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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Manöverbetrachtungen

in der Mark war Guben bezeichnet. Die Westarmceabteilung -- zwölftes
(königlich sächsisches) Armeekorps und achte Division, sowie Kavalleriedivision L,
Oberkommandirender Prinz Georg von Sachsen -- hatte am 7. September
mit den Spitzen der dreiundzwanzigsten Division Weissig und Radeberg erreicht,
mit der vierundzwanzigsten Division Pnlsnitz, mit der zweiunddreißigsten Division
Kamenz, mit der achten Division Biehla, mit der Kavalleriedivision die Gegend
von Bautzen. Der Auftrag lautete dahin, "ohne die noch nicht marschfähigen
Truppen in der Mark abzuwarten, schleunigst auf Breslau zum Entsatz der
Westarmee vorzurücken, deren Vorräte ucchezu erschöpft sind." Über den Feind
wußte man, daß ein Armeekorps über Liegnitz und Löwenberg im Anmarsch
sei; nach einem Telegramm aus Reichenbach sollte dieses Korps am 5. September
Görlitz erreicht haben.

Für beide Armeeabteilungen war auf Grund dieser Kriegslage die stra¬
tegische Offensive geboten. Um die in Breslau eingeschlossene Armee zu
entsetzen, mußte die Westpartei auf diesen Ort vorgehen, und der Führer der
Ostpartei konnte ihre Aufgabe, die Deckung von Breslau, uur dadurch lösen,
daß sie den zum Entsatz heranrückenden Truppen entgegentrat. Ob er hierbei
die taktische Offensive wählte oder in einer starken und uicht zu umgehenden
Stellung den Feind erwartete, war ihm freigestellt. Graf Waldersee entschied
sich für das erste, und auf seine Entschließung mögen wohl die Gelände¬
verhältnisse nicht ohne Einfluß gewesen sein. Fast senkrecht zu den Anmarsch¬
linien der beiden feindlichen Heeresabteilungen ziehen sich zwei Wasserläufe
durch das Operationsfeld, die Spree und das Löbauer Wasser. Die zum
Teil sumpfigen, zum Teil eingeschnittenen und mit Weiden bestandnen Ufer
bieten für die Fußtruppen meist, für Kavallerie, Artillerie und Kolonnen
überall ein Hindernis, und es kam darauf an, sich möglichst schnell der Über¬
gänge zu versichern. Die Westtruppen am Überschreiten der Spree zu hindern,
war für den Gegner nicht möglich, denn da die Kavallerie schon die Spree bei
Bautzen erreicht hatte, war nicht anzunehmen, daß dieser Erfolg ohne hart¬
näckigen Kampf aus der Hand gegeben werden würde. Dagegen gelang der
Übergang über das Löbauer Wasser vollkommen, und das Streben der Heeres¬
leitung ging nun dahin, den Gegner in der ungünstigen Lage während des
Debouchirens aus dem Defilee anzugreifen. Die Westabteilung hatte jedoch
ihren Abmarsch so beschleunigt, daß sie fast mit allen Kräften die Spree hinter
sich hatte, als nach einem unentschiednen Gefecht der Kavalleriedivisionen in
der Mittagsstunde des 8. September die Jnfanteriespitzen aufeinanderstießen.
Beide Abteilungen marschierten auf, und es entspann sich ein heftiger Kampf
um die Kreckwitzcr Höhen, wo der linke Flügel der Sachsen arg bedrängt
wurde. Am nächsten Tage, wo der Ostpartei zum erstenmale ihre gesamten
Streitkräfte zur Verfügung standen, -- das sechste Armeekorps war noch
weiter zurück gewesen gestaltete sich die Lage für den Gegner sogar so


Manöverbetrachtungen

in der Mark war Guben bezeichnet. Die Westarmceabteilung — zwölftes
(königlich sächsisches) Armeekorps und achte Division, sowie Kavalleriedivision L,
Oberkommandirender Prinz Georg von Sachsen — hatte am 7. September
mit den Spitzen der dreiundzwanzigsten Division Weissig und Radeberg erreicht,
mit der vierundzwanzigsten Division Pnlsnitz, mit der zweiunddreißigsten Division
Kamenz, mit der achten Division Biehla, mit der Kavalleriedivision die Gegend
von Bautzen. Der Auftrag lautete dahin, „ohne die noch nicht marschfähigen
Truppen in der Mark abzuwarten, schleunigst auf Breslau zum Entsatz der
Westarmee vorzurücken, deren Vorräte ucchezu erschöpft sind." Über den Feind
wußte man, daß ein Armeekorps über Liegnitz und Löwenberg im Anmarsch
sei; nach einem Telegramm aus Reichenbach sollte dieses Korps am 5. September
Görlitz erreicht haben.

Für beide Armeeabteilungen war auf Grund dieser Kriegslage die stra¬
tegische Offensive geboten. Um die in Breslau eingeschlossene Armee zu
entsetzen, mußte die Westpartei auf diesen Ort vorgehen, und der Führer der
Ostpartei konnte ihre Aufgabe, die Deckung von Breslau, uur dadurch lösen,
daß sie den zum Entsatz heranrückenden Truppen entgegentrat. Ob er hierbei
die taktische Offensive wählte oder in einer starken und uicht zu umgehenden
Stellung den Feind erwartete, war ihm freigestellt. Graf Waldersee entschied
sich für das erste, und auf seine Entschließung mögen wohl die Gelände¬
verhältnisse nicht ohne Einfluß gewesen sein. Fast senkrecht zu den Anmarsch¬
linien der beiden feindlichen Heeresabteilungen ziehen sich zwei Wasserläufe
durch das Operationsfeld, die Spree und das Löbauer Wasser. Die zum
Teil sumpfigen, zum Teil eingeschnittenen und mit Weiden bestandnen Ufer
bieten für die Fußtruppen meist, für Kavallerie, Artillerie und Kolonnen
überall ein Hindernis, und es kam darauf an, sich möglichst schnell der Über¬
gänge zu versichern. Die Westtruppen am Überschreiten der Spree zu hindern,
war für den Gegner nicht möglich, denn da die Kavallerie schon die Spree bei
Bautzen erreicht hatte, war nicht anzunehmen, daß dieser Erfolg ohne hart¬
näckigen Kampf aus der Hand gegeben werden würde. Dagegen gelang der
Übergang über das Löbauer Wasser vollkommen, und das Streben der Heeres¬
leitung ging nun dahin, den Gegner in der ungünstigen Lage während des
Debouchirens aus dem Defilee anzugreifen. Die Westabteilung hatte jedoch
ihren Abmarsch so beschleunigt, daß sie fast mit allen Kräften die Spree hinter
sich hatte, als nach einem unentschiednen Gefecht der Kavalleriedivisionen in
der Mittagsstunde des 8. September die Jnfanteriespitzen aufeinanderstießen.
Beide Abteilungen marschierten auf, und es entspann sich ein heftiger Kampf
um die Kreckwitzcr Höhen, wo der linke Flügel der Sachsen arg bedrängt
wurde. Am nächsten Tage, wo der Ostpartei zum erstenmale ihre gesamten
Streitkräfte zur Verfügung standen, — das sechste Armeekorps war noch
weiter zurück gewesen gestaltete sich die Lage für den Gegner sogar so


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[0147] Manöverbetrachtungen in der Mark war Guben bezeichnet. Die Westarmceabteilung — zwölftes (königlich sächsisches) Armeekorps und achte Division, sowie Kavalleriedivision L, Oberkommandirender Prinz Georg von Sachsen — hatte am 7. September mit den Spitzen der dreiundzwanzigsten Division Weissig und Radeberg erreicht, mit der vierundzwanzigsten Division Pnlsnitz, mit der zweiunddreißigsten Division Kamenz, mit der achten Division Biehla, mit der Kavalleriedivision die Gegend von Bautzen. Der Auftrag lautete dahin, „ohne die noch nicht marschfähigen Truppen in der Mark abzuwarten, schleunigst auf Breslau zum Entsatz der Westarmee vorzurücken, deren Vorräte ucchezu erschöpft sind." Über den Feind wußte man, daß ein Armeekorps über Liegnitz und Löwenberg im Anmarsch sei; nach einem Telegramm aus Reichenbach sollte dieses Korps am 5. September Görlitz erreicht haben. Für beide Armeeabteilungen war auf Grund dieser Kriegslage die stra¬ tegische Offensive geboten. Um die in Breslau eingeschlossene Armee zu entsetzen, mußte die Westpartei auf diesen Ort vorgehen, und der Führer der Ostpartei konnte ihre Aufgabe, die Deckung von Breslau, uur dadurch lösen, daß sie den zum Entsatz heranrückenden Truppen entgegentrat. Ob er hierbei die taktische Offensive wählte oder in einer starken und uicht zu umgehenden Stellung den Feind erwartete, war ihm freigestellt. Graf Waldersee entschied sich für das erste, und auf seine Entschließung mögen wohl die Gelände¬ verhältnisse nicht ohne Einfluß gewesen sein. Fast senkrecht zu den Anmarsch¬ linien der beiden feindlichen Heeresabteilungen ziehen sich zwei Wasserläufe durch das Operationsfeld, die Spree und das Löbauer Wasser. Die zum Teil sumpfigen, zum Teil eingeschnittenen und mit Weiden bestandnen Ufer bieten für die Fußtruppen meist, für Kavallerie, Artillerie und Kolonnen überall ein Hindernis, und es kam darauf an, sich möglichst schnell der Über¬ gänge zu versichern. Die Westtruppen am Überschreiten der Spree zu hindern, war für den Gegner nicht möglich, denn da die Kavallerie schon die Spree bei Bautzen erreicht hatte, war nicht anzunehmen, daß dieser Erfolg ohne hart¬ näckigen Kampf aus der Hand gegeben werden würde. Dagegen gelang der Übergang über das Löbauer Wasser vollkommen, und das Streben der Heeres¬ leitung ging nun dahin, den Gegner in der ungünstigen Lage während des Debouchirens aus dem Defilee anzugreifen. Die Westabteilung hatte jedoch ihren Abmarsch so beschleunigt, daß sie fast mit allen Kräften die Spree hinter sich hatte, als nach einem unentschiednen Gefecht der Kavalleriedivisionen in der Mittagsstunde des 8. September die Jnfanteriespitzen aufeinanderstießen. Beide Abteilungen marschierten auf, und es entspann sich ein heftiger Kampf um die Kreckwitzcr Höhen, wo der linke Flügel der Sachsen arg bedrängt wurde. Am nächsten Tage, wo der Ostpartei zum erstenmale ihre gesamten Streitkräfte zur Verfügung standen, — das sechste Armeekorps war noch weiter zurück gewesen gestaltete sich die Lage für den Gegner sogar so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/147>, abgerufen am 06.01.2025.