Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Bibliophile der Sammler befinden, ist ihre wissenschaftliche Benutzung, wenigstens in andern Damit soll aber dem privaten Sammeln und Erwerben der Bücher nicht Bibliophile der Sammler befinden, ist ihre wissenschaftliche Benutzung, wenigstens in andern Damit soll aber dem privaten Sammeln und Erwerben der Bücher nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223685"/> <fw type="header" place="top"> Bibliophile</fw><lb/> <p xml:id="ID_311" prev="#ID_310"> der Sammler befinden, ist ihre wissenschaftliche Benutzung, wenigstens in andern<lb/> Städten als im Wohnorte des Besitzers, so gut wie unmöglich. Deun auch<lb/> der liberalste Sammler wird sich bedenken, wie es eine öffentliche Bibliothek<lb/> thut, ein Werk auf Jahre in einen entfernten Ort zur unbeschränkten Benutzung<lb/> zu verleihen. Und doch werden die Preise dieser Werke so in die Höhe ge¬<lb/> trieben, daß unsre Staatsbibliotheken, bei denen manchmal das ganze Jahres¬<lb/> budget kaum ein Drittel der Summe ausmacht, die für einen Boccaccio gezahlt<lb/> wird, unmöglich an die Erwerbung eines solchen Werkes denken können.<lb/> Freilich wäre es Aufgabe des Staates, alle diese Seltenheiten an sich zu<lb/> bringen und in einer der großen öffentlichen Bibliotheken aufzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_312" next="#ID_313"> Damit soll aber dem privaten Sammeln und Erwerben der Bücher nicht<lb/> im geringsten entgegengetreten werden. Der echte Bibliophile steht vielleicht<lb/> unter allen Sammlern obenan. Ein solcher wird aber nicht auf alte Bücher<lb/> um ihres Alters oder auf teure um ihres hohen Preises willen fahnden.<lb/> Ihm wird ein guter Neudruck dieselben Dienste leisten wie das Original. Er<lb/> wird namentlich in die Reichhaltigkeit und die Anordnung der Sammlung seinen<lb/> Stolz setzen. Er wird darnach trachten, durch Auswahl des Besten oder durch<lb/> möglichste Vollständigkeit innerhalb eines Gebietes den Wert seiner Bücherei zu<lb/> heben. Darin liegt das hohe Verdienst, das Privatsammlungen haben können.<lb/> Unsre öffentlichen Bibliotheken können bei den vielfachen Forderungen, die an<lb/> sie gestellt werden, unmöglich jedem Fache eine so eingehende Aufmerksamkeit<lb/> widmen, wie der einzelne Liebhaber. Dieser kann alles sammeln, was sich<lb/> auf seinen Gegenstand bezieht, und in diesen Rahmen wird sich dann ein<lb/> „Unikum," ein Elzevier, ein Ccixton ganz anders einfügen als in den rein<lb/> äußerlichen einer Sammlung alter Drucke. Der Kreis der zu sammelnden<lb/> Litteratur kann so eng als möglich gezogen werden, aber innerhalb dieses<lb/> Kreises muß Vollständigkeit das Ideal des Sammlers bilden. Hat jemand auf<lb/> diese Weise im Laufe der Jahre eine Bibliothek zusammengebracht — und nur<lb/> eine solche nach ihrem Inhalte planmäßig gesammelte Büchermenge verdient<lb/> den Namen „Bibliothek" —, so wird es auch gewiß sein Wunsch sein, daß<lb/> seine Sammlung als Ganzes bestehen bleibe, nicht wieder unter den Hammer<lb/> komme oder aus dem Laden des Antiquars in alle Wiude flattere. Wenn er<lb/> nicht Freunde oder Erben hat, von denen er gewiß ist, daß sie in seinem<lb/> Sinne an der Vervollständigung seiner Schätze fortarbeiten werden, wird er eine<lb/> öffentliche Bibliothek zu bestimmen suchen, seine Sammlung aufzunehmen. Nicht<lb/> jedem wird es möglich sein, seine Schütze unentgeltlich dem Staate zu über¬<lb/> lassen. Dann tritt an den Staat die Ehrenpflicht heran, solche Privatbibliotheken,<lb/> die eine seltene Vollständigkeit erreicht haben, anzukaufen und anch die Mittel<lb/> für ihre Fortführung zu gewähren. Man kann sich einer gewissen Wehmut<lb/> uicht erwehren, wenn man Jahr für Jahr die Sammlungen unsrer hervor¬<lb/> ragendsten Universitätslehrer unter den Hammer kommen sieht, Sammlungen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
Bibliophile
der Sammler befinden, ist ihre wissenschaftliche Benutzung, wenigstens in andern
Städten als im Wohnorte des Besitzers, so gut wie unmöglich. Deun auch
der liberalste Sammler wird sich bedenken, wie es eine öffentliche Bibliothek
thut, ein Werk auf Jahre in einen entfernten Ort zur unbeschränkten Benutzung
zu verleihen. Und doch werden die Preise dieser Werke so in die Höhe ge¬
trieben, daß unsre Staatsbibliotheken, bei denen manchmal das ganze Jahres¬
budget kaum ein Drittel der Summe ausmacht, die für einen Boccaccio gezahlt
wird, unmöglich an die Erwerbung eines solchen Werkes denken können.
Freilich wäre es Aufgabe des Staates, alle diese Seltenheiten an sich zu
bringen und in einer der großen öffentlichen Bibliotheken aufzustellen.
Damit soll aber dem privaten Sammeln und Erwerben der Bücher nicht
im geringsten entgegengetreten werden. Der echte Bibliophile steht vielleicht
unter allen Sammlern obenan. Ein solcher wird aber nicht auf alte Bücher
um ihres Alters oder auf teure um ihres hohen Preises willen fahnden.
Ihm wird ein guter Neudruck dieselben Dienste leisten wie das Original. Er
wird namentlich in die Reichhaltigkeit und die Anordnung der Sammlung seinen
Stolz setzen. Er wird darnach trachten, durch Auswahl des Besten oder durch
möglichste Vollständigkeit innerhalb eines Gebietes den Wert seiner Bücherei zu
heben. Darin liegt das hohe Verdienst, das Privatsammlungen haben können.
Unsre öffentlichen Bibliotheken können bei den vielfachen Forderungen, die an
sie gestellt werden, unmöglich jedem Fache eine so eingehende Aufmerksamkeit
widmen, wie der einzelne Liebhaber. Dieser kann alles sammeln, was sich
auf seinen Gegenstand bezieht, und in diesen Rahmen wird sich dann ein
„Unikum," ein Elzevier, ein Ccixton ganz anders einfügen als in den rein
äußerlichen einer Sammlung alter Drucke. Der Kreis der zu sammelnden
Litteratur kann so eng als möglich gezogen werden, aber innerhalb dieses
Kreises muß Vollständigkeit das Ideal des Sammlers bilden. Hat jemand auf
diese Weise im Laufe der Jahre eine Bibliothek zusammengebracht — und nur
eine solche nach ihrem Inhalte planmäßig gesammelte Büchermenge verdient
den Namen „Bibliothek" —, so wird es auch gewiß sein Wunsch sein, daß
seine Sammlung als Ganzes bestehen bleibe, nicht wieder unter den Hammer
komme oder aus dem Laden des Antiquars in alle Wiude flattere. Wenn er
nicht Freunde oder Erben hat, von denen er gewiß ist, daß sie in seinem
Sinne an der Vervollständigung seiner Schätze fortarbeiten werden, wird er eine
öffentliche Bibliothek zu bestimmen suchen, seine Sammlung aufzunehmen. Nicht
jedem wird es möglich sein, seine Schütze unentgeltlich dem Staate zu über¬
lassen. Dann tritt an den Staat die Ehrenpflicht heran, solche Privatbibliotheken,
die eine seltene Vollständigkeit erreicht haben, anzukaufen und anch die Mittel
für ihre Fortführung zu gewähren. Man kann sich einer gewissen Wehmut
uicht erwehren, wenn man Jahr für Jahr die Sammlungen unsrer hervor¬
ragendsten Universitätslehrer unter den Hammer kommen sieht, Sammlungen,
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