb/> <p xml:id="ID_525"> Nicht minder verletzend wirkt die Verbindung der Assessorenfrage mit<lb/> der Finanzgesetzgebung. An die Spitze der Begründung ist der Satz gestellt,<lb/> die Beschränkung der Zahl der Assessoren sei für die Durchführung der<lb/> BesoldungsdienstalterSstufeu unerläßlich, und der Justizminister hebt aus¬<lb/> drücklich hervor, daß er ohne die Beschränkung die Verantwortung für die<lb/> Vorlage nicht übernehmen könne, weil sie dann eine zu wesentliche Ver¬<lb/> schlechterung für die beteiligten Richter einschließe: sie würden genötigt, in<lb/> vorgerücktem Lebensalter mit dem niedrigsten Gehalt von 2400 Mark aus¬<lb/> zukommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_526" next="#ID_527"> Diese Ausführung steht mit dem EntWurfe selbst in Widerspruch. Der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren
den gerügten Fehler. Personalien sollen zwar mit sachlicher Rücksichtslosigkeit,
aber immerhin persönlich schonend behandelt werden. Dieser Grundsatz ist im preu¬
ßischen Zivildienst stets gewahrt worden; jetzt will ihn der Assessorenparagraph
gründlich durchbrechen. Nach seiner Bestimmung kann es künftig vorkommen,
daß von sechs Leuten, die die Prüfung gleich gut bestanden haben, drei die
Ernennung zum Gerichtsassessor, die andern drei nur ein Zeugnis über die
bestcmdne Prüfung ins Haus geschickt bekommen, und daß von nun an die
letzten drei von den drei ersten und von allen Juristen als „minderwertig"
und des Mangels an Takt verdächtig betrachtet werden. Oder wenn es nach
einem vom Justizminister gebilligten Vorschlage ginge, würde die Prüfungs¬
kommission den sechs Kandidaten persönlich verkünden: die Herren haben
sämtlich vorschriftsmäßig bestanden, aber nur den Herren A, B und C ist die
Anwartschaft auf das Nichtcrcimt zugesprochen worden. Die Begründung
würde durch ein Achselzucken des Präsidenten ausgedrückt werden, und die
sechs Herren, die bis dahin Kollegen waren und sich unterschiedslos als solche
betrachteten, würden sich im Vorzimmer trennen, die einen mit dem Gefühl
der Freude und mit einem verbindlichen Abschiedsgruße gegenüber den nun
unter ihnen stehenden andern, die andern ohne Freude über den Prttfungs-
erfvlg, aber aufs tiefste verletzt durch die ihnen soeben zugefügte Beleidigung
und mit der sorgenden Frage im Herzen: Was nun? Ja, was nun, nachdem
ich achtundzwanzig bis dreißig Jahre alt geworden bin?
Noch schroffer ist die Behandlung des Anwaltstandes. Seine Mitglieder
sollen die gleiche wissenschaftliche Befähigung nachweisen wie die Richter, aber
man giebt es ihnen schriftlich, daß sie der „Ausschuß" sind, den man wegen
Mangels an Takt und persönlicher Gewandtheit im Nichterstcinde nicht brauchen
kann. Seine Anwärter, denen der Entwurf die Befugnis giebt, sich „Assessor"
zu nennen, könnten sich zum Unterschiede von den Gerichts-, Regierungs-,
Magistrats- und Polizeiasfcssoren vielleicht passend „Justizausschußassessoren"
nennen. Und das bietet man einem Anwaltstande, der sich gegenüber dem
Ansturm der freien Advokatur im allgemeinen viel besser und höher gehalten
hat, als zu erwarten war.
Nicht minder verletzend wirkt die Verbindung der Assessorenfrage mit
der Finanzgesetzgebung. An die Spitze der Begründung ist der Satz gestellt,
die Beschränkung der Zahl der Assessoren sei für die Durchführung der
BesoldungsdienstalterSstufeu unerläßlich, und der Justizminister hebt aus¬
drücklich hervor, daß er ohne die Beschränkung die Verantwortung für die
Vorlage nicht übernehmen könne, weil sie dann eine zu wesentliche Ver¬
schlechterung für die beteiligten Richter einschließe: sie würden genötigt, in
vorgerücktem Lebensalter mit dem niedrigsten Gehalt von 2400 Mark aus¬
zukommen.
Diese Ausführung steht mit dem EntWurfe selbst in Widerspruch. Der
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