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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Der Erfolg auf Aktien

sträubt sich jedoch jede Überlieferung der fröhlichen Malerkunst. Sodann, wie
schwer es dem gedrückten, um ein Stück täglichen Brotes ringenden Künstler
auch werden mag, ein gutes Bild zu vollenden und zur Ausstellung zu bringen,
es ist doch möglich, es geschieht doch. Und zwischen das Gemälde und die
Augen, die es sehen sollen, stellen sich nicht so zahllose Hindernisse, wie
zwischen das Drama des Dichters und die unbefangnen Leute im Zuschauer¬
raum , wie zwischen die Arbeit des Erzählers und die Leser. Die Verhältnisse
in der deutschen Kunstwelt sind nicht gerade gesünder geworden, und der Kampf
um die neue Kunst hat genug bedenkliche Erscheinungen gezeitigt, bei alledem
sind die Verhältnisse schon dadurch erträglicher, daß es nicht im Interesse des
Kunsthandels liegt, nur wenige höchstfvrdernde Namen allein zur Geltung
kommen zu lassen. Die modernen deutschen Maler sind meist keine Fa Presto,
aber wären sie es anch, der Versuch, zu Gunsten eines Dutzends stolzer Namen
alle andern Künstler zur Namenlostgkeit zu verdammen, würde sich als hoff¬
nungslos erweisen.

Um so besser gelingt das Experiment auf dem Felde der eigentlichen
Mvdeknnst, der Musik. In ihr blüht der Erfolg auf Aktien in der mannich-
fachsten Gestalt, am erkennbarsten in den Formen, die wir schon von der
Litteratur her kennen. Ein Ring von Kapitalistenkompouisten, die mit sicht¬
lichem Erfolg Konzertsäle und namentlich die Bühnen in Besitz nehmen, ver¬
flicht die Mitbewerbung aller Minderbegünstigten energisch auszuschließen. Mau
braucht nur die Stellung, in der sich trotz seines Reichtums vor einem
Menschenalter Meyerbeer seinen talentvollen Zeitgenossen gegenüber befand, mit
der Rolle zu vergleichen, die heute eine Anzahl von reichen jungen Tonsetzern
gegenüber andern, unbegünstigten einnehmen, um zu verstehen, daß auch hier das
verhängnisvollste Übergewicht des Besitzes eingetreten ist. Wer von Stadt zu
Stadt reisen, überall die Annahme, die Aufführung seiner Werke persönlich
betreiben, Agenten dafür besolden, die Kosten des Partiturdrucks oder gar der
Aufführung seiner Opern an gewissen Theatern tragen kann, ist ja in den Augen der
Menge schon der Talentvollere, der Besserberechtigte. Kommt noch hinzu, daß eine
Klientel hier von dürftigen Schmarotzern, dort von gesellschaftlich angesehenen
Leuten, die sich scheinbar viel um Kunst bekümmern, in Wahrheit aber keine
andern Maßstäbe haben, als den des Gvldverdienens und -- Geldverschwendens,
die Reklame der Zeitungen nährt und noch übertrifft, so muß man ohne
weiteres erkennen, daß für einen noch so talentvollen Komponisten, der eben nur
sein Talent und keine Aktien in die Wagschale zu legen hat, die Dinge übel
genug stehen. Und doch ist die zweite Form, in der der Erfolg auf Aktien
unser Musikleben durchdringt und beherrscht, viel bedenklicher als die oben
angedeutete. Um das musikalische Schaffen bekümmern sich die überall ein¬
greifenden Konzertagenten und Musikagenturen verhältnismäßig wenig. Ihre
Unternehmungslust, der Einsatz ihrer Kapitalkraft erstreckt sich meist auf die


Der Erfolg auf Aktien

sträubt sich jedoch jede Überlieferung der fröhlichen Malerkunst. Sodann, wie
schwer es dem gedrückten, um ein Stück täglichen Brotes ringenden Künstler
auch werden mag, ein gutes Bild zu vollenden und zur Ausstellung zu bringen,
es ist doch möglich, es geschieht doch. Und zwischen das Gemälde und die
Augen, die es sehen sollen, stellen sich nicht so zahllose Hindernisse, wie
zwischen das Drama des Dichters und die unbefangnen Leute im Zuschauer¬
raum , wie zwischen die Arbeit des Erzählers und die Leser. Die Verhältnisse
in der deutschen Kunstwelt sind nicht gerade gesünder geworden, und der Kampf
um die neue Kunst hat genug bedenkliche Erscheinungen gezeitigt, bei alledem
sind die Verhältnisse schon dadurch erträglicher, daß es nicht im Interesse des
Kunsthandels liegt, nur wenige höchstfvrdernde Namen allein zur Geltung
kommen zu lassen. Die modernen deutschen Maler sind meist keine Fa Presto,
aber wären sie es anch, der Versuch, zu Gunsten eines Dutzends stolzer Namen
alle andern Künstler zur Namenlostgkeit zu verdammen, würde sich als hoff¬
nungslos erweisen.

Um so besser gelingt das Experiment auf dem Felde der eigentlichen
Mvdeknnst, der Musik. In ihr blüht der Erfolg auf Aktien in der mannich-
fachsten Gestalt, am erkennbarsten in den Formen, die wir schon von der
Litteratur her kennen. Ein Ring von Kapitalistenkompouisten, die mit sicht¬
lichem Erfolg Konzertsäle und namentlich die Bühnen in Besitz nehmen, ver¬
flicht die Mitbewerbung aller Minderbegünstigten energisch auszuschließen. Mau
braucht nur die Stellung, in der sich trotz seines Reichtums vor einem
Menschenalter Meyerbeer seinen talentvollen Zeitgenossen gegenüber befand, mit
der Rolle zu vergleichen, die heute eine Anzahl von reichen jungen Tonsetzern
gegenüber andern, unbegünstigten einnehmen, um zu verstehen, daß auch hier das
verhängnisvollste Übergewicht des Besitzes eingetreten ist. Wer von Stadt zu
Stadt reisen, überall die Annahme, die Aufführung seiner Werke persönlich
betreiben, Agenten dafür besolden, die Kosten des Partiturdrucks oder gar der
Aufführung seiner Opern an gewissen Theatern tragen kann, ist ja in den Augen der
Menge schon der Talentvollere, der Besserberechtigte. Kommt noch hinzu, daß eine
Klientel hier von dürftigen Schmarotzern, dort von gesellschaftlich angesehenen
Leuten, die sich scheinbar viel um Kunst bekümmern, in Wahrheit aber keine
andern Maßstäbe haben, als den des Gvldverdienens und — Geldverschwendens,
die Reklame der Zeitungen nährt und noch übertrifft, so muß man ohne
weiteres erkennen, daß für einen noch so talentvollen Komponisten, der eben nur
sein Talent und keine Aktien in die Wagschale zu legen hat, die Dinge übel
genug stehen. Und doch ist die zweite Form, in der der Erfolg auf Aktien
unser Musikleben durchdringt und beherrscht, viel bedenklicher als die oben
angedeutete. Um das musikalische Schaffen bekümmern sich die überall ein¬
greifenden Konzertagenten und Musikagenturen verhältnismäßig wenig. Ihre
Unternehmungslust, der Einsatz ihrer Kapitalkraft erstreckt sich meist auf die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/167>, abgerufen am 08.01.2025.