Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Aompetenzerweiterung der Amtsgerichte Werden, daß den am Amtsgerichte zugelassenen Rechtsanwälten, wenn seit der Dieser Vorschlag wurde schon im Jahre 1894 vom preußischen Justiz¬ Grenzboten IV 1836 15
Die Aompetenzerweiterung der Amtsgerichte Werden, daß den am Amtsgerichte zugelassenen Rechtsanwälten, wenn seit der Dieser Vorschlag wurde schon im Jahre 1894 vom preußischen Justiz¬ Grenzboten IV 1836 15
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223705"/> <fw type="header" place="top"> Die Aompetenzerweiterung der Amtsgerichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_362" prev="#ID_361"> Werden, daß den am Amtsgerichte zugelassenen Rechtsanwälten, wenn seit der<lb/> Ablegung des Assessorexamens noch keine drei Jahre verstrichen sind, jedes<lb/> Auftreten vor den Kollegialgerichten überhaupt verboten würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_363" next="#ID_364"> Dieser Vorschlag wurde schon im Jahre 1894 vom preußischen Justiz¬<lb/> minister den Anwaltskcumnern unterbreitet, fand aber bei den Anwälten keine<lb/> Gnade. Von den verschiednen Vorschlägen des Ministers gefiel in Anwalts-<lb/> kreiseu nur einer, nämlich daß jeder Anwaltskandidat zwei bis drei Jahre<lb/> nach dem Assessorexamen als Gehilfe bei einem Rechtsauwcilt arbeiten sollte.<lb/> Überbeschäftigte Anwälte würden auf diese Weise juristisch gebildete Hilfs¬<lb/> arbeiter (Konzipienten) erhalten, was für sie nicht nur eine große Erleichterung,<lb/> sondern auch eine Erhöhung ihres Einkommens bedeuten würde, da sie dann<lb/> ihre Praxis sehr ausdehnen könnten. Damit würde aber der Hauptübelstcmd<lb/> der „freien Advokatur," das Anwachsen übermäßig großer Anwaltbüreaus<lb/> (im Gegensatz zu übermäßig kleinen) nicht verringert, sondern vergrößert<lb/> werden, und die Reformbewegung hätte damit in eine Verschlechterung der<lb/> Zustünde gemundet! Das Konzipiententum besteht seit langem in Österreich,<lb/> wo niemand als Advokat zugelassen wird, wenn er nicht mehrere Jahre<lb/> Hilfsarbeiter auf einem Advokatenbureau gewesen ist. Die Zustände in<lb/> der dortigen Advokatur sind aber anerkanntermaßen noch viel schlimmer<lb/> als bei uns. Die Kvuzipienten, die sich selbst als „weiße Sklaven" bezeichnen,<lb/> werden zu allerlei Arbeiten ausgenutzt, sie müssen Schreiberdieuste und<lb/> andre subalterne Geschäfte verrichten. Da sie ungeübt eine große Arbeits¬<lb/> last aufgehalst bekommen, so lernen sie nicht gründlich arbeiten, und da sich<lb/> der Chef nicht um ihre Ausbildung bekümmen kann, erlangen sie auch nicht<lb/> den nötigen Takt. Da wäre doch die Amtsgerichtsanwaltschaft, wo sich der<lb/> junge Mann zunächst mit einfachern Sachen zu beschäftigen hätte, aber selb¬<lb/> ständig wäre, eine viel bessere Schule. Dadurch, daß der junge Anwalt in<lb/> den ersten Jahren seiner Praxis noch nicht so viel zu thun hätte, würde er<lb/> sich an ein gründliches Arbeiten gewöhnen, das ihm im spätern Leben sehr zu<lb/> statten käme. Die Einnahmen würden für die ersten Jahre, wo noch keine<lb/> großen Ansprüche gestellt werden, vollständig genügen, denn sie wären immer<lb/> noch größer als die der Kvuzipienten. Traten die Amtsgerichtsanwülte dann<lb/> in die volle Praxis ein, so geschähe der Übergang zu den größer» Einnahmen<lb/> allmählicher, als das bei den Kvuzipienten der Fall ist, die aus der unselb¬<lb/> ständigen Gehilfenstellung in diese Praxis eintreten. Nun ist aber gerade der<lb/> krasse Übergang von kleinen zu großen Einnahmen der Grund, daß mancher<lb/> Anwalt scheitert. Die jungeu Leute werden in solchen Fällen leicht übermütig<lb/> und begehen eine Taktlosigkeit nach der andern. Auch solche Erscheinungen<lb/> würden durch die Amtsgerichtsauwaltschaft verhütet werden. Ein wesentlicher<lb/> Nutzen endlich läge darin, daß das Platte Land vielmehr Anwälte bekäme und<lb/> die großen Verkehrsmittelpunkte entlastet würden, wenn die Anwälte sür die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1836 15</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
Die Aompetenzerweiterung der Amtsgerichte
Werden, daß den am Amtsgerichte zugelassenen Rechtsanwälten, wenn seit der
Ablegung des Assessorexamens noch keine drei Jahre verstrichen sind, jedes
Auftreten vor den Kollegialgerichten überhaupt verboten würde.
Dieser Vorschlag wurde schon im Jahre 1894 vom preußischen Justiz¬
minister den Anwaltskcumnern unterbreitet, fand aber bei den Anwälten keine
Gnade. Von den verschiednen Vorschlägen des Ministers gefiel in Anwalts-
kreiseu nur einer, nämlich daß jeder Anwaltskandidat zwei bis drei Jahre
nach dem Assessorexamen als Gehilfe bei einem Rechtsauwcilt arbeiten sollte.
Überbeschäftigte Anwälte würden auf diese Weise juristisch gebildete Hilfs¬
arbeiter (Konzipienten) erhalten, was für sie nicht nur eine große Erleichterung,
sondern auch eine Erhöhung ihres Einkommens bedeuten würde, da sie dann
ihre Praxis sehr ausdehnen könnten. Damit würde aber der Hauptübelstcmd
der „freien Advokatur," das Anwachsen übermäßig großer Anwaltbüreaus
(im Gegensatz zu übermäßig kleinen) nicht verringert, sondern vergrößert
werden, und die Reformbewegung hätte damit in eine Verschlechterung der
Zustünde gemundet! Das Konzipiententum besteht seit langem in Österreich,
wo niemand als Advokat zugelassen wird, wenn er nicht mehrere Jahre
Hilfsarbeiter auf einem Advokatenbureau gewesen ist. Die Zustände in
der dortigen Advokatur sind aber anerkanntermaßen noch viel schlimmer
als bei uns. Die Kvuzipienten, die sich selbst als „weiße Sklaven" bezeichnen,
werden zu allerlei Arbeiten ausgenutzt, sie müssen Schreiberdieuste und
andre subalterne Geschäfte verrichten. Da sie ungeübt eine große Arbeits¬
last aufgehalst bekommen, so lernen sie nicht gründlich arbeiten, und da sich
der Chef nicht um ihre Ausbildung bekümmen kann, erlangen sie auch nicht
den nötigen Takt. Da wäre doch die Amtsgerichtsanwaltschaft, wo sich der
junge Mann zunächst mit einfachern Sachen zu beschäftigen hätte, aber selb¬
ständig wäre, eine viel bessere Schule. Dadurch, daß der junge Anwalt in
den ersten Jahren seiner Praxis noch nicht so viel zu thun hätte, würde er
sich an ein gründliches Arbeiten gewöhnen, das ihm im spätern Leben sehr zu
statten käme. Die Einnahmen würden für die ersten Jahre, wo noch keine
großen Ansprüche gestellt werden, vollständig genügen, denn sie wären immer
noch größer als die der Kvuzipienten. Traten die Amtsgerichtsanwülte dann
in die volle Praxis ein, so geschähe der Übergang zu den größer» Einnahmen
allmählicher, als das bei den Kvuzipienten der Fall ist, die aus der unselb¬
ständigen Gehilfenstellung in diese Praxis eintreten. Nun ist aber gerade der
krasse Übergang von kleinen zu großen Einnahmen der Grund, daß mancher
Anwalt scheitert. Die jungeu Leute werden in solchen Fällen leicht übermütig
und begehen eine Taktlosigkeit nach der andern. Auch solche Erscheinungen
würden durch die Amtsgerichtsauwaltschaft verhütet werden. Ein wesentlicher
Nutzen endlich läge darin, daß das Platte Land vielmehr Anwälte bekäme und
die großen Verkehrsmittelpunkte entlastet würden, wenn die Anwälte sür die
Grenzboten IV 1836 15
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