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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Die Begründung von Rentengütern in Preußen

das öffentliche Interesse (Vermehrung des mittlern und kleinern Besitzes,
Hebung der Landeskultur im allgemeinen und ähnliche Aufgaben der innern Kolo¬
nisation) gewahrt und gefordert würde. Man that aber nicht den entscheidenden
Schritt, daß man die Generalkommission beauftragt hätte, mit der innern Kolo¬
nisation von Amts wegen vorzugehen; man beschränkte sich darauf, ein Werkzeug
zu schaffen, ohne die Art seiner Handhabung gesetzlich vorzuschreiben.

Seine eigentliche Bedeutung erhielt das Gesetz daher erst durch die dazu
ergangne Ausführungsanweisung vom 16. November 1891, worin die Ver¬
waltungsgrundsätze angegeben sind, nach denen die Generalkommissionen bei
seiner Anwendung verfahren sollen. Mit Rücksicht darauf, daß es sich um
eine völlig neue Einrichtung handelte, für die weder im preußischen Staate
noch im Auslande ein Vorbild vorhanden war -- die für die Provinzen West¬
preußen und Posen bestehende Ansiedlungskommission verfolgt ganz andre
Ziele und begründet Nentengüter nur aus den durch sie zu Eigentum er-
worbnen Gütern --, konnten zunächst nur ganz allgemeine Grundsätze betont
werden. Natürlich konnte der Erlaß den Generalkommissionen nicht-die ihnen
durch das Gesetz nicht gegebne Initiative verleihen; er wies aber darauf
hin, daß dieser Mangel dnrch eine ausgiebige Bekanntmachung des Gesetzes,
die unzweifelhaft zu vielen Anträgen führen werde, ersetzt werden könne. Be¬
sonders hebt er dann hervor, daß das Gesetz dazu bestimmt sei, in gedeihlicher
Fortentwicklung unsrer ländlichen Verhältnisse eine den örtlichen Zustünden
entsprechende gesunde Verteilung des Grund und Bodens zu schaffen und
dauernd zu erhalten. Dann wird betont, daß nur solche ländliche Stellen
von Mittlerin und kleinerm (also nicht kleinem) Umfange begründet werden
sollen, die wirklich lebensfähig seien. Ferner wird darauf aufmerksam gemacht,
daß das Gesetz auch dann anwendbar sein soll, wenn nicht völlig neue Stellen
geschaffen, sondern bestehende, aber unselbständige, dnrch Zulauf zu selb¬
ständigen Nahrungen umgewandelt werden. Sein übriger Inhalt betrifft mehr
die Auslegung des Gesetzes und die zur finanziellen Sicherstellung des
Staates erforderlichen Maßregeln.

Den ausführenden Generalkommissionen war hiernach große Bewegungs¬
freiheit gelassen. Demgemäß war ihre Thätigkeit -- besonders in der ersten
Zeit -- sehr mannichfaltig. Wo es den Verkauf ländlicher Stellen zu ver¬
mitteln galt, traten sie auf Antrag der Parteien ein. Ob es sich darum handelte,
von großen Gütern Vorwerke oder Außenländereien abzustoßen, oder ob die
Aufteilung ganzer Güter -- großer wie kleiner -- bewirkt werden sollte, ob
die Gründung völlig neuer Stellen oder nur die Selbstündigmachung be¬
stehender durch Zulauf in Betracht kam, ob es sich um die Begründung einer
großen Zahl von Rentengütern oder um die Schaffung einer oder doch mir
weniger Stellen handelte: überall traten sie mit ihrer Vermittlung ein, wenn
die Verhältnisse die Begründung lebensfähiger Wirtschaften erwarten ließen.


Die Begründung von Rentengütern in Preußen

das öffentliche Interesse (Vermehrung des mittlern und kleinern Besitzes,
Hebung der Landeskultur im allgemeinen und ähnliche Aufgaben der innern Kolo¬
nisation) gewahrt und gefordert würde. Man that aber nicht den entscheidenden
Schritt, daß man die Generalkommission beauftragt hätte, mit der innern Kolo¬
nisation von Amts wegen vorzugehen; man beschränkte sich darauf, ein Werkzeug
zu schaffen, ohne die Art seiner Handhabung gesetzlich vorzuschreiben.

Seine eigentliche Bedeutung erhielt das Gesetz daher erst durch die dazu
ergangne Ausführungsanweisung vom 16. November 1891, worin die Ver¬
waltungsgrundsätze angegeben sind, nach denen die Generalkommissionen bei
seiner Anwendung verfahren sollen. Mit Rücksicht darauf, daß es sich um
eine völlig neue Einrichtung handelte, für die weder im preußischen Staate
noch im Auslande ein Vorbild vorhanden war — die für die Provinzen West¬
preußen und Posen bestehende Ansiedlungskommission verfolgt ganz andre
Ziele und begründet Nentengüter nur aus den durch sie zu Eigentum er-
worbnen Gütern —, konnten zunächst nur ganz allgemeine Grundsätze betont
werden. Natürlich konnte der Erlaß den Generalkommissionen nicht-die ihnen
durch das Gesetz nicht gegebne Initiative verleihen; er wies aber darauf
hin, daß dieser Mangel dnrch eine ausgiebige Bekanntmachung des Gesetzes,
die unzweifelhaft zu vielen Anträgen führen werde, ersetzt werden könne. Be¬
sonders hebt er dann hervor, daß das Gesetz dazu bestimmt sei, in gedeihlicher
Fortentwicklung unsrer ländlichen Verhältnisse eine den örtlichen Zustünden
entsprechende gesunde Verteilung des Grund und Bodens zu schaffen und
dauernd zu erhalten. Dann wird betont, daß nur solche ländliche Stellen
von Mittlerin und kleinerm (also nicht kleinem) Umfange begründet werden
sollen, die wirklich lebensfähig seien. Ferner wird darauf aufmerksam gemacht,
daß das Gesetz auch dann anwendbar sein soll, wenn nicht völlig neue Stellen
geschaffen, sondern bestehende, aber unselbständige, dnrch Zulauf zu selb¬
ständigen Nahrungen umgewandelt werden. Sein übriger Inhalt betrifft mehr
die Auslegung des Gesetzes und die zur finanziellen Sicherstellung des
Staates erforderlichen Maßregeln.

Den ausführenden Generalkommissionen war hiernach große Bewegungs¬
freiheit gelassen. Demgemäß war ihre Thätigkeit — besonders in der ersten
Zeit — sehr mannichfaltig. Wo es den Verkauf ländlicher Stellen zu ver¬
mitteln galt, traten sie auf Antrag der Parteien ein. Ob es sich darum handelte,
von großen Gütern Vorwerke oder Außenländereien abzustoßen, oder ob die
Aufteilung ganzer Güter — großer wie kleiner — bewirkt werden sollte, ob
die Gründung völlig neuer Stellen oder nur die Selbstündigmachung be¬
stehender durch Zulauf in Betracht kam, ob es sich um die Begründung einer
großen Zahl von Rentengütern oder um die Schaffung einer oder doch mir
weniger Stellen handelte: überall traten sie mit ihrer Vermittlung ein, wenn
die Verhältnisse die Begründung lebensfähiger Wirtschaften erwarten ließen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/124>, abgerufen am 08.01.2025.